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Mira Lu Kovacs: „Dieses Album ist auch ein Statement zur Reduktion“

„What Else Can Break“ ist eine Platte, die mit Sicherheit auf vielen Top-10-Listen der „Alben des Jahres“ aufscheinen wird. Mira Lu Kovacs, bekannt unter anderem aus Schmieds Puls, My Ugly Clementine oder 5K HD  veröffentlicht hier eine Platte, die den Zuhörer auf eine bedrückende emotionale Reise mit nimmt. Beklemmend,  verletzlich, aber immer mitreißend – ein Werk, über das man noch lange sprechen wird. 

subtext.at: “What Else Can Break” ist das erste Album, das unter deinem bürgerlichen Namen Mira Lu Kovacs veröffentlicht wird. Könntest du die Grundgedanken kurz erläutern, warum das so  ist?
Mira Lu Kovcs: Das ist einfach so gekommen. 2019 hat sich meine Band Schmieds Puls aufgelöst. Dann war aber eh klar, dass ich weiter mache. Das ist gar keine Frage. Es ist einfach eine logische Konsequenz gewesen… der Bandname Schmieds Puls hat eh schon auf mich als Komponistin hingewiesen: Schmied war die Übersetzung ins Deutsche von meinem ungarischen Nachnamen ‘Kovacs’. Der Name sollte beschreiben dass es um meinen Herzschmerz geht: Mira’s Herzschmerz / Schmieds Puls .  Ich wollte den Namen dann auch aus Respekt vor der Besetzung und unserem gemeinsamen Bandsound ablegen. Weil das werd ich so nicht mehr produzieren, was wir da 7 Jahre lang zusammen gezaubert haben. Jetzt mache ich was anderes und das ist ganz bewusst so!

subtext.at: Das Album ist eine sehr persönliche Platte geworden. Als Artist ist man dem Publikum gegenüber immer exponiert – hast du auch das Gefühl, noch “exponierter” zu sein, weil du nicht mehr mit einem Künstlernamen oder einer Full-Band dahinter stehst?
Mira Lu Kovacs: Ja schon, aber ich finde das schön. Ich giere nahezu nach dieser Verbindung. Es macht für mich überhaupt wenig Sinn, nicht offen zu sein. Außer ich mag gerade nicht.

subtext.at: Weiters heißt es, dass dieses Album “ohne die Corona-Pandemie so sicher nie entstanden wäre”. Ist die Platte also deine ganz persönliche Verarbeitung dieser unfreiwilligen radikalen Änderung während des letzten Jahres?
Mira Lu Kovacs: Nein, das Album hat nichts mit Corona oder der Konsequenzen daraus zu tun. Aber es stimmt, dass es nicht zustande gekommen wäre, hätte ich durch all die Konzertabsagen nicht so viel Zeit gewonnen. Zeit ist das größte Gut generell… und wenn man so größenwahnsinnig und getrieben ist wie ich, dann muss man echt dazu gezwungen werden, sich diese Zeit zu nehmen. Und das war es dann.

subtext.at: Die Platte ist – fast schon ironischerweise – während der Pandemie in den “Bedroom Studios” daheim entstanden. Retrospektiv gefragt: haben diese Umstände auch dazu beigetragen, die von dir oft zitierte “radical softness” noch eindringlicher auf der Platte zu verarbeiten?
Mira Lu Kovacs: Hmmm. Nein, ich denke nicht. Oder vielleicht nur in dem Sinne, dass durch die psychische Belastung der Pandemie auf alle es noch unmöglicher und unnötiger geworden ist, irgendwas aus Eitelkeit (?) zu vertuschen. Also nicht über seine Gefühle zu reden. Die Dringlichkeit ist doch sehr groß! Bei uns allen. Ich übe das halt jeden Tag, meine Gefühle darzulegen und darüber zu sprechen, was in mir vorgeht.

subtext.at: Beim Durchhören der Songs ist bei mir zuerst das Gefühl aufgekommen, dass hier Themen behandelt werden, wo man einfach seine Zeit braucht, bis man sie musikalisch verarbeiten kann. Hattest du in der Herangehensweise an dieses Album dieses Gefühl auch?
Mira Lu Kovacs: Interessant! Viele Lieder auf diesem Album sind sehr schnell entstanden. Aber ansonsten kann es manchmal Jahre dauern, bis ich meine emotionalen “Lektionen” lerne… also bis ich in Worte und Musik fassen kann was denn überhaupt los ist. In den Alben der vergangenen Jahre von all meinen Projekten kann man die verschiedenen Stationen ganz gut mitverfolgen… meine Erkenntnisse ändern/erweitern sich immer wieder.

subtext.at: Das Album wurde gemeinsam mit Sophie Lindinger verwirklicht, mit der du unter anderem auch bei My Ugly Clementine musikalisch aktiv bist. War es einfach, die Clementines musikalisch für dieses Album auszublenden, um sich doch an diesen komplett anderen Sound von “What Else Can Break” heranzuwagen?
Mira Lu Kovacs: Ja klar, das ist ja ganz was anderes. Sophie ist der Mastermind hinter den Clementines und deren Songs. Mein Solo-Ding ist was Eigenständiges und das, was ich nach Schmieds Puls ganz natürlich weitergeführt, aber eben für mich neu definiert habe. Für dieses Album hab ich Sophie gefragt, ob sie es mit mir produzieren möchte. Sie ist ja nicht nur performende Musikerin, sondern eben auch Produzentin und ich hab ihr 100% vertraut auf allen Ebenen. Die Arbeit mit ihr war extrem angenehm, weil sie mich gut versteht, weil wir beide Songwriter und Sängerinnen sind, aber vorallem gute Freudinnen.

subtext.at: Die Tracks auf diesem Album scheinen auch sehr autobiografisch zu sein. Wie schwierig, denkst du, ist es für dich, diese doch sehr persönlichen Themen etwa auf ein Live-Set umzumünzen, wo diese Themen noch exponierter vor Publikum präsentiert werden?
Mira Lu Kovacs: Auch das mach ich ja schon seit Jahren. Es ist eine Frage der Einstellung, denke ich. Je länger ich diesen Beruf ausübe, desto mehr lerne ich: auf der Bühne stehen bedeutet, in Kontakt zu treten. Und manchmal ist das nicht das Richtige, wenns Einem nicht gut geht. Aber meistens ist es sehr sehr schön und macht viel mit mir. Ich hab zwar Angst vor den nächsten Gigs, weil ich schon immer schlimmes Lampenfieber hab, aber es fehlt mir trotzdem sehr.

subtext.at: Bezugnehmend auf die vorherige Frage: glaubst du, dass “What Else Can Break” die persönlich dir musikalisch naheste Platte ist, gerade auch im Vergleich zu andreren Projekten wie 5K HD oder My Ugly Clementine?
Mira Lu Kovacs: Bei 5K HD und meinem Solo ist es vom Zugang her ähnlich: ich schreibe intuitiv, was mich beschäftigt und berührt. Allerdings darf es bei 5K abstrakter sein, auch auf der poetischen Ebene. Das taugt mir auch, weil das ist wie Gefühle malen. Bei meinem Solo werde ich konkreter und daher doch ein wenig näher, das stimmt. Weil es dann auch keine Ausweichmöglichkeit mehr gibt, keine andere Interpretationsvariante. Das hat was Starkes, finde ich, also ich mache das ganz bewusst so. Musikalisch ist dieses Album halt auch ein Statement (wie früher auch bei Schmieds Puls) zur Reduktion. Das ist einfach mein Ding. Bei 5k können wir durch die Besetzung alles gigantisch aufblasen. Ich will mich nicht entscheiden! Muss ich zum Glück auch nicht. Es ist mir beides sehr nahe.

subtext.at: “Zufriedenheit (1999)” ist dein eigentlich erstes eigenes Werk. Ist die Platte in gewisser Weise also auch ein Homecoming zu sich selbst für dich?
Mira Lu Kovacs: Ja, irgendwie schon!

subtext.at: “What Else Can Break” ist eine Songzeile aus dem letzten Track der Platte, “Stay A Little Longer”. Warum wurde gerade diese Zeile von dir gewählt? Stand das auch von Anfang an für dich fest?
Mira Lu Kovacs: Ja, der Satz stand glaube ich schon im Herbst auf einer sehr kurzen Liste von Titelentwürfen. Ich hatte bisher immer sehr bald eine klare Idee für den Albumtitel. „What Else Can Break’“ klang für mich am Anfang zu verletzlich, aber es hat mich immer am Meisten angezogen.

subtext.at: Zum Abschluss: wann dürfen wir mit ersten Live-Erlebnissen rechnen? Würde die Tour schon stehen, oder möchtest du noch ein wenig warten, sobald Live-Konzerte wieder möglich sind?
Mira Lu Kovacs: Es sind reichlich Termine ab Ende April geplant, aber sie werden alle paar Wochen/Monate verschoben… es ist echt zum Verzweifeln. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir zumindest 1 Mal spielen werden dieses Jahr.

Anmerkung: Aus Termingründen wurde dieses Interview in schriftlicher Form geführt. Tourtermine (so Corona will) gibt es ebenfalls schon: am 1. Mai in der ARGEkultur / Salzburg, 2. Mai Heppel & Ettlich / München, 5. Mai Cinema Paradiso / Baden, 7. Mai Kulturlabor Stromboli / Hall, 8. Mai Dom im Berg / Graz, 18. Juli Stadtsaal Wien!

Mira Lu Kovacs: What Else Can Break
VÖ: 26.3.2021, Ink Music CD, Vinyl, Digital
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Tracklist
1. Stuck
2. 84
3. Most B Boy
4. Want You
5. Dove On A Beach
6. Pull Away
7. Hold Me Responsible
8. Zufriedenheit
9. I’m Human
10. Bad Deal
11. All The Time
12. Stay A Little Longer

Titelfoto: Hanna Fasching

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.