MICHAELA RABITSCH: „Schwimmt man nur in seiner eigenen Suppe, kommt nie etwas Neues raus“
Wenn jemand sein Handwerk beherrscht, dann Michaela Rabitsch. Gerne wird sie als beste Trompeterin des Landes bezeichnet. Grund genug, um sich einmal näher mit ihr zu beschäftigen. Im Interview mit subtext.at gibt sie (zusammen mit Gitarrist Robert Pawlik) einen Einblick in die Welt des Jazz, die live am 26. November 2012 in Wien präsentiert wird und immer noch mit einigen Vorurteilen zu kämpfen hat. Ob die stimmen oder unwahr sind? Lest selbst.
Es entwickelt sich ein spannendes Gespräch über die Theorien der Musikrezeption. Wenn dann auch noch der prominente Name Till Brönner erwähnt wird, scheinen ihre Augen zu glitzern.
subtext.at: Michaela, Popmusik ist immer seicht, Klassik etwas für Langweiler und die Spielart des Jazz finden nur ältere Leute interessant. Stimmen die Klischees oder könnt ihr das entgegnen?
Michaela Rabitsch: Das werden wir einmal alles gleich entgegnen (lächelt). Erstens ist Popmusik nicht immer seicht, zweitens gibt es in jeder Musiksparte Gutes und Schlechtes. Es gibt interessante Popmusik und interessanten Jazz, und es gibt furchtbare Popmusik und furchtbaren Jazz. Das ist eine unglaubliche Pauschalierung. Mit volkstümlichen Schlager habe aber auch ich so meine Probleme (lacht).
Robert Pawlik: Es kommen durchaus auch junge Leute zu den Jazzkonzerten. Das Problem bei uns ist die Radiolandschaft.
Michaela Rabitsch: Jazz gibt es natürlich schon, aber nur an diesen Stellen, wo kein junges Publikum mehr ist. Solange sich Ö3 total dagegen verschließt, kommen junge Leute nicht so leicht dazu. Es ist ganz toll, dass es auf Ö1 präsent ist, aber es muss auch weiter gehen. Die Jugendlichen erwische ich nie, wenn ich nicht ihre Medien kriege. Das ist auch der Punkt. Wir waren in Südafrika, es gab viele junge Leute und auf dem ganzen Balkan ist das Publikum zwischen 14 und 80 auf den Festivals vertreten.
subtext.at: Beim Jazz ist es besonders wichtig, sein Handwerk zu beherrschen. Vergessen das viele?
Michaela Rabitsch: Das Handwerk ist die Sache der Musiker und nicht des Publikums. Unser Job ist es, unsere Sache gut zu machen. Das Publikum soll es genießen. Uns geht es nicht so sehr darum, dass das Publikm das Handwerk jetzt würdigt. Ihnen soll die Musik gefallen. Wie in jedem Beruf kann man es jedoch gut machen, wenn man das Handwerk beherrscht.
subtext.at: Die Rockmusik hat durch den Mythos Sex, Drugs & Rock ’n‘ Roll eine ganz andere Anziehung auf die Leute als der Jazz, der immer in der Wahrnehmung etwas altbacken daherkommt. Ich verstehe das Handwerk nicht, deswegen ist das nichts für mich – so die gängigen Meinungen.
Michaela Rabitsch: Wenn ich gute Songs mache, egal welche Richtung, dann muss man das nicht unbedingt verstehen. Unser Job ist es ja, dem Publikum die Musik hör- und genießbar zu machen. Ich muss es ja auch nicht wissen, wenn mich ein Arzt operiert, wie er das genau anstellt. Ich muss das ja auch nicht können und soll an der Narbe nachher nicht merken, wie schwer die Operation war. Nur weil etwas schwierig ist, ist es ja nicht ungenießbar. Es soll den Zuhörer auf jeden Fall emotional berühren. Der Musiker muss hingegen die ganze Theorie können und alles wissen, damit er gute Songs machen kann. Der Zuhörer braucht das nicht zu spüren. Ich möchte Musik machen, die mir gefällt. Die Konsumation des Publikums ist eine emotionale. Wenn es dann weitergeht und man etwas Intellektuelles für sich findet, dann ist das natürlich super.
Robert Pawlik: Ich bin mit ihr einer Meinung, nur es gibt auch Leute, die in irgendwelche Richtungen gehen, denen man dann nicht mehr folgen kann. Auf diese Weise entstehen dann auch Gegenbewegungen.
Michaela Rabitsch: Es muss etwas nicht einfach sein in seiner Struktur, um trotzdem für jemanden gut konsumierbar zu sein. Wenn es emotional nicht mehr konsumierbar ist, nur intellektuell, dann stimmt für mich etwas nicht. Die Emotionalität ist ein integraler Bestandteil der Musik.
subtext.at: Musiker zu sein ist für dich ein Job, hast du mehrmals erwähnt. Ist die Arbeit das größte Vergnügen?
Michaela Rabitsch: In dem Fall schon. Unser Job ist auch das, was wir machen wollen. (überlegt) Ich will für die Leute spielen und nicht nur für mich allein. Wenn es den Leuten gefällt, dann passt das, dann habe ich das auch gut gemacht. Wenn nicht, dann muss ich überlegen, was ich anders mache. (pausiert) Es gibt natürlich auch Musiker, denen ganz egal ist, was der oder die über sie denken. Es ist nicht so, dass ich es jedem Recht machen will, was natürlich sowieso nicht geht.
subtext.at: Ist Disziplin wichtiger als Spaß?
Michaela Rabitsch: Es ist beides gleich wichtig, natürlich. Wenn man keinen Spaß hat, ist es sehr schwer, etwas rüberzubringen. Disziplin ist natürlich wichtig, damit alles organisiert ist. Wenn das jemand nur als Hobby betreibt, kann der natürlich sagen, dass es nicht so wichtig ist. Für diesen Beruf müssen wir einfach eine gewisse Disziplin an den Tag legen. Beim Konzert sowieso, weil man sich konzentrieren muss, aber auch im Alltag. Es muss alles vorbereitet sein. Es ist eine Zumutung, wenn das Publikum eine dreiviertel Stunde warten muss, weil die Band irgendwie nicht da ist. Es gibt Leute, die finden das total OK. Mein Bier trinke ich jedenfalls immer nachher (lacht).
subtext.at: Eure neue Platte „Voyagers“ ist auch durch die vielen Auftritte im Ausland beeinflusst worden. Hat Österreich aufgehört, jenseits der Grenzen kulturell etwas aufzunehmen, musikalisch oder was das Lebensgefühl angeht?
Michaela Rabitsch: (lange Pause) Ich glaube, dass es für Musiker sehr wichtig ist, Dinge nicht nur aus der Ferne zu betrachten. Wir haben auf Festivals mit Musikern aus den verschiedensten Ländern zusammengespielt und man kriegt einen anderen Zugang dazu, eine andere Motivation, wenn man mit verschiedenen Leuten kooperiert. Man erlebt Dinge in Kombination mit dem Land, mit den Leuten in einer Kooperation. Schwimmt man nur in seiner eigenen Suppe, kommt nie etwas Neues raus. (überlegt) Jeder soll aber machen, wie er will. In Wien ist ja sehr viel da. Der Jazz ist generell breiter geworden. Das finde ich gut. Wenn wir immer noch in den 30er Jahren festsitzen würden, dann wäre es langweilig.
subtext.at: Sind große Künstler auch große Beobachter?
Michaela Rabitsch: (lange Pause) Es gibt einen Input, Ideen und viele Möglichkeiten, die man aufnehmen kann oder eben nicht. Es gibt Leute, die fühlen sich wohl, wenn sie sich innerhalb einer Stilistik bewegen. Andere hätten gerne immer etwas Neues.
Robert Pawlik: Wenn man etwas komponiert, liefert das immer die Summe der Eindrücke, die man aufgenommen hat.
Michaela Rabitsch: Genau. Je vielfältiger sie sind, desto mehr kann sich die musikalische Sprache entwickeln.
subtext.at: Es gibt auch Künstler, die schotten sich komplett von der Außenwelt ab, wenn sie neue Songs schreiben möchten.
Michaela Rabitsch: Wir gehen den anderen Weg. Musik ist wie Sprache, denn je mehr ich aufnehme, umso reicher ist der Wortschatz.
subtext.at: Fällt es einem leicht oder schwer, ein Leben aus dem Koffer zu führen?
Robert Pawlik: Das finde ich ganz schwer. Dafür muss man schon ein eigener Typ sein.
Michaela Rabitsch: Seine Basis braucht man schon irgendwo. Wenn man generell gerne unterwegs ist, ist das kein Problem. Ich versuche immer vom jeweiligen Land und den Leuten etwas mitzukriegen. Die Inspiration kommt aus der Gesamtheit heraus.
Robert Pawlik: Obwohl wir nicht immer Zeit gehabt haben, uns etwas anzuschauen.
Michela Rabitsch: Wir haben es immer versucht.
subtext.at: Meist legt man Musik auf, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Welche Stimmung soll „Voyagers“ vermitteln?
Michaela Rabitsch: In dem Fall sind die Stimmungen vielfältig. Wir wollten die Leute auf unsere Reise mitnehmen. (überlegt) Möglichst in guter Stimmung, weil für mich ist das auch immer ein Argument.
subtext.at: Ein Musiker, der in eine ähnliche Kerbe wie ihr schlägt, ist Till Brönner. Ist Michela Rabitsch die weibliche und österreichische Antwort auf einen wie ihn?
Michaela Rabitsch: Damit könnte ich durchaus leben (lacht herzlich). Wenn ich annähernd seine Plattenverkäufe erreichen würde, hätte ich gar kein Problem damit. Nein, der Till Brönner ist ein sehr guter Trompeter, da ist nichts dagegen zu sagen. Wäre eigentlich das Beste, was einem passieren kann.
subtext.at: Manche sagen, dass er zu sehr in den kommerziellen Bereich schielt.
Michaela Rabitsch: Natürlich ist er kommerziell, was aber nichts damit zu tun hat, dass er gut Trompete spielt. Kommerzielles ist nicht gleich schlecht, und etwas nicht Kommerzielles ist nicht gleich gut. Das ist für mich kein Qualitätsmerkmal.
subtext.at: Und was sind Qualitätsmerkmale?
Michaela Rabitsch: Wir möchten jedenfalls starke Melodien & Harmonien haben, einen Text, der etwas aussagt, es muss emotional sein und es muss grooven.
Live am 26.11.2012 im Wiener Radiokulturhaus!
Links & Webtips:
michaelarabitsch.com
facebook.com/michaela.rabitsch
extraplatte.at