FJØRT: Ein Wiedersehen mit alten Freunden
Lange war es still um die Band aus Aachen. Nicht nur musikalisch, auch ansonsten herrschte lange Funkstille. Und plötzlich wurde es wieder richtig laut: Fünf Jahre nach „Couleur“ erschien letzten Herbst mit „nichts“ das vierte Album der Post-Hardcore-Krawallbande FJØRT. Ihre „nichts hat mehr Bestand“-Tour führte sie am 30. Jänner auch endlich wieder nach Österreich, gemeinsam mit Shitney Beers in die kleine Halle der ARENA Wien.
Fünf Jahre sind eine lange Zeit. In unserer schnelllebigen Gesellschaft lange genug, um in Vergessenheit zu geraten. Gerade wenn die Abwesenheit noch dazu von einer Pandemie überschattet wird. Wien hat FJØRT nicht vergessen. Ein Fakt, der auch die Band nicht emotional kalt gelassen zu haben scheint. Zeigte man sich doch überaus dankbar dafür, dass das Konzert in dieser Stadt, die knappe 1.000 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt liegt, schon vor einigen Wochen ausverkauft war.
Ein von gegenseitiger Wertschätzung geprägter Montagabend war es. Das zeigte sich auch im Miteinander zwischen Publikum und Shitney Beers. Die junge Mannheimer Songwriterin, die mit toller Stimme und einem Misch aus traurigen Songs (manche davon über klassischen Herzschmerz, andere über Flatulenzen aufgrund von Laktoseintoleranz) und selbstironischen Zwischenansagen punktete, war offenbar komplett baff, weil dieses Publikum, welches auf Geschrei und harte Gitarren eingestellt war, ihr nicht nur respektvoll und andächtig zuhörte, sondern auch durchaus Gefallen an der Musik von Maxi Haug (so heißt Shitney mit bürgerlichem Namen) fand.
Knapp 5 Monate ist es her, da spielten FJØRT in einer ausverkauften Location in Köln ihr Album „Couleur“ von vorne bis hinten durch. Als der Vorhang fiel, kehrte Stille ein, die jedoch nicht von Dauer war. Die brachiale Wucht von „lod“ knallte durch die Boxen. Ein Vorbote auf das neue Werk der Aachener Band, gefolgt von zwei weiteren neuen Songs. Letztlich erschien das neue Album „nichts“ im November zu euphorischer Resonanz. Zu sagen „nichts“ knüpfe dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat, wir dem ganzen nicht mal gerecht, denn FJØRT heben das, was sie mit ihren ersten drei Platten geschaffen haben, nochmal auf ein neues Level.
Es ist diese einzigartige Mischung aus Show und Authentizität, die diese Band so besonders macht. Da wird viel geposed und gestikuliert. Ein Hang zur Theatralik, der bei diesen Songs, die nun mal auch irgendwo „larger than life“ sind, auch irgendwo passt. Dann ist da aber auch dieser gnadenlos ehrliche Kontext. Etwa wenn Bassist David Kosslowski über sein privilegiertes und sorgenfreies Leben mäandert, um sich im großartigen Song „kolt“ selbst final „David, fick dich!“ hinterherzubrüllen. Eine zunehmende Direktheit im Schaffen einer Band, die sonst gerne mit Metaphern arbeitet, die ihnen aber zusätzliche Pluspunkte einbringt.
Wer wissen will, wie viel druckvollen Sound eine Hardcore-Band, die aus drei Menschen und ebensovielen Instrumenten besteht, live entfalten kann, der/die möge sich bitte umgehend zum nächsten Konzert in der Nähe begeben (Tourdates hier). Wir und die meisten Anwesenden waren an diesem Montag ziemlich baff und ziemlich happy. Einmal von alten Freunden ordentlich auf die Mütze bekommen: 10/10
Fotos: Andreas Wörister