The Naked and Famous: „Musik ist Therapie – ohne sie kann ich nicht leben!“
The Naked and Famous im Interview: Seit dem großen Durchbruch 2010 hat sich bei den fünf Neuseeländern viel verändert. Drei Alben sind bisher entstanden, ein großer Umzug nach Los Angeles stand am Plan und das Touren um die Welt lässt die Zeit nicht stillstehen. Im Zuge ihrer UK & Europa Tour hat subtext.at sie für euch in Wien getroffen.
subtext.at: Seit kurzem seid ihr wieder auf Tour mit eurem neuen Album Simple Forms. Wie verläuft das Touren bis jetzt?
Alisa: Bis jetzt läuft es ziemlich gut! Wir sind seit ca. zwei Jahren nicht in Europa gewesen – zurück zu sein ist sehr aufregend für uns.
Thom: Ja, wir fühlten uns sehr geehrt wieder hier zu sein. Durch Europa zu touren ist eines der ersten Dinge, die wir taten, als wir das erste Mal tourten und 2010 unseren Durchbruch hatten. Wir dachten uns so ‚What the fuck? Was passiert uns da gerade?‘ Dieser Teil der Erde hat uns als erstes begrüßt. Das sind die wirklichen Erinnerungen für uns.
Alisa: Und auch die Menge – das Publikum, diese loyalen Musikfans – es ist nett die ganzen Geschichten zu hören wie – „Hey ich hab euch in diesem Venue schon vor 2 Jahren gesehen. Es war toll und ich kann es kaum erwarten euch wieder zu sehen“. Der Support ist da und das fühlt sich fantastisch an.
subtext.at: Wie unterschiedlich verhält sich das Publikum hier in Europa im Vergleich zu anderen Teilen der Welt?
Thom: Es kommt vielleicht auch auf die Musik drauf an, die wir machen und die Kultur, die wir damit ansprechen, aber ich finde, es gibt keine großen Unterschiede zwischen den Menschen. Manchmal gibt es kulturelle Unterschiede und man bemerkt, wie unterschiedlich sich die Menschen zur Musik bewegen. Los Angeles oder London – große Metropolen als Kulturzentren, in denen oft und regelmäßig Konzerte sind und man deswegen gerne verschränkte Arme zu sehen bekommt. Hier sind die Venues übersättigt und ich verstehe das – es ist okay. Menschen sind verschieden. Einmal spielten wir bei einem japanischen Festival und es war eines der höflichsten Konzerte, die wir je gespielt haben. Keine Drängeleien, Aneckungen oder dergleichen – jeder recyclte und gab auf die Mitmenschen acht. Nicht wie etwa beim Glastonbury, wo man es schon fast drauf anlegt.
subtext.at: Ein Phänomen, dass euch sicherlich auch bekannt ist: wie geht ihr mit Handyaufnahmen des Publikums um?
Thom: Ja, es nervt!
Alisa: Es nervt sehr! Aber ich denke, es gibt zwei Argumente warum warum Fans so excited sind. Zum einen, um aufzunehmen und eine Erinnerung zu erstellen, sodass sie diese für immer haben können. Aber als Künstler denkt man anders – sie hören nicht richtig zu, sie sind nicht wirklich mitgerissen vom Konzert an sich in dem Moment. Also verstehe ich es von beiden Seiten. Aber generell sehen wir das, besonders in Europa, nicht so oft. Die einzigen Male, wenn das passiert ist, sind es beliebte Songs wie „Young Blood“, „Punching in a Dream“. Zudem reagiert das Publikum sehr gut auf unser neues Material, das 2016 rauskam.
subtext.at: Gutes Stichwort! Ihr seid ziemlich schnell im Produzieren von ausgezeichneten Songs. Gibt es ein Geheimrezept? Ist es so leicht?
Thom, Alisa: Dankeschön! (beide lachen)
Alisa: Nein, Ich würde nicht leicht, schnell und Musik zu produzieren miteinander verknüpfen.
Thom: Langsam, schwierig… alles andere als diese wundervolle Beschreibung
Alisa: Ich wünschte, es wäre leicht und dass wir alles so schnell wie möglich abwickeln können. Aber es ist wirklich schwer! und zugleich aber sehr befriedigend am Ende.
subtext.at: Fast jeder Song schafft es trotzdem in die Top Charts. Arbeitet ihr dabei dezidiert darauf hin oder ergeben sich die musikalischen Erfolge zufällig?
Thom: Dankeschön! Ich würde mir wünschen, dass die ganze Welt das genauso sieht. Generell machen, wir Musik wie es auch viele andere machen – wie Künstler: perfektionistisch, unsicher, nichts ist gut genug. Alles muss einzigartig sein. Es gibt auch viele Künstler, die einen Song schreiben und diesen getrennt von der Musik sehen, als ob dieser alleine existieren könnte. Was wir machen, ist sehr nahe an unserem Selbstwert angesiedelt und widerspiegelt unsere Identität wieder. Einen Song zu schreiben soll etwas bedeuten, soll emotional sein und darf sich nicht widersprechen. All diese Dinge sind sehr intim und fokussiert. Wir denken nicht darüber nach etwas zu planen – die Musik ist Ausdruck dessen, was und wer wir sind und das macht es manchmal schwierig einen Song fertigzustellen. Dabei soll auch der Schmerz und der Stress in unserer Musik zum Ausdruck gebracht werden.
Alisa: Wir machen das auch schon seit zehn Jahren und wüssten nicht was wir sonst machen sollten. Deshalb müssen wir uns auf das Musik machen, das Schreiben von Songs, fokussieren. Denn das ist das Einzige, was wir machen können.
subtext.at: Wie war dabei das Arbeiten am neuen Album?
Alisa: Wir nahmen in einem Studio, Energy Studios, im Norden Hollywoods auf. Es ist verrückt, da dieses Studio eigentlich Bands wie Korn, Pappa Roach oder Limp Bizkit aufnahm. All diese Metal-Bands und dann wir. Wir konnten mit Carlos de la Garza, der mit Paramore, M83 und vielen mehr arbeitete, aufnehmen. Seine Expertise war fantastisch und das Aufnehmen war eine Menge Spaß – und wir arbeiteten daran, so ambitoniert wie möglich zu arbeiten und unseren Standards gerecht zu werden, soweit es ging.
subtext.at: Habt ihr dabei spezielle Rituale beim Aufnehmen von Songs?
Thom: Nein, nicht wirklich. Jedes Mal ist anders – man lernt dazu und wächst über sich hinaus. Ich denke es ist ein konstanter Prozess der Selbstverwirklichung. Zudem denke ich, dass Musik eine Karriere ist um deiner Verrücktheit Fundament zu geben. Du kannst deine eigenen Rituale, deine Bedürfnisse, ausleben. Wir wollen uns selbst treu bleiben und nicht eine dieser professionalisierten Verrücktheiten ausleben. Nun haben wir diese Mentalität in der Band um sich selbst von der Gruppe zu differenzieren – also das Private vom Beruflichem.
subtext.at: Vor einiger Zeit wart ihr getrennt voneinander – jeder fokussierte sich dabei auf sich selbst. Wie wirkte sich diese Zeit auf das Arbeiten am neuen Album aus?
Alisa: Ich denke zu der Zeit war alles so unproduktiv. Wir brauchten Zeit. Aber das was wir hier machen ist Musik. Jeder kennt die Regeln – jeder weiß, was von ihm erwartet wird. Das macht es sehr leicht zu wissen was passiert, wenn wir Musik machen.
subtext.at: Nachdem ihr euch wieder zusammengeschlossen hattet: inwieweit hat euch diese Phase, die Veränderungen und damit auch eure Musik verändert?
Thom: In jeder Profession sammelt man Erfahrungen, Fähigkeiten und Referenzen. Je älter man wird, desto schwieriger ist es genau zu bestimmen was mich wirklich inspiriert. Es ist schwierig zu sagen, welche Musik oder welche Band uns beeinflusst. Wie Alisa schon sagte – das ist genau das, was wir seit zehn Jahren machen. Sehr schwierig für Aussenstehende zu beschreiben in so kurzer Zeit.
subtext.at: Eure Musik wird von vielen Seiten als „Electro-Pop“ bezeichnet. Stimmt ihr darüber mitein?
Alisa: Ja, ich stimme da vollkommen zu! Es ist sowohl Electro als auch Pop vorzufinden und zusätzlich haben wir auch noch tolle Rock-Gitarren. Das ist es auch, was ich so an uns liebe – wir haben diese Electro und Pop Richtung gemischt mit guten Rock-Gitarren. Da heben wir uns von anderen Künstlern ab. Das vermisse ich auch in Electro-Pop-Songs.
Thom: Ich fühl mich stolz, wenn Menschen sagen, wir sind eine Electro-Pop-Band oder eine Alternative-Pop-.and. Das hängt ganz stark von den eigenen musikalischen Vorlieben ab, was man daraus hört.
Alisa: Es muss für Plattenläden richtig schwer sein, neue Musik einzuordnen. Es wird immer schwieriger, weil Musik immer multi-genre-mäßiger wird. Ein einzelner Song kann so viele Genres beinhalten. Ich fühle mit den Menschen hinter den Plattenläden mit, die neue Musik einordnen müssen (lacht).
Thom: Ich mag besonders den losen Alternative-Musik-Begriff. Man kann Pop und Alternative gut kombinieren und es steckt viel mehr die Kultur dahinter, die sie miteinbezieht. Wenn ich an Pop denke, fällt mir ein Song ein: Kids hören sowas. Alternative ist da eher was für Erwachsenwerdende. Menschen, die nicht mehr zur Schule gehen. Es geht mehr um Alben, Serien und um die Lyrics, die dahinter stehen.
subtext.at: Wohnt ihr noch gemeinsam in einem Haus in L. A.?
Alisa: Wir wohnten gemeinsam, ja. Wir entschlossen uns damals gemeinsam nach Los Angeles zu gehen und gemeinsam in die amerikanische Kultur reinzuwachsen. Sich in ein neues Land einzuleben ist so viel leichter, wenn du es nicht alleine musst, sondern gemeinsam mit der Familie, mit der Band.
subtext.at: Aber jetzt habt ihr euch eingewöhnt und wohnt wieder getrennt?
Alisa: Ja (lacht).
subtext.at: Vermisst ihr dann und wann die Insel, Neuseeland?
Alisa: Ja, ich brauche meine Dosis Neuseeland im Jahr. Jeder von uns fährt gerne nach Hause. Es ist wichtig und wenn wir es ein Mal pro Jahr schaffen, ist das schön.
subtext.at: In einem vorigen Interiew meintet ihr, dass dieses Album, „Simple Forms“, euer erfolgreichstes ist. Warum? Weil ihr so viel Zeit und Hingabe investiert habt?
Alisa: Oh, was ich damit meinte ist, dass es das kommerziellste Album ist, dass wir bisher gemacht haben. Es ist fast anspruchsvoller Pop.
Thom: Ja, vielleicht kann ich hier gleich an Alisas Worte anschließen. Es ist genau das – und vor allem haben wir uns hier besonders auf die Vocals konzentriert. Es gibt schon ein paar instrumentale Samples, aber grundsätzlich im Vergleich zu vorigen Alben wo es mehr längere instrumentale Passagen gab, die sich langsam zum Höhepunkt voran arbeiteten, haben wir diese nun fast rausgekickt oder massiv gekürzt. Das ist die Basis von Pop-Musik. Es geht um die Stimme – und in nur ganz wenigen Fällen brechen wir die Regeln und bauen wiederkehrende instrumentale Parts ein. Es ist sehr schwierig, das zu machen und keine Ahnung, ob wir daraus das beste Album machen wollten oder einfach so in Fahrt waren – es passierte. Zurückblickend kann ich auch sagen, dass jedes Album anders ist. „Passive Me, Aggressive You“ war das bisher lauteste Album, dass wir herausbrachten. Es ist sehr energiegeladen und jugendlich zugleich (und wir wussten nicht genau was wir taten). Das zweite Album ist eher wie ein typisches Band-Album. Wir hangen im Studio rum und spielten gemeinsam die Songs. Es ist sehr minimalistisch und verwurzelt. Im jetzigen Album geht es aber mehr um die Stimme. Was kommt als nächstes? Wir wissen es nicht.
subtext.at: Also wird es nie langweilig? (lacht)
Thom: Ja. Wir sind nicht so fixiert und probieren gerne etwas aus.
Alisa: Das ist auch das Ziel.
subtext.at: Wie würdet ihr denn eure Musik in drei Wörtern beschreiben?
Thom: Our life’s work.
Alisa: Dem kann ich nur zustimmen.
subtext.at: Zuletzt: Habt ihr große Pläne für 2017? Ist schon etwas geplant oder noch alles top secret?
Alisa: Dieses Jahr wird wunderbar. Wir werden Simple Forms überall auf unserer Tour spielen und vielleicht kommen wir ja auch nach Europa für Festivals im Sommer.
Thom: Ja, werden wir – das ist so etwas von einem top secret (lacht). Vielleicht auch nach Österreich. Also es gibt ein paar top secret Sachen.
subtext.at: Trump ist seit einigen Wochen im Amt. Ein paar Künstler haben bereits ihre Stimme gegen ihn mit politischen Songs erhoben. Gibt es einen Song, der eure aktuelle Meinung dazu widerspiegelt, oder habt ihr selbst geplant einen politischen Song zu produzieren?
Thom: Ich habe den Druck gespürt von einigen Medien, auch musikalisch so zu handeln. Wir haben definitiv darüber nachgedacht. Ich denke, ich bin die größte Barriere in der Band, die dem zustimmen würde. Ich kann und möchte mich politisch nicht radikal äußern. (überlegt) Ich möchte Trump in keinster Weise entschuldigen. Er wirkt wie ein ungebildetes Kind, das keinen schlüssigen, zusammenhängenden Satz von sich in der englischen Sprache wiedergeben kann. Er hat offensichtlich nichts gelesen und ist ein Nörgler in höchsten Tönen. Aber ich denke, dass wir, eine Band, die Alternative-Musik macht, uns hier nicht aussprechen müssen. Es geht um wirkliche Veränderungen – und die entstehen nicht mit den lautesten Schreien, sondern mit einer erwachsenen Mentalität. Und das sind die Menschen auf die wir hören sollten. Es ist ein kompliziertes Thema.
Alisa: Ja, es ist ein wirklich kompliziertes Thema und wir können nicht von MusikerInnen, SchauspielerInnen und anderen Entertainment-Leuten erwarten, Vorbilder für dieses extrem komplizierte Thema zu sein. Alles was wir tun können, ist auf uns selbst zu hören und Musik zu machen, die die Menschen bewegt und ihr Leben bereichert.
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