Vienna Independent Shorts: „In Österreich hat es das in dieser Form nicht wirklich gegeben“
Nachste Woche findet zum zehnten Mal das Vienna Independent Shorts (VIS) statt – mittlerweile Österreichs größtes Festival für Kurzfilme. Wir haben uns mit dem künstlerischen Leiter Daniel Ebner und dem Geschäftsführer Benjamin Gruber zu einem Vorab-Interview getroffen und über das Festival und seine Geschichte geplaudert, außerdem über Filmschaffen, Kultur und Katzenvideos.
subtext.at: Ihr feiert dieses Jahr euer zehnjähriges Jubiläum. Wie hat das eigentlich begonnen mit dem Festival?
Daniel Ebner: Das kann ich noch ganz gut erzählen, nachdem ich der letzte bin, der von der gründungsgeneration übrig geblieben ist. Ürsprünglich haben wir mit einem Blog angefangen. Anfang der Nuller-Jahre hat es den HomeMovieCorner gegeben, eine Plattform für Leute, die Filme machen. Wir haben versucht die Filme zu kritisieren, zu beschrieben und Feedback gegeben und die Filme schließlich auch ins Kino zu bringen – auf unregulärer Basis.
subtext.at: Also kein reiner Filmkritik-Blog, sondern…
Daniel: …sondern mit Tipps und allem drum und dran. Wir wollten die Amateurszene vernetzen und deren Werke mit einem Publikum zusammenbringen. Da ist dann die Idee entstanden, das ein bisschen konzentrierter zu machen, an ein paar Tagen im Jahr. Wir haben uns dann mit zwei, drei anderen Initiativen zusammengetan, und dadurch ist dann auch der etwas komplizierte Name zustande gekommen, als Dach für mehrere Initiativen.
Wir haben dann mit Einreichungen gearbeitet, einen Aufruf gestartet und die Leute haben uns Filme geschickt, so wie jetzt beim Festival auch.
subtext.at: Und wie hat sich die Größe über die Jahre verändert?
Daniel: Das lässt sich sehr schwer vergleichen. Anfangs war das eine kleine Geschichte von Studierenden für Studierende. Das Publikum kommt ja auch heute noch eher aus einem jungen, studentischen Umfeld. Wir haben das mit zehn bis fünfzehn Leuten auf einer Learning-by-doing-Basis begonnen, und ab 2008 ist es dann professioneller geworden und kontinuierlich gewachsen.
subtext.at: Jetzt ist es ja das größte Kurzfilmfestival Österreichs.
Benjamin: Die letzten fünf Jahre haben wir jedes Jahr 20 Prozent mehr BesucherInnen gehabt, dieses Jahr werden es wohl so 7500 werden.
Daniel: Und im ersten Jahr waren es ein paar hundert…
Was uns anfangs nicht so bewusst war, ist, dass man auch eine bestimmte Stellung für die Filmkultur im Land einnimmt. Es gibt in fast jedem europäischen Land mehrere Kurzfilmfestivals, zum Teil schon seit Jahrzehnten. In Österreich hat es das in dieser Form nicht wirklich gegeben, als Präsentation nicht nur des österreichischen, sondern auch des internationalen Kurzfilmschaffens.
subtext.at: Wo wir schon beim österreichischen Kurzfilmschaffen sind: Seht ihr da nach zehn Jahren Festival Veränderungen?
Daniel: Ich finde es gibt sehr starke Veränderungen. Als wir angefangen haben, war das eine sehr starke Independent-Basis, auf einem qualitativ eher niedrigen Level, vor allem was das Handwerk und die Technik betrifft. Mittlerweile kann man mit den einfachsten Mitteln und mit einer recht günstigen Ausrüstung Filme machen, die ausschauen, als wären sie von Profis gemacht. Auch in der Filmsprache verändert sich sehr viel, in der Arbeit mit Kamera, Ton und Licht.
Damals haben wir 30-40 Filme gesehen, die halbwegs akzeptabel waren und heute haben wir 300 österreichische Filme eingereicht bekommen. Da ist auch die Konkurrenz gestiegen.
subtext.at: Ihr seid dieses Jahr wieder an anderen Spielorten als im letzten Jahr. Wie zufrieden seid ihr mit der Raumsituation, was die Spielorte betrifft?
Benjamin: Wir waren vorher im Metro-Kino, aber das hat dann zugesperrt, um zu renovieren und wir mussten einen neuen Raum suchen. Grundsätzlich sind wir schon zufrieden, weil es in Wien eh noch einige Programmkinos gibt, die auch für Festivals offen sind und uns immer wieder aufnehmen. Man merkt schon den Enthusiasmus der Kinobetreiber für Festivals und deren Unterstützung. Es ist natürlich nicht ganz optimal für uns, jedes Jahr in ein anderes Kino zu ziehen, weil das auch mit sehr viel Aufwand verbunden ist.
subtext.at: Eine fixe Spielstätte wäre also besser?
Benjamin: Das würde uns den Aufwand um einiges erleichtern.
Daniel: Bei manchen Festivals merkt man ja, dass das Kino mit dem Festival eine Symbiose eingeht, so wie das zum Beispiel beim Crossing Europe oder beim /slash ist. Das ist gerade in unserem Fall überhaupt nicht gegeben.
subtext.at: Aber das Publikum wandert mit?
Daniel: Ja, das ist das Schöne. Wir begeben uns auf eine jährliche Wanderschaft.
subtext.at: Zum Inhaltlichen: Das diesjährige Festival hat das Motto „Strange Days“ – was hat es damit auf sich?
Daniel: Wir haben jährlich so einen Schwerpunkt, den wir dem Festival überstülpen. Das gilt aber nicht für die Festivalprogramme, sondern nur für das Rahmenprogramm. „Strange Days“ ist aus dem Gedanken heraus entstanden, dass wir uns einerseits mit dystopischen und utopischen Stoffen beschäftigen wollten, andererseits aber auch mit dem Wörtchen „Krise“, dem man schon jahrelang nicht auskommt. Da haben wir die Idee gehabt, diesen Umbruch spürbar oder sichtbar zu machen.
subtext.at: Den Umbruch in der Krise?
Daniel: Den Umbruch, der durch die Krise mitgetragen wird. Sei es ein gesellschaftlicher Wandel oder eine Bewusstseinsstärkung für gewisse politische Prozesse. Davon ausgehend haben wir spezielle Programme entwickelt. Eines nennt sich eh „Krise, Aufstand und Revolution“, ein anderes beschäftigt sich stark mit dem Surrealen, das im Kurzfilm sehr stark beheimatet ist. Es muss schon immer alles mit dem Kurzfilm an sich assoziierbar sein. Das ist schon eine sehr eigene Filmgattung, mit der man auch ein bisschen anders umgehen muss als mit Spielfilmen oder Dokumentarfilmen.
subtext.at: Was fasziniert euch eigentlich besonders an Kurzfilmen?
Daniel: Ich glaube das Schöne ist, dass man keine Kompromisse eingehen muss. Beim Langfilm gibt es immer Kompromisse, bei der Finanzierung, bei Schauspielern, die man vielleicht nicht kriegt, bei Locations und so weiter. Beim Kurzfilm kannst du sehr stark „mit der Faust in den Magen gehen“, und das macht ihn so speziell. Es ist ein viel intensiveres Filmerlebnis. Für mich sind Langfilme immer sehr verwaschen, die künstlerische Vision hält da selten durch. Der Kurzfilm funktioniert nur, wenn die künstlerische Vision vollkommen umgesetzt worden ist.
subtext.at: Was ich noch ansprechen wollte ist das „Cat Video Festival“, das ihr ja auch im Programm habt. Wie darf man sich ein Katzenvideofestival vorstellen?
Benjamin: Wir sind darauf aufmerksam geworden, dass das Walker Art Center, ein Museum in Minneapolis (USA), ein Cat Video Festival gemacht hat. Das war outdoor, mit 10000 BesucherInnen. Wir sind dann auf sie zugegangen und bringen jetzt in einer Kooperation das Cat Video Festival zum ersten Mal nach Europa. Das Ganze wird auch outdoor stattfinden, auf der Jesuitenwiese im Prater, gemeinsam mit dem Volxkino. Wir werden dort Katzenvideos zeigen, unter anderem Local Cats – also selbst gedrehte österreichische Katzenvideos. Außerdem zeigen wir Highlights vom Cat Video Festival in Minneapolis.
subtext.at: Ihr habt also nicht diesen „Internet Cat Video“-Fokus, wie es das dortige Festival ja im Namen hat, sondern nur „Cat Video Festival“?
Daniel: Genau. Wir finden zwar einerseits das popkulturelle Phänomen der Katzenvideos im Internet sehr spannend, und das ist auch der Ausgangspunkt. Ich glaube jeder hat in seinem Freundeskreis um die fünf Leute, die unglaublich auf Katzenvideos stehen. Und in unserem Team war das genauso, fünf von fünfzehn Leuten haben das großartig gefunden und wollten es unbedingt machen. Wir haben aber versucht, die Perspektive ein bisschen zu erweitern. Wir haben Kurzfilme gesucht oder kuratiert, die sich tatsächlich mit Katzen oder diesem ganzen Hype auseinandersetzen. Auch unser Artist in Residence, Alexei Dmitriev, der selber ein unglaublicher Katzennarr ist, hat sofort gesagt, dass er da auch was beisteuern will. Er wird jetzt ein ungefähr zwanzigminütiges Programm mit eher weirden Sachen kuratieren. Ich glaube, das wird ein großer Spaß werden.
subtext.at: Abschließend, weil das bei österreichischischen Filmfestivals ja schon fast ein Pflichtpunkt ist: Wie sieht es bei euch mit der Finanzierung aus?
Benjamin: Das ist dieses Jahr ein zweischneidiges Schwert. Einerseits haben wir für unsere Verhältnisse ein relativ gutes Budget, sicher eines der besten in unserer Geschichte. Aber im Vergleich zu anderen Festivals oder auch zum Lohnniveau in Österreich haben wir ein Mini-Budget. Wir haben haben ungefähr die Hälfte davon, was wir brauchen würden, um die Leute beim Festival auch zu bezahlen. Die meisten arbeiten ehrenamtlich und haben nebenbei noch andere Jobs, teilweise 40-Stunden-Jobs. Das ist langfristig sicher keine tragbare Situation.
Daniel: Bei einem professionell produzierten Film würde nie jemand auf die Idee kommen, die Leute nicht richtig zu bezahlen – auch wenn es das im Independent-Bereich manchmal gibt. Es gibt eh nicht so viele Filmfestivals in Österreich, die in einer internationalen Liga spielen. Die müssen einfach richtig ausgestattet werden, sonst geht viel Filmkultur verloren. Ich wundere mich nicht, wenn sich Leute im Kino keine österreichischen Filme anschauen. Wo sollten die das sehen und sich daran gewöhnen, und wo soll da der Nachwuchs, auch der Publikumsnachwuchs, entstehen?
subtext.at: Angenommen ihr hättet das doppelte Budget, wie ihr ja fordert. Was würde sich ändern?
Benjamin: Wir könnten dann arbeitsadäquat bezahlen. Vordergründig, am Auftritt des Festivals, würde sich eher wenig ändern. Es könnten sich aber mehr Leute hauptberuflich damit beschäftigen, und da würde noch ein Professionalisierungsschub einsetzen.
Daniel: Außerdem wäre es dann vielleicht möglich, Wiederholungen vom Programm zu zeigen. Jetzt ist das vor allem ein finanzieller Aufwand. Es ist schade, wir sammeln 260 Filme und zeigen die nur einmal. Eigentlich ist das ein Frevel. Aber das wichtigste ist definitiv, die Leute zu zahlen.
Infos
Vienna Independent Shorts, 28. Mai bis 2. Juni 2013
Festival-Website: http://viennashorts.at/
Cat Video Festival, 14. Juni 2013
Fotos: Michael Straub