Strange Days, Strange Nights

Das Vienna Independent Shorts sorgte 2013 für viele lange, kaffeegetränkte „Strange Days“ und oft genauso lange „Strange Nights“ – um dem diesjährigen Motto zu folgen. Von den verschiedenen Filmprogrammen und dem Rahmenprogramm bleiben Eindrücke der verschiedensten Art, die sich schon aufgrund ihrer Menge nur schwer ordnen lassen.

Fünf Tage Festivalprogramm mit insgesamt über 260 Filmen machen schon einiges her. Da dauert es auch bei weniger als der Hälfte an gesehenen Filmen schon einmal länger, die Bruchstücke aus Erinnerungen daran wieder zusammenzusetzen. Für Kurzfilmfestival-Neulinge ungewohnt, wurden hier gleich mehrere Werke zu Themenblöcken im Programm zusammengefasst. Neben einer eigenen Programmschiene für österreichische Filme gab es noch die selbsterklärende „Fiction & Documentary“-Schiene, „Animation Avantgarde“ für außergewöhnliche, oder besser, noch außergewöhnlichere Filme und das „Strange Days“-Programm zum diesjährigen Programmschwerpunkt, das Krise und Umbruchsstimmung einfangen sollte.

Programm

Diese Filmblöcke können einen auch schon ordentlich verwirren. Was da zusammen gezeigt wurde folgte meiste einer feinen inhaltlichen Linie und ignorierte grobe Einteilungen großteils. Zusätzlich gabs noch großartige „Spezialprogramme“ wie PopPorn,  Très chic  [sprich: trashig] und Horrific Animation. Da kann’s auch im Kino schon mal ordentlich zur Sache gehen oder die Kuriosa des trashigen Humors werden mit ausreichen Whiskey eingeleitet und danach  mit einer Party und dazu passender Musik gefeiert. Die Horrorfilmchen schienen da eher einem andren Konzept zu folgen. Bis auf einen waren sie nicht bloß inhaltlich sondern eher von der Machart blanker Horror. Überzeugt hat mich hier nur Night of the loving dead.

GewinnerInnen

Alle Filme zu beschreiben würde Tage dauern, aber zumindest die PreisträgerInnenfilme sollten noch einmal hervorgehoben werden. Im Österreich-Bewerb gewann „Hände zum Himmel“ von Ulrike Putzer und Matthias van Baaren den Wiener Kurzfilmpreis – eine Doku über Fans von Hansi Hinterseer, wie sie zu einem seiner Auftritte pilgern. Publikums- und Jugendjurypreis gingen an Ulrike Koflers „Wir Fliegen“, der für die beste Nachwuchsfilmerin an Kurdwin Ayub für „Familienurlaub“. Im Animation-Avantgarde-Programm ging der ASIFA Austria Award an Don Hertzfeldt, der mit „It’s such a beautiful day“ einen berührenden und sehr gelungen umgesetzten Animationsfilm über das Thema Gedächtnisverlust und Wahrnehmungsstörungen geschaffen hat. Der Publikumspreis ging an Joseph Pierce für „The Pub“ und der Preis für die beste Regisseurin an Karolina Glusiec für „Velocity“, der Veränderung mithilfe von vielen Bleistiftskizzen inszeniert. Mihai Grecu und Thibault Gleize, deren surreale „Himbeerkatastrophe“ in Erinnerung geblieben ist, dürfen sich über ein Artist-in-Residence-Stipendium freuen. Im internationalen Fiction&Documentary-Bewerb ging der Hauptpreis an Fyzal Boulifas „The Curse“, der eine alltäglich anmutende, aber dramatische Geschichte einer jungen Frau erzählt: Zunehmend deutlich wird im Verlauf des sauber inszenierten Films, wie sie in starren gesellschaftlichen Regeln gefangen ist. Der Publikumspreis in dieser Kategorie ging an „I can’t cry much louder than this“ von Robert Cambrinus, der auf verwirrende Art mit der Wahrnehmung des Publikums spielt.

Animationsgenie

David OReilly muss hier natürlich extra erwähnt werden. Auch wenn der 27jährige Ire international schon seit ein paar Jahren unterwegs ist war mir weder er noch seine Animationsarbeit vorher bekannt. Doch seinen Ruhm hat er wirklich verdient. Unprätentiös bricht er gerne Tabus, schafft es als seine Unabhängigkeit auch in kommerziellen Projekten durchzusetzen und bleibt dabei ziemlich auf dem Boden. Das ihn U2 für ein Musikvideo beauftragt hatten liegt wohl nur dran dass er auch Ire sei – und wohl zu billig war, so OReilly in der als „Masterclass“ bezeichneten Veranstaltung im Filmmuseum. Mit diesem Titel war er auch nicht unbedingt glücklich, viel zu förmlich. Am liebsten unterhielt er sich abseits der Screenings mit jedem der was von ihm wissen wollte – nur das schienen sich nicht alle BesucherInnen zu trauen ihn anzusprechen, so viel Respekt hatten sie vor ihm. Seine anderen Werke findet man unter davidoreilly.com!

Musik

Als extra Programmpunkt wurden dieses Jahr nationale und auch internationale Musikvideos in den „Screensessions“ gezeigt und auch prämiert. Das Besondere an diesem Programmpunkt: Die Videos wurden im Saal des brut im Künstlerhaus an die Decke projiziert und konnten bequem auf Matten liegend angeschaut werden – nebenbei bemerkt, das perfekte Katerprogramm. Nach den Sessions im Liegen folgte noch ein schönes, aber schlecht zu fotografierendes Livekonzert von Julian und der Fux und ein eher schräges von König Leopold. Beide Bands waren auch mit Videos im Programm vertreten, und König Leopolds „Kohlhauser“ dürfte mittlerweile den meisten ein Begriff sein. Die Preise in diesem Bewerb gingen übrigens an Metube: August sings Carmen ‚Habanera’ von Daniel Moshel (national) und Fjögur Píanó von Alma Har’el (international, Publikumspreis).

Party

Natürlich gehören zu einem Festival auch ordentliche Partys. Da das VIS ja als Studentenprojekt begann wissen die Macher auch, wie man feiert. Von der Eröffungsparty am Dienstag im alten Chic des Gartenbaukinos über Morrison, Transporter und Club U zur 10 Jahres-Feier am Samstag im brut war alles dabei. Am Sonntag gabs nach der Preisverleihung noch ein gemütliches Austrinken der Sponsorengetränke in der Festivalzentrale in der Künstlerhauspassage. Kein Abend endete für mich vor 2 Uhr früh.. es wurde eher später. So gesehen ist ein Filmfestival echt doppelt anstrengend, denn nach den unzähligen und vielschichtigen Eindrücken der Kurzfilme muss man natürlich auch noch ausführlich drüber diskutieren – das geht auch beim Tanzen.

Abseits der zahlreichen Einzeleindrücke bleibt noch der von einem sympathischen, gemütlichen Festival. Außerdem hätten die Tage bei dem regnerischen Wetter wohl kaum besser als im bequemen, trockenen Kino verbracht werden können. Mit 8.200 BesucherInnen waren das Künstlerhaus Kino und das Österreichische Filmmuseum eine knappe Woche sehr gut gefüllt.

www.viennashorts.com
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Text:

Michael Straub (links)

(rechts) Andreas Kepplinger

photographer, designer, journalist