„Der Prozess“ im Maestro- Theater

Das Theater Tabor ist derzeit mit dem Stück „Der Prozess“ nach Franz Kafka im Maestro- Theater zu Gast. Wert gelegt wurde in der Inszenierung vor allem auf den Verlust der Freiheit.

Josef K. (Ethem Saygieder), Prokurist einer Bank und Protagonist des Werkes, wird an seinem 30. Geburtstag verhaftet. Er erfährt weder den Grund für seine Anklage, noch wie er seine Unschuld beweisen könne. Auch der reale Zugang zum Gericht bleibt ihm verwehrt. Während Josef K. am Anfang von einem Scherz überzeugt ist und sich schließlich auf die Rechtsstaatlichkeit berufen möchte, ist er mit voranschreitender Handlung nicht mehr von einem positiven Ausgang des Prozesses überzeugt. K. sucht Hilfe, etwa bei einem Anwalt, mit dem sein Onkel befreundet ist (Paul Hofmann), oder einer Gerichtsmalerin (Katharina Pilar). Doch die Informationen, dass es „ absolute Freiheit“ nur in Legenden gebe und wie er zu „scheinbarer Freiheit“ gelangen könne, helfen ihm nicht weiter. Von der Möglichkeit der Verschleppung will Josef K. gar nichts mehr wissen und auch der Anwalt wird aufgrund mangelnden Fortschrittes gekündigt. Ein Gefängniskaplan (Didi Bommer) erzählt dem Angeklagten schließlich eine Parabel, die dieser nicht auf seine Situation umdeuten kann…

In weiteren Rollen sind Julia Kastner als Sekretärin Leni, Markus Trunez als Stellvertretender Vorsitzender des Gerichts, Sabine Cap als Nachbarin Bürstner, Lilia Pecka als Haushälterin Grubach, Joschi Auer als Kaufmann Block, Beate Schnabel als Cousine und Christian Pichler als Beamter zu sehen. Für die Choreografie war Iassen Stoyanov, zugleich Leiter des Maestro- Theaters, für die Regie Anatoli Gluchov zuständig. Der Verlust der Freiheit wird durch den Einsatz von Masken (Dima Grebenkin) oder sich verschiebenden Wänden illustriert. Aspekte wie das Zunehmen von Überwachung und die damit einhergehende Angst (Telefongespräch mit dem Onkel) oder eine ungreifbare Bürokratie sind nach wie vor aktuell. Ein weiterer Bezug zur Gegenwart wird mit dem Hinweis der Malerin gemacht, dass Josef K. doch Unterschriften für seine Befreiung sammeln könnte.

Gluchov antwortete auf die Frage,  was für ihn ein Prozess sei: „Im Laufe meiner Vorarbeiten zur Regietätigkeit für „Der Prozess“ von Franz Kafka fokussierte ich mein Interesse unter anderem auf Folgendes: Der erste Prozess war die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, ein von Gott gefälltes Urteil. Später bildeten sich die Menschen ein, auch über andere Menschen urteilen und richten zu können“ Das Thema Schuld findet ebenfalls Eingang in das Geschehen, als Josef K. eine Rede hält.

Es entsteht der Eindruck, dass  Aussagen wie „jemandem den Rücken zukehren“ oder „jemanden fallen lassen“ bildlich dargestellt werden. Bei den Elementen stehen jedoch Tanzeinlagen, Pantomime und Musik stärker im Vordergrund als die Dialoge, die eher spärlich eingesetzt wurden. Man sollte hier am besten nicht mit falschen Erwartungen herangehen und den Roman zwecks besseren Verständnisses vorher gelesen haben.

Die nächsten Aufführungstermine sind der 18., 23. und 25. Mai, jeweils um 20 Uhr, in Maestro- Theater, Bismarckstraße 18, 4020 Linz.

Hintergründe

Das Theater Tabor ist eine seit 2000 bestehende freie, professionelle Theatergruppe. Pro Jahr gibt es zwei bis drei Produktionen, zum Einen für Erwachsene und Jugendliche, zum Anderen auch für Kinder. Nach den Aufführungen im Maestro Theater geht die Gruppe auf Tournee in Österreich, Deutschland, Italien etc.

„Der Prozess“ wurde zum Internationalen Theaterfestival Golden Lion 2014 eingeladen.

Foto: Christian Pichler

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/