LAGWAGON: Ein Stück Punk Rock Holiday in Wels

Bei hochsommerlichen Temperaturen in und außerhalb des Konzertsaales gab es am Mittwoch, bevor es im Herbst weitergeht, gewissermaßen das „SBÄM Fest Lite“ zu bestaunen. Wer in diesem Jahr keinen Trip zum Punk Rock Holiday nach Slowenien gebucht hat, bekam mit Lagwagon, The Lawrence Arms, Bad Cop / Bad Cop, den Lillingtons und den Spoilers ein spitzenmäßiges Ersatzprogramm im Welser Schlachthof präsentiert.

Zur Vorgeschichte: Gerade findet im slowenischen Tolmin das Punk Rock Holiday statt. Ein großes familiäres Treffen, zu dem Punk-Enthusiasten aus halb Europa aufbrechen und für die dort auftretenden Band eine gute Gelegenheit um während der An- und Abreise zum Festival noch den einen oder anderen Gig im vorbeigehen zu spielen. Für Daheimgebliebene eine tolle Sache. So machten am Mittwoch gleich fünf Bands Halt in Wels und feierten bei brütender Hitze mit (mutmaßlich) knapp 550 Verrückten ein „SBÄM Fest Lite“.

Bei Act Nummer 1, den Spoilers aus Großbritannien, herrschte aufgrund der anhaltenden Hitzewelle aber noch Stimmung wie in einer Bibliothek (wie es die Band salopp ausdrückte). Die Band gab sich aber keine Blöße, lobte die Anwesenden dafür, dass sie den Schlachthof zum Beispiel einem Badeausflug vorgezogen haben und boten sogar an die Ventilatoren auf der Bühne zur Abkühlung in Richtung Publikum zu drehen. Musikalisch präsentierte das UK-Quartett munter nach vorne preschenden Pop Punk mit äußerst gefälligen Refrains. Fazit: Sympathischer Auftakt.

Musikalisch in eine ähnliche, aber inszenatorisch in eine ganz andere Kerbe schlugen die Lillingtons. Die Band aus Wyoming klingt, als hätten die Ramones eine längere Frischzellenkur hinter sich gebracht und konterkariert ihren melodischen Punk-Sound durch ein Erscheinungsbild, welches eher an eine Metal Band denken lässt. Das beginnt bei der Form der Gitarren und mündet in düstere Interludes, Kerzen und Totenköpfe auf der Bühne und okkulten Symboliken. Als würde man sich vom Herrn der Finsternis persönlich für die nächste College Party inspirieren lassen. Auf ihrem letztjährigen Album „Stella Sapiente“ hat dieses Faible auch begonnen, sich mehr und mehr im in den Songs der Band niederzuschlagen. Ein Konzept, dass uns gefallen hat und etwas frischen Wind ins Punk-Rock-Zirkuszelt bläst.

Im Anschluss begeisterten Bad Cop / Bad Cop ausnahmslos. Die vier Kalifornierinnen brachten ein derart mitreißendes Level an Energie auf die Bühne, dass man gar nicht umhin konnte, als sich dem Moshpit anzuschließen – oder wie ein jüngerer, bereits etwas intoxikierter Konzertbesucher – gleich zwei Mal einen Backflip vom Bühnenrand hinzulegen. Wer weniger akrobatisch veranlagt war beließ es dabei, mit einem Grinsen im Gesicht die Musik zu genießen. Die klingt typisch nach Fat Wreck Chords und der Sonne Kaliforniens und bezieht klar Stellung zu Politik, Feminismus und Kapitalismus. Rückblickend betrachtet waren Bad Cop / Bad Cop vielleicht sogar DAS Highlight des Abends.

Weniger nach Sonnenschein und mehr nach rauschigen Pubnächten in Chicago klingen The Lawrence Arms. Die nach eigener Aussage „coolste Band des Abends“, vermochte es gekonnt die Brücke zum Headliner zu schlagen, konnte aber in Sachen Power und Dynamik nicht ganz an das zuvor Gehörte heranreichen. Dafür hatte die brütende Hitze inzwischen nachgelassen und erlaubte damit, den Bewegungsdrang im vorderen Bereich aufrecht zu erhalten, womit die Band um die beiden Sänger Chris McCaughan und (der offensichtlich schon etwas beduselte) Brendan Kelly ihre helle Freude hatten.

Und dann war es Zeit für die Hauptattraktion des Abends. Die Mitglieder von Lagwagon haben zwar bereits allesamt die 50 Jahre erreicht, oder gar überschritten, haben aber immer noch unverkennbar verdammt viel Bock darauf live zu spielen. Auch wenn sich Sänger Joey Cape zu Beginn den Spaß gönnte und alleine mit Akustikgitarre die Bühne betrat und verlautbarte, dass die Band ihn langweile und Menschen die Lust auf eine wilde Punkrock-Party hätten, doch eigentlich sowieso viel besser mit ruhigen Akustiksongs bedient wären. Dann ging aber gleich richtig die Post ab. Das mittlerweile 20 Jahre alte Kultalbum „Let’s Talk About Feelings“ wurde in voller Länge gespielt, Menschen in Eisbärenkostümen legten Stagedives hin, es wurde eifrig mitgegrölt und bei „The Cog In The Machine“ schaffte die Band es sogar, die PA kurzzeitig zur Kapitulation zu zwingen und zeigte darauf die einzig richtige Reaktion: einfach weiterspielen! 75 Minuten später waren alle verschwitzt und glücklich und traten die verdiente Heim-, oder auch die Weiterreise zum Punk Rock Holiday an. Nun denn – wir sehen uns wieder am 12. Oktober bei der SBÄM Fest Fall Edition mit Anti Flag, Millencolin, Samiam, Cancer Bats, uvm.!

Fotos: Andreas Wörister (Slihs Photography) / Christoph Thorwartl

 

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.