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Austrofred: die fitten Jahre sind vorbei

„Die fitten Jahre sind vorbei“ – der Austrofred wird auch schon alt. Aber wird er das wirklich? „Die fitten Jahre sind vorbei“ heißt das neue Werk, das Ende April erschienen ist. Hier begibt der selbsternannte Champion Franz Wenzl alias Austrofred sich auf Tuchfühlung mit Fans und bietet einen Briefwechsel der besonderen Art an. Von Biersorten bis zur Cordon-Bleu-Debatte bis zur Wahl des richtigen Schuhwerks gibt der Austrofred auf gewohnt ironische Art und Weise Tipps für ein erfülltes Leben. Ein Gespräch über Midlife-Crisis, Mythen und Gratwanderungen. 

subtext.at: In der Aussendung zum Buch heißt es: „Das Buch ist ein Geschenk des Champions an sich selbst.“ Aufgelegte Frage:  warum hat es so lange gedauert, bis sich der Austrofred als Champion selbst endlich das Geschenk eines Buches macht?
Austrofred: (lacht) Man hätte es auch bei den letzten vier oder fünf Büchern wohl schon so schreiben können. Es hat aber sehr viel Spaß gemacht, das Buch zu machen – und es war ja auch relativ einfach zu machen: man konnte in sozialen Medien Fragen stellen, und ich habe mir aussuchen können, was ich beantworte. In kleinen Häppchen – das hat schon Spaß gemacht und war quasi alleine schon ein Geschenk.

subtext.at: Das Buch heißt „Die fitten Jahre sind vorbei“ – wird der Austrofred also alt?
Austrofred: Alt in dem Sinne vielleicht nicht, aber auch schon 50. Das ist ja auch schon mal was. Der Körper lässt teilweise schon ein bisschen nach – vor allem die Regenerationskraft, ich kann einfach nicht mehr im Schlafsack auf einem Gartenboden liegen. Das war in den frühen Jahren einer Musikkarriere noch Gang und Gebe und auch notwendig.

subtext.at: Im Vorwort zum Buch heißt es, dass das Buch nicht als „Midlife-Crisis“ bezeichnet werden soll. Das Buch wirkt fast wie eine Austrofred’sche Dr.Sommer-Variante – wie schwer ist es da, es nicht als Midlife-Crisis zu sehen, nachdem ja auch Themen behandelt werden, die auch ein zumindest biologisch gesetzteres Publikum betreffen?
Austrofred: (schmunzelt) Ich hab halt auch schon ein gesetzteres Publikum – ich selbst zähle ja auch schon dazu. Nachdem mein prognostiziertes Fernziel „Brucknerhaus“ und damit gesetztes Publikum ist – die haben Geld, sitzen gut, ich sitze gut – ist das eh gut. Aber ich sage ja nicht Midlife-Crisis dazu, sondern eher „nachdenkliche Phase in den besten Jahren, wo man am Zenit der Schaffenskraft ist“. Von daher ist es sogar ein reflektierendes Buch.

Foto: Ingo Pertramer

subtext.at: Stichwort „reflektierend“ – bei den Fragen, die LeserInnen eingesendet haben, sind von Schuhdebatten, Schnitzel vs. Cordon Bleu-Kriegen und Bierverkostungen so ziemlich alle Bereiche vertreten, die man sich vorstellen kann. Gab es in diesen zwei Jahren, wo Fragen eingereicht werden konnten, eigentlich auch welche, die so absurd waren, dass sie am Ende nicht im Buch landen konnten?
Austrofred: Absurd eigentlich nicht. Es hat Fragen gegeben, die etwas „fad“ waren, und natürlich auch welche, wo ich nicht wusste, was ich antworten sollte. Die habe ich dann natürlich ausgelassen – da bin ich vielleicht dann auch für Manches nicht der richtige Ansprechpartner und habe keine Expertise dafür. Zu Absurdes hätte mich eh gefreut.

subtext.at: In „Die fitten Jahre sind vorbei“ geht der Austrofred also auf Tuchfühlung mit seinen Fans. Insgesamt zwischen 700 und 800 Auftritte sollen es gewesen sein, die du als Austrofred bislang absolviert hast. Warum hat es so „lange“ gedauert, bis du dich auf diese Ebene begibst und nicht nur den „Entertainer“ auf der Stage mimst?
Austrofred: 
Natürlich besteht die Gefahr, einen „Mythos“ zu zerstören, wenn man Personen dann auch zu nahe an sich heranlässt. Der Mythos muss so unzerstörbar sein, dass man sich das erlauben kann. Es heißt ja oft, dass man enttäuscht werden kann, wenn man sein Idol dann auch wirklich getroffen hat – und ich kann meine Fans natürlich nicht enttäuschen. Der Austrofred hat also erst so gefestigt werden müssen, ehe er sich dazu herablassen kann.

subtext.at: Das Wort „Mythos“ hast du gerade angesprochen. Das erste Interview führten wir vor 11 Jahren – damals schriebst du noch mit Mozart anstatt mit Fans direkt und hast über die Figur Austrofred gesagt: „Er psychologisiert sehr gerne, die Abstraktionsfähigkeit sich selbst gegenüber fehlt ihm allerdings“. Hat er das in der Zwischenzeit zumindest ein bisschen gelernt?
Austofred:
(überlegt kurz) Das finde ich interessant – natürlich stelle ich mir diese Frage auch ab und zu. Immerhin mache ich das ja auch schon sehr lange und es ist ja auch sehr „fix“, was ich mache als Austrofred. Natürlich hat sich die Welt in den letzten zehn Jahren verändert, und auch der Austrofred dadurch. Vielleicht hast du wirklich recht, dass der Austrofred auch ein bisschen mehr nachdenkt über sich selbst und sich auch nicht immer so ernst nimmt.

subtext.at: Wie „ernst“ nimmt man sich als Austrofred generell und wie schaffst du es, im Rahmen einer Lesung etwa nicht zu belehrend oder gar sich lustig machend oder bashend dem Publikum, das sich ja auch für die Leserbriefe verantwortlich zeigt, aufzutreten?
Austrofred:
Bashing auf jeden Fall nicht, die Fragen in diesem Buch etwa sind ja auch ganz normale Fragen, da kann ich ja auch keinen „aufblatteln“. Die Fragen wurden ja auch selbst eingereicht, meiner Meinung nach hat sich auch niemand blamiert, außer gewollter Blödsinn war auch keiner dabei – von daher passt das schon.  Vor der Veröffentlichung des Buches habe ich natürlich nochmals eine Aussendung gemacht – auch um jedem ein Buch zu schicken, und es hat keine Probleme gegeben. Ich glaube schon, dass da auch jeder mit sich im Reinen ist.

subtext.at: Ein Zitat aus dem Buch, das du auch im Rahmen einer Antwort auf eine Frage verwendet hast, lautet wie folgt: „Die sogenannte Gratwanderung zwischen Öffentlichkeit und Intimität ist ein wichtiges Thema für jeden darstellenden  Künstler“. Die Gratwanderung von Franz Wenzl und Austrofred ist auch so eine Gratwanderung – wie schaffst du es, diese Gratwanderung hinzukriegen, lustig zu sein, aber nicht zu übertreiben?
Austrofred:
Meistens ist das eine Gefühlssache. Die Kunstfigur an sich ist eh relativ dünn – wenn ich etwa mit Kreisky auf die Bühne gehe, ist auch viel gekünstelt, aber da stellt man ja auch was dar. Von außen wirkt es schnell mal wie „Austrofred-Kunstfigur-Lustig“ oder „Kreisky-Musik-Authentisch“ – der Unterschied ist aber eigentlich ein relativ kleiner. Das sind beides verschiedene Verarbeitungen von Themen, die mich gerade interessieren, oder auch Ausdrucksformen. Es gibt zum Beispiel auch Regisseure, die Tragödien und Komödien machen. Etwa Woody Allens „Melinda and Melinda“, wo dieselbe Geschichte aus zwei Richtungen erzählt wird – einmal als Komödie, einmal als Drama, und der Unterschied ist nicht mal so groß. So ähnlich sehe ich das auch.

Foto: Ingo Pertramer

subtext.at: Nochmal kurz in die Vergangenheit – zu „Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben“ vor mehr als einem Jahrzehnt meintest du, dass der Austrofred an sich ein Philosoph sei. Was ist für dich das Philosophische an der Figur des Austrofreds?
Austrofred: Jössas, da habe ich den Mund ja sehr voll genommen (lacht). (überlegt) Das wäre jetzt zu global gedacht, da weiß ich gar nicht, wo ich ansetzen soll. Aber mit einer Figur kann man schon viel darüber nachdenken, wie man was warum macht. Natürlich frage ich mich auch, warum dem Publikum die Figur des Austrofreds gefällt – und ich glaube, dass der Austrofred jemand ist, mit dem man sich gut identifizieren kann. Natürlich übertreibt er, ist aber nicht so eklig, dass man mit ihm nichts mehr zu tun haben will. Er ist wie der „schmutzige Cousin“ oder der lustige Onkel bei der Familienfeier, der den leicht tiefen Schmäh verkörpert.

subtext.at: Stichwort Schmäh – der Austrofred verarbeitet ja auch viele „urösterreichische“ Klischees. Würde er auch funktionieren, wenn er in einem anderen Land angesiedelt wäre? 
Austrofred: Er würde anders funktionieren. Der Austrofred entstand ja auch ein bisschen zufällig – beim Schreiben eines Musikprogrammes über Austro-Pop und Queen. Das Schreiben hat sich dann auch erst über die Bühnenfigur entwickelt – es hätte sich wohl in irgendeiner Form anders entwickelt in anderen Ländern, mit anderen Klischees. Es wäre ein anderer Typ geworden – wahrscheinlich wäre er in Polen religiöser, in Deutschland pedantischer.

subtext.at: Austrofred live – für Juli ist eine Lesetour geplant, in Linz im Musikpavillon zumindest mit Blick auf das Brucknerhaus. Funktioniert Austrofred für dich live einfacher, gerade im Vergleich etwa zu Kreisky?
Austrofred: Ja, da bin ich schon optimistisch, gerade weil die Lesung von Haus aus sitzend geplant ist – obwohl mich das auch bei einem Rockkonzert überraschend wenig stört. Außerdem findet es Open-Air statt, Veranstalter sind sehr findig im Entwickeln neuer Konzepte – und vielleicht bin ich ja wirklich mal im Brucknerhaus drinnen. Im Herbst 2020 Show waren auch ein paar Shows möglich – mit überraschend wenig Abstrichen. Die Leute, die kamen, waren voll dabei, natürlich mit Masken und halb besetzt. Es wird den Leuten ja auch wieder gefallen – ich war selbst mal als Gast auf einem Konzert, und sogar Sachen, die mir sonst nicht so gefallen hätten, haben mir getaugt. Einfach, um wieder mal was live zu sehen. Wenn es wieder geht, wird es wieder gut gehen

subtext.at: Das Gespräch möchte ich gerne mit den Schlussworten deines neuen Buches beenden: „Ja, wir Menschen sollten viel mehr auf unseren Bauch horchen.“ Hörst du eher auf dein Bauchgefühl, wenn es um den Austrofred geht, oder aufs Hirn? 
Austrofred: Schon eher aufs Bauchgefühl, muss ich sagen. Weil Hirn zwar sehr gut ist, aber dich nicht immer weiter bringt. Ich wurde ja vor Kurzem zum Beispiel auch darauf angesprochen, dass die Figur des Austrofreds perfekt ins Fernsehen passen würde. Ja, eh – ich habs auch öfters probiert, Konzepte verfasst, auch mit Leuten vom ORF etwa gesprochen. Letztendlich glaube ich, dass es dann nie geklappt hat, weil es zwar sinnvoll gewesen wäre – aber ich überhaupt nie Fernsehen machen wollte. Eigentlich geht mich Fernsehen ziemlich an – du musst lustig sein, wenn die Kamera läuft, und die ganze Arbeit finde ich manchmal scheiße. Für mich ist alleine zu Hause schreiben oder auf der Bühne die Sau rauslassen Formen, mit denen ich kann. Mit Fernsehen dagegen nicht – es ist anstrengend und es freut mich nicht. Konzerttour und Buch schreiben ist auch anstrengend – aber am Abend bin ich zufriedener. Es ist also gescheiter, das Hirn da unterzuordnen und dem Bauch den Vortritt machen.

subtext.at: Also keine Austrofred-TV-Show…
Austrofred: Nein – da müsste jemand mit sehr, sehr viel Geld kommen (lacht).

Austrofred: Die fitten Jahre sind vorbei
VÖ: 21.04.2021, Czernin Verlag
200 Seiten
ISBN: 978-3-7076-0732-1
www.austrofred.at
Live-Termine: 15.6. Graz, Literaturhaus
24.6. Wels, Volksgarten
5.7. Linz, Musikpavillon
17.11. Steyr, Röda
25.11. Dornbirn, Spielboden

Titelfoto: Conny Habbel 
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Ingo Pertramer

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.