Heimatluft: Der neue Heimatfilm
Jedes Jahr dürfen wir Ende August das wunderbare Heimatfilmfestival in Freistadt besuchen. Hier eine kleine Auswahl an Filmen die wir während des Festivals gesehen haben.
GRÜNER WIRDS NICHT – SAGTE DER GÄRTNER UND FLOG DAVON
Gleich vorweg: leider konnten wir uns den Film wegen technischen Problemen nicht zu Ende schauen. Da er aber bereits in der ersten halben Stunde sehr beindruckend war und bestimmt nachgeholt wird, möchten wir ihn hier trotzdem erwähnen. Die Story, simpler kann es kaum sein. Unsere Hauptfigur Schorsch arbeitet täglich in seiner Gärtnerei und ist unzufrieden mit seinem Leben – er hätte sich ganz was Anderes für seine Laufbahn gewünscht. Sein Traumberuf: Pilot. Als es zu finanziellen Schwierigkeiten kommt, weil der Golfclub nicht bezahlen möchte, weil der Rasen nicht den gewünschten Grünton hat, kommt es zu weiteren Konflikten in der Familie. Die Tochter sollte die Gärtnerei übernehmen, würde aber lieber eine Kunstuniversität besuchen. Die Frau möchte mit ihrer Orchideenzucht einen Shop eröffnen und ist der festen Überzeugung, dass Schorsch, wenn er die Wahl zwischen ihr und seinem Flugzeug hat, immer das Fluggerät wählen würde. Was er dann auch tut – bevor der Gerichtsvollzieher sein Flugzeug pfänden konnte, fällte Schorsch den Entschluss und flog einfach davon. Auf seiner Reise lernt er immer wieder neue Menschen kennen, die laut Beschreibung sein Leben verändern werden und ihm wieder zeigen, was Glück bedeutet. Leider stoppte hier die Vorstellung für uns. Jetzt können wir nur erahnen, welche Abenteuer der Schorsch noch erlebt. Aber wir müssen uns wohl noch bis zum regulären Kinostart gedulden, um das Werk von Florian Gallenberger zu Ende zu sehen. Schauspielerische Hochleistung konnte man jedoch bereits von Elmar Wepper und Monika Baumgartner sehen.
KAIKO
Musikalisch wurde man im Anschluss mit der Grazer Band verwöhnt. Durch eine Verletzung von Sängerin Kathrin Kolleritsch ander Hand wurde das Set neu aufgebaut und statt Gitarre und Ukulele gab es diesmal Percussions. Was der Musik der Band nochmal ein wenig mehr Würze verschaffte, uns hat es auf jeden Fall gefallen.
AVA
Hier sind wir den Empfehlungen der Kurator*innen gefolgt und haben uns den etwas anderen Coming of Age-Film aus Iran angeschaut. Die 17-Jährige Ava lebt als Einzelkind in einer wohlsituierten Familie. Ihr Alltag besteht aus Schule, Violinen-Unterricht und Zuhause. Andere Aktivitäten werden von der strengen Mutter verboten. Eine blöde Wette einen Jungen betreffend brachte das Drama ins Rollen. Nachdem die Mutter erfährt, dass sich Ava mit einem Jungen getroffen hat, wird diese zum Frauenarzt geschleppt, um ihre Jungfräulichkeit zu beweisen. Diese Untersuchung hat traumatisierende Folgen. Durch das fehlende Vertrauen von Seiten der Mutter leidet auch die Mutter-Tochter-Beziehung sehr unter dem Vorfall. Diese Vorfälle lassen eine Wut in Ava heranwachsen und die Teenagerin beginnt zu rebellieren. Diese Rebellion hat weitere Folgen und beeinflusst nicht nur die Schule, sondern hindern Ava auch ihre Leidenschaft, das Geigenspiel, weiter auszuleben. Ein Teufelskreis, der nie zu enden scheint, den auch der nur sporadisch anwesende Vater nicht stoppen kann. Der in einer bestimmten Weise autobiographische Film beschäftigt sich stark mit den vorherrschenden Konventionen und das Zusammenspiel zwischen sozialem Umfeld und dem Schaffen von eigener Identität. Regisseurin Sadaf Foroughi zeigt mit ihren Spielfilmdebüt wie sich so eine pubertierende Revolution in einem Land wie Iran auswirken kann. Besonders spannend finden wir das Gedankenexperiment, wie würde die Geschichte aussehen, wenn das Ganze in Österreich stattfinden würde, oder die Mutter etwas vertrauensvoller und liberaler gegenüber Ava gewesen wäre. Ein Film, den wir sehr gerne weiterempfehlen, und der uns einen Einblick in eine andere für uns fremde Kultur gibt, mit Regeln die für unsere Jugend wahrscheinlich nur sehr schwer begreifbar wären.
KORPANA
Die Vorfreude auf einen schwedischen Film war groß. Zugegeben, hauptsächlich, weil ich selbst die Erfahrung machen durfte, vier Monate auf einem Bauernhof in Schweden mitzuarbeiten. Somit erinnerte mich die Beschreibung sehr an diese Zeit. Ein kleiner Familienbetrieb, der mit harter Arbeit die kargen Böden bearbeit. So einige Modernisierungsschritte wurden ausgelassen, was die Arbeit nicht einfacher macht. Der Film zeigt uns 10 Monate des bäuerlichen Lebens. Ziel von Gärd ist es, die Tradition aufrecht zu erhalten und seinen Sohn Klas dazu zu drängen, den Betrieb zu übernehmen. Klas sieht jedoch, was die harte Arbeit mit seinen Vater gemacht hat, der an der Aufrechterhaltung des Hofes zerbrechen zu droht. Ein Film, der sich mit einem typsischen bäuerlichen Generationskonflikt beschäftigt. Gärd stellt die Bedürfnisse des Betriebes über seine eigenen und über die der Familie, die Aufrechterhaltung der Farm und die Pflege der Tiere wie die der Felder hat bei ihm höchste Priorität. Woran nicht nur die Beziehung zu seiner Frau leidet, sondern auch Klas einem großen Druck ausgesetzt wird. Jens Assur zeigt in seinem Langfilmdebüt, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb in Schweden nicht unbedingt dem Hof von Michael Lönneberga gleichzusetzen ist. Die kargen Wörter und die karge Landschaft unterstreichen die düstere Stimmung. Teilweise verstörende Episoden und schmerzvolle Momente lassen einem die psychische Last dieser Familie spüren. Am Leben von Gärd sieht man, was mögliche Folgen sind, wenn man einen Beruf machen muss, aber nicht möchte. Lichtblicke gibt es zwischendurch, wenn kurze Momente vom Leben von Klas eingeblendet werden. Ein Film, der mich sehr beeindruckte, aber gleichzeitig auch ziemlich schockierte – empfehlen kann ich ihn dennoch.
WALDHEIMS WALZER
Ruth Beckermann zeigt in ihrer Dokumentation über Kurt Waldheim die Geschichte Rund um die Bundespräsidentenwahl im Jahre 1986 und belebt somit auch die Waldheim-Affäre mit neuen bzw. unbekannten Bildern. Ruth Beckermann war damals schon mittendrin mit ihrer Kamera unterwegs, und zeigt zu dem geschichtlichen Verlauf immer wieder Ausschnitte direkt von politischen Aktionen. Schritt für Schritt wird die Vergangenheit von Waldheim von hinten aufgerollt, bin hin zu Wahl, die er im zweiten Durchgang gewann und eine Periode als Bundespräsident tätig war. Es ist mir ein Rätsel, wie die österreichische Bevölkerung damals derart blind sein konnte und einen Menschen, der angeblich in der Holocaustmaschinerie mitgewirkt hatte zum Bundespräsidenten wählte. Anderseits ist es fast gruselig zu sehen, welchen Lauf die Politik in Österreich bzw. europaweit nimmt. Und wie schnell eine Bevölkerung vergessen kann, wie sich solche Dinge vor genau 70 Jahren entwickelt haben.
Eine sehr spannende und sehenswerte Dokumentation, die hoffentlich sehr bald auch Einzug in die Klassenzimmer dieses Landes findet. Es ist wichtig den Menschen zu zeigen, wohin es führen kann, Menschen mit einer zweifelhaften Vergangenheit an die Spitze eines Landes zu setzen.
Das dreißigjährige Jubiläum vom „Der neue Heimatfilmfestival“ hatte wieder spannende Filme zu bieten und war den Besuch im hohen Mühlviertel auf jedenfall wert.