Grossstadtgeflüster: Trips & Ticks

Grossstadtgeflüster muss laut sein, um gehört zu werden! Die Band bleibt sich treu. Nach 12 Jahren gemeinsamer Bandgeschichte ist sich das Trio immer noch einig – neue Musik wie am Album Trips & Tricks muss Spaß machen und Bumm haben.

Kurz zu den Fakten: das neue Grossstadtgeflüster (GSGF) Album kommt heute, dem 16. August! 15 neue Songs gibt es zum Hören. Unterstützung haben die drei Berliner*innen unter anderem von Danger Dan (Antilopen Gang) und HGich T. bekommen. Knapp 6 Jahre hat es gedauert seit dem letzten Album, „Oh, ein Reh“, welches 2013 veröffentlicht wurde. Das gute Stück trägt den Namen „Trips & Tricks“. Zwischen den Alben waren Jen Bender, Raphael Schalz und Chriz Falk nicht untätig – vielleicht erinnert sich die eine oder der andere an die EP „Fick-Euch-Allee“ oder denSong „Wie man Feuer macht“, ein Teil des Soundtracks von „Tiger Girl“.

2007 habe ich das erste Mal von GSGF gehört. Schnell landeten die Songs auf dem MP3 Player und ich weiß noch genau, wie damals Songs wie „Ich muss gar nichts“ oder „Dein Flow“ in voller Lautstärke durch die Internatszimmer schallten und wir so die ein oder andere Erzieherin auf die Palme brachten. Damals war GSGF die Stimme unserer Pubertät, Adoleszenten-Revolte oder der Sound zu jeder Party. Unzählige Konzerte wurden besucht, und 1000 Kilometer mit Bahn, Bus oder Auto zurückgelegt, um die Berliner Band ein viertes oder gar fünftes mal in einem Jahr live zu sehen. Mittlerweile über 12 Jahre später hat sich mein intrinsischer Drang nach „Anti-Autorität“ etwas gemäßigt, und ich dürfte im linken bürgerlichen Eck angekommen sein. GSGF scheinen sich jedoch treu geblieben zu sein – mit dem neuen Album werden sie auch heute noch die Herzfrequenz von so manchen autoritären Personen stark erhöhen.

Den Beginn macht „Feierabend“. Ein crazy Song über Abgrenzung zur Arbeit, Work-Life-Balance und Dienstschluss. Zum lyrischen Erguss gesellt sich ein Ballermangesänge gepaart mit den Drums wie aus dem Baywatch-Song. So doof die Beschreibung auch klingen mag – der Song hat großes Ohrwurmpotential. Bilder sagen meistens mehr als Wörter.

Ein Hoch auf die Freunde, die uns immer wieder aus der Scheiße holen. Aber noch mehr Lorbeeren an jene, die mit uns die schrägsten Dinge erleben und uns immer wieder auffordern, die Komfortzone zu verlassen – quasi die Teufelchen auf unseren Schultern. Ohne die würden unser Leben um einiges langweiliger sein. Den Song „Neue Freunde“ könnte als Hommage an diese speziellen Wegbegleiter*innen verstanden werden. Der Song wurde bereits im März veröffentlicht und hat jetzt schon knappe 450.000 plays auf Spotify. Den Tiernärr*innen unter unseren Leser*innen kann ich das Video besonders ans Herz legen.  Zwischen Liebesgeständnis ans Sofa, „Meine Couch“, und dem Song „Skalitzer Strasse“ hat es sich der Song „Das was Peter Pan sagt“ gemütlich gemacht. Auf ein Leben im Nimmerland ohne unendliche Adoleszenz! Danger Dan und GSGF erklären gemeinsam, warum es schwachsinnig ist, erwachsen zu werden und was die „Vorzüge“ von der Unsterblichkeit sind.

Von den Abenteuern von Wendy, Michael, John und Peter Pan bleiben wir in der fantastischen Welt der Märchen und Geschichten – „Diadem“. „Ich bin eine Prinzessin, du Ficker“ – so kommunizieren heutzutage die blaublütigen Sonderlinge unter uns,wenn es nach GSGF geht. Fette Beats, einfache Refrains – laden zum Tanzen und Mitsingen ein.

„Biedermeier, du biederst mich an“? Auf den ersten Blick scheint „Huxley´s“ eindeutig ein Song über den Rückzug der Menschheit in die eigenen vier Wände und der Taubheit der allgemeinen Gesellschaft zu sein. Angelehnt an den Roman „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley schaffen GSGF die 1932 verfasste Fiktion für das Jahr 2540 auf 2019 umzumünzen. Still sein, nicht mitmischen – und wenn man doch auffällt, gibt es eine Dosis SOMA (Medikation, die im Roman von Huxley beschrieben wird, Anm. d. Red.) – klingelt da etwas? Beim wiederholten Hören kann man den Inhalt jedoch auch in die andere Richtung auffassen, quasi eine Welt, die sich zu schnell dreht und nicht jeder die Möglichkeit hat, mitzukommen oder es überhaupt versuchen kann. So oder so ein großartiger Song über einen der einflussreichsten Romane des 20. Jahrhunderts.

Wie die Faust auf Auge passt der nächste Track am Album, „Anpassungsstörungen“ . Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Normalität und Pathologie, Selbst- und Fremdgefährdung und psychische Krankheiten allgemein. Dazu passt auch das Werk „Hallus“ mit einem Feature mit Hgich.T. Wenig Text, etwas dadaistisch, wie Beschreibungen von Wahnvorstellungen – aber dafür mit Bumm.

Nach Songs wie „Der Springende Punkt“ und „Trotzdem“ kommt ein weiteres Highlight, „Meine Mama“. Das Steuer selbst in die Hand nehmen, Erfahrungen selbst machen können und daraus zu lernen – ohne dass jemand sagt „told ya“. Selbstexploration ist wichtig, oder wie es GSGF sagen würden: „psst, sei still!“.

Last but not least „2080“. Wenn die Welt so wird wie sie da beschrieben wird, dann gibt es nichts zu befürchten. Eine Song über eine Bilderbuchzukunft ohne Krieg, Machtintrigen und Klimakatastrophen beschreibt in drei Minuten, was uns erwarten könnte, wenn wir das Beste draus machen.

Das Beste haben die drei Berliner*Innen auf jedenfall aus dem neuen Album gemacht. Viel Party, aber auch Texte, die etwas bedeuten und sich mit aktuellen Themen beschäftigen. Ich kann es nur für mich behaupten: aber ja,  auch nach 12 Jahren bin ich immer noch vom dem Trio und ihrer Musik begeistert.

Mit einem Wunsch beende ich meine etwas unkonvertionelle Review: spielt die Songs laut und tanzt dazu als gäbe es kein Morgen!
Live sieht man die Band am 07.05 in Linz, am 08.05 in Wien und am 09.05 in Graz.

Grossstadtgeflüster
Trips & Ticks
VÖ: 16.08.2019, BMG

Tracklist
Feierabend
Neue Freunde
Meine Couch
Das was Peter Pan sagt – feat. Danger Dan
Skalitzer Strasse
Simsalabim Skit
Diadem
Huxley´s
Anpassungsstörung
Auf Alles
Hallus feat. HGich. T
Der springende Punkt
Trotzdem
Meine Mama
2080

Foto: Christoph Thorwartl

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