PASSENGER: „What should be, should be“

„Ob ich noch nervös bin, wenn ich auf die Bühne gehe? Jedes Mal, bei jedem Auftritt. Das habe ich nicht abgelegt“, beantwortet Passenger-Sänger Mark Rosenberg die Frage nach dem Lampenfieber. Der 32-Jährige Brite, der einst in Australien als Straßenmusikant in Erscheinung trat und seit „Let Her Go“ unzählige Gold- und Platin-Auszeichnungen sein Eigen nennen darf, fühlt sich dennoch wohler in seiner Haut.

„Es ist schon ein Unterschied, ob du vor hundert Leuten in einem Pub spielst oder vor dreißigtausend auf einem Festival. Oft bin ich dann auch allein auf der Bühne, nur mit meiner Gitarre. Es gab Zeiten, da war ich richtig aufgebracht deswegen. Nichtsdestotrotz ist es die ganze Mühe wert“, führt er weiter aus. Das ist „Young As The Morning, Old As The Sea“, dem heuer erschienenen Album, deutlich anzumerken. Ein Interview mit Passenger über das Älterwerden, komplizierte Beziehungen und Liebe in Zeiten von Social Media.

© Jarrad Seng

subtext.at: Mike, dein heuer erschienenes Album hört auf den Namen „Young As The Morning, Old As The Sea“. Wunderst du dich manchmal, wie die Zeit so schnell vergehen konnte und wo sie geblieben ist?
Mike Rosenberg: Na klar (lacht). Es gehört zum Menschsein dazu, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Jeder macht das durch. In einer Minute bist du bist 21, unbesiegbar und das Altern spielt keine Rolle in deinem Leben und plötzlich bist du 32. (überlegt kurz) Wenn ich an mein eigenes Leben zurückdenke, sind die letzten zehn Jahre eigentlich ziemlich cool gewesen. Ich habe das Gefühl, dass ich unweigerlich älter werden muss. Ich habe viel gesehen von der Welt, bin viel umhergereist, hatte viel Glück. Sicher, manchmal weiß ich auch nicht, wie die Zeit so schnell vergehen konnte und wohin sie verflogen ist.

subtext.at: Wir leben in einer Gesellschaft, in der ewiges Jungsein eine große Rolle spielt. Hat das Auswirkungen auf uns, wie wir das Älterwerden wahrnehmen? Wissen wir es überhaupt noch zu schätzen?
Mike Rosenberg: Das ist eine sehr gute Frage. (überlegt) Die Welt interessiert sich nicht für die Jugend an sich, sondern für alles, was neu ist. Es spielt keine große Rolle, Dinge schätzen zu lernen, weil sie einen gewissen Wert besitzen. Es hat schon obsessive Züge.

subtext.at: Welchen Nutzen hat man als Songwriter, wenn man älter wird?
Mike Rosenberg: Du wirst weiser. Etwas Besseres kann dir nicht passieren. Meine Songs profitieren davon, sie werden besser. Man hat einfach mehr Lebenserfahrung. Ich fühle mich jetzt generell selbstbewusster in meiner Haut, nicht nur als Musiker. Ich weiß, was ich liebe, was ich mag und was nicht. (überlegt) Mit Sicherheit gibt es Sachen, die man aus seiner Jugend vermisst, dennoch empfinde ich es nicht als Problem, älter zu werden.

subtext.at: Mit einem Nummer 1-Album in der Tasche, kannst du mit Sicherheit selbstbewusster auftreten.
Mike Rosenberg: (nimmt einen Schluck Wasser) Ja, aber ich denke, es ist auch mein bestes Album bis dato. Mittlerweile habe ich acht Platten veröffentlicht. Ich habe so viel Erfahrungen sammeln können, auch im Studio, und ich weiß, wie bestimmte Dinge am besten funktionieren und mit welchem Ergebnis ich raus möchte. Als ich meine ersten Platten aufgenommen habe, hatte ich keine Ahnung davon. Du spielst einfach deine Songs und ein Produzent kümmert sich um den Rest. Jetzt ist es so, dass ich mich aktiv mehr einbringe. (überlegt kurz) Ich hoffe, dass ich mich mit jeder weiteren Platte noch steigern kann.

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subtext.at: Es ist schon beachtenswert, gerade mit dem achten Album auf Platz 1 zu landen. Ich kann mich nicht an einen anderen Künstler erinnern, der so lange durchgehalten hat und es dann bis auf die Spitze geschafft hat.
Mike Rosenberg: Mein Ansatz war immer ein anderer und Regeln gibt es bei Passenger sowieso nicht. Vor fünf Jahren fing ja bei mir alles an, mein Leben veränderte sich. Ich realisiere viele Dinge erst im Nachhinein. Mein Freud Ed Shreeran versteht die Dinge schon zu Beginn. Er hat schon mit 15 Jahren verstanden, was es braucht, um erfolgreich zu sein. Er ist sehr talentiert, hat sich aber auch viel ins Zeug gelegt. Ich bin nicht so. (überlegt) Mit dem achten Album auf Platz 1 zu landen, ist ein wieder solch ein crazy Passenger-Kapitel.

subtext.at: Wie würdest du „Young As The Morning, Old As The Sea“ generell beschreiben?
Mike Rosenberg: Ein Album besteht für mich aus Songs, die irgendwie zueinander finden müssen, die zusammengehören. Ich habe zwei meiner Lieblingslieder für dieses Album nicht verwendet, weil sie nicht zum Rest gepasst haben. Meine Fans werden mich für verrückt halten, wenn sie diese Songs hören (lacht). Sie werden auf dem nächsten Album sein, da bin ich mir sicher. Ich sehe es wie bei einer Fußballmannschaft: Du kannst zwei richtig tolle Spieler im Team haben, aber es bedeutet nicht, dass du nicht verlieren kannst. Die anderen Mitglieder in der Mannschaft müssen ein starkes Fundament bilden. Verstehst du? Das Material sollte sich anfühlen wie eine Reise.

subtext.at: Das tut es.
Mike Rosenberg: Cool. Gut zu wissen. Danke (lächelt).

subtext.at: Du bist selbstbewusster geworden, dir geht es gerade ziemlich gut, wie du selbst beteuerst. Ist es nun schwieriger, die Kreativität zu entfachen?
Mike Rosenberg: Für mich nicht, nein. Ich habe mit vielen Künstler genau darüber gesprochen. Große Kunst aus dem Ärmel zu schütteln, wenn es einem schlecht geht? Ich weiß nicht. Ich denke, dass man sich Inspiration immer von irgendwoher holen kann. Klar, auch ich habe einige meiner besten Songs geschrieben, als ich betrübt oder deprimiert war. Es muss aber nicht immer so sein. Du kannst immer über etwas schreiben, ganz egal, ob du dich gut oder schlecht fühlst. Probleme habe ich jedenfalls nicht damit. Bei mir ist eher das Gegenteil der Fall (lacht). Von solchen Problemen können andere nur träumen.

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subtext.at: Kennst du das Gefühl, fröhlich und traurig zur gleichen Zeit zu sein?
Mike Rosenberg: Sicher. Es gibt bestimmte Zeiten im Leben, die sich genau so anfühlen. (überlegt) Eine Trennung zum Beispiel. Du kannst froh sein, weil du die richtige Entscheidung getroffen hast und der Druck, die Beziehung am Leben zu erhalten, verschwunden ist. Gleichzeitig bist du vielleicht auch traurig, weil das Ende gekommen ist. Diese Momente sind sicher bittersüß.

subtext.at: Hast du eine Person jemals geliebt und gleichzeitig gehasst?
Mike Rosenberg: Ich würde nicht unbedingt hassen sagen, aber klar, Beziehungen sind kompliziert. Eine Vielzahl an Emotionen kommen vor, gute wie schlechte, wenn man sein Leben mit einer anderen Person teilt. Ich kenne das auch, sicher.

subtext.at: In deinen Liedern geht es meist um die Liebe und all ihre Facetten. Heutzutage möchten wir Schmetterlinge im Bauch haben, wenn wir uns verlieben, den berühmten Funken spüren, wenn wir jemanden treffen, Sicherheit und Beständigkeit und eine Liebe, die bedingungslos anhält. Unsere Freiheit möchten wir dabei auch nicht missen. Kurzum: Wollen wir zu viel?
Mike Rosenberg: Die Welt hat sich verändert. Alles wird bewertet, jeder muss sich einer Bewertung unterziehen. Liebe, Arbeit, Reisen, einfach alles wird so gehandhabt.

subtext.at: Nach dem Motto „Das Gras auf der anderen Seite des Zaunes ist immer grüner“?
Mike Rosenberg: Genau. Social Media spielt da auch eine wichtige Rolle. Du siehst dir das Instagram-Profil von jemandem an, aber das ist nicht das echte Leben. Drei Stunden editierst du ein einzelnes Bild, bis es für dich perfekt ist, um etwas von dieser „Hollywood-Erfahrung“ zu haben. Die Gesellschaft guckt einfach immer auf andere herab und deren scheinbar perfektes Leben, anstatt auf sich selbst zu schauen. Wenn es mal nicht so läuft, wie es soll, dann ticken die Leute aus. Das ist das eigentliche Problem. Und bei Beziehungen verhält es sich heutzutage auch nicht viel anders. Es ist schadhaft. Ich stelle fest, dass trotz Social Media es den Leuten schwer fällt, konzentriert zu bleiben und sich verbunden zu fühlen.

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subtext.at: Gleichzeitig werden Dating-Websites und die entsprechenden Apps immer populärer. Führen viele Wege nach Rom, was das anbelangt?
Mike Rosenberg: Ich war noch nie auf solcher einer Seite, geschweige habe ich diese Apps ausprobiert. Noch nicht (lacht). Ich weiß nicht. (überlegt) Das Internet hat einfach alles verändert. Wie wir miteinander kommunizieren, wie wir uns präsentieren, wie wir leben und lieben.

subtext.at: Warst du schon mal in einer Beziehung, in der du nicht richtig glücklich warst, aber zu dir gesagt hast „Das kriegen wir schon irgendwie hin“?
Mike Rosenberg: Ja, sicher. Natürlich. (überlegt) Jeder macht diese Phasen durch. Du machst weiter, obwohl du eigentlich weißt, es bringt nichts. Du willst die Beziehung nicht aufgeben, aber die Mühe ist umsonst. Ich denke, jeder kennt das. Daraus kann man für die Zukunft lernen.

subtext.at: Was macht Passenger sonst, wenn er keine Songs schreibt?
Mike Rosenberg: Ich schwimme sehr gerne und gehe laufen. (überlegt) Egal, was du machst, wichtig ist nur, etwas Abstand zu den Dingen zu gewinnen. Dann sieht man klarer.

subtext.at: Wolltest du schon immer Musiker werden?
Mike Rosenberg: Gesungen habe ich schon als Kind und mit 14 habe ich angefangen, Songs zu schreiben. Ich habe verstanden, dass es da etwas in mir gibt, was sich sehr natürlich anfühlt. Ich musste mich auch gar nicht groß anstrengen, was die Musik angeht. Ich habe mich ziemlich schnell sicher und wohl gefühlt und ich wusste schon relativ früh, dass ich das mein ganzes Leben machen möchte.

Cover

subtext.at: Was möchtest du einmal hinterlassen? Für was solchen dich die Leute in Erinnerung behalten?
Mike Rosenberg: (denkt lange nach) Für ehrliche Songs? Ich weiß es nicht. Gute Frage. Eigentlich lassen wir ja nicht viel zurück und wenn, dann können wir uns glücklich schätzen. Wahrscheinlich werden mich die Leute wegen „Let Her Go“ in Erinnerung behalten. Schlecht ist das nicht. (überlegt) Ich werde in vielen Interviews gefragt, ob ich es leid bin, den Song zu spielen…

subtext.at: Den Song habe ich gar nicht erwähnt.
Mike Rosenberg: Ich weiß. Das weiß ich zu schätzen. Gefällt mir (lächelt). Ich bin jedenfalls nicht genervt von dem Song, denn ich habe ihm einiges zu verdanken. Er war ein Türöffner für mich. Ich hoffe, dass sich die Leute wegen „Let Her Go“ auch mit dem restlichen Material von mir beschäftigen möchten.

subtext.at: Nachdem es eingangs ums Älterwerden ging, wie stellst du dir deinen nächsten runden Geburtstag vor?
Mike Rosenberg: Meinen 40er? Wow! Diese Zahl scheint noch so weit weg zu sein, darüber habe ich noch gar nicht wirklich nachgedacht. (überlegt) Ich glaube nicht, dass ich so oft auf Tour sein werde wie jetzt. Ich möchte weiterhin Konzerte spielen, aber nicht ein ganzes Jahr dauernd unterwegs sein. Ich werde hoffentlich auch mehr Zeit haben, um sie mit Leuten und der Familie zu teilen. What should be, should be.

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Foto: Jarrad Seng

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