Lido Sounds 2025: Lädt zum Weitertanzen ein
Von Indie bis Electronica, von feinfühlig bis ekstatisch. Das Lido lud ein zum ausgelassenen Tanzen, zum Zuhören, zum Feiern, zum Schauen, zum Dasein.
Zum dritten Mal findet das Lido Sounds Festival heuer in Linz am Gelände des Urfahrmarktes statt. Der zweite Festivaltag begeisterte uns mit einer bunten musikalischen Mischung quer über alle Genres. Trotz hohen Temperaturen war die Stimmung großartig. Es wurde gefeiert und getanzt als gäbe es teilweise kein Morgen mehr. Besonders zu erwähnen ist das gut sichtbare Awarenesskonzept und die Personen, die es umgesetzt haben. Sie waren auch in stressigen Situationen wie beim Pogen vor der Bühne präsent.
FIIO
Den Samstag am Lido Sounds eröffnen durfte der Wiener Artist fiio. Ein gerne gesehener Gast auf diversen Arcadia Live-Veranstaltungen. Der Musiker überzeugt mit prägnanten Formulierungen in Songs wie Amor, der kleine Ficker, Touri und Sofia. Immer ein wenig undankbar ist der erste Slot immer – fiio machte aber das Beste draus, bewies Humor in der Sonne und nutzte den Tag für einen sympathischen Auftritt im Duo. Macht Spaß, das nächste Mal aber dann doch wieder bitte im Club nebenan, gell!
BAC
Mit Zeilen wie „Willst du einen rosaroten Tee oder ein Oreosoufflé“ oder „Es ist zwei nach vier oder vier nach zwei, wir sind nur einmal hier“ hat sich Bac – bürgerlich Samuel Ashenafi Bach – Millionen Streams auf Spotify erspielt. Geboren 2005 in Äthiopien, wuchs er bei seinen deutschen Adoptiveltern in Österreich auf. Schon früh lernte er autodidaktisch Instrumente, darunter Klavier. Mit 14 entdeckte er im Deutschlandurlaub Deutschrap und begann, selbst Musik zu produzieren. 2021 erschien seine Debütsingle Dreams & Prophecies.
Sein musikalischer Durchbruch gelang ihm 2024 mit dem bereits zitierten Song Rosaroter Tee. Am Lido begeistert er uns vor allem mit seiner Authentizität. Er erzählte uns Geschichten von seinem Leben und mischte sich mitten ins Publikum. Perfekte gute Laune-Musik für einen Festivalnachmittag.
Rosmarin
Dem Wort Rosamarin kann von nun an eine neue Verbindung hinzugefügt werden. Neben dem Gewürzcharakter verspricht es seit 2022 auch gute Musik aus Kassel. Fünf Jungs mit einer wilden Auswahl an T-shirts begeisterten uns am Lido. Eine gute Mischung als Indie und Funk präsentierten Silas, Janosch, Lucas, Noah und Lucas. Mit der Debüt-EP lila/grün, welche 2023 erschien, haben sie sich bereits einen Namen gemacht.
Musikalisch könnte man sie beinahe in die selbe Schublade stecken wie unsere viel gehypte, heimische Band Color The Night. Die fünf Jungs bringen ebenso eine massive Energie auf die Bühne, die unaufhaltsam ins Publikum überschwappt und ausnahmslos alle trotz gefühlten 50 Grad zum Tanzen brauchte. Zum Schluss gab es natürlich auch den Song, auf den alle gewartet haben: Lila/grün. Als Draufgabe auch noch einen Purzelbaum
Mira Lu Kovacs
Wir lieben diese einzigartige Person. Über die letzten Jahre durften wir von ihren unzähligen musikalischen Projekten berichten. Ob als Schmieds Puls, 5KHD oder als Teil der Gruppe My ugly clementine – egal in welcher Formation Mira Lu Kovacs auf der Bühne steht, wir sind Fans. Mira Lu Kovacs startete 2019 ihr Solo-Projekt mit dem Live-Album The Urge of Night. Sechs Jahre später begeistert sie nicht nur uns, sondern auch das Lido Sounds mit ihrer außergewöhnlichen Stimme. Fürsorglich kümmerte sie sich um ihr Publikum und weist darauf hin, genügend Wasser zu trinken, Sonnenschutz zu verwenden und aufeinander zu schauen. Mit dem Wissen, dass ihre Songs eher Stimmungskiller sind, erkundigte sie sich regelmäßig, ob die Traurigkeit schon angekommen ist und noch tragbar ist. Ein Lied wird uns noch lange in Erinnerung bleiben, Shut the fuck up and let go aus dem aktuellen Album Please, save yourself – wo tatkräftig mitgesungen wurde. Textsicher präsentiert sich das Linzer Publikum hoffentlich auch beim kommenden Konzert am 08.10.2025 im Posthof.
Uche Yara
Das zweite Konzert in Linz, trotz Heimspiel, ist eine Seltenheit. Vor allem, wenn das zweite Konzert gleich mal auf einer Stage wie die vom Lido Sounds stattfindet. Uche Yara wuchs in Freistadt auf und besuchte, wie viele österreichische Musiker*innen, auch das Pop Borg in Linz. Musik war immer schon eine Leidenschaft, welche sie nach dem Abschluss in Berlin weiter verfolgte. Schon bereits bevor sie offiziell Musik veröffentlichte, konnte sie Bilderbuch auf Tour begleiten. Somit spielte sie ihr allererstes Konzert in der Elbphilharmonie in Hamburg und auch im Brucknerhaus. Ein weiter Meilenstein in ihrer Karriere war der Support-Act für die Rolling Stones in Wien. Erst ein Jahr später, 2023 veröffentlicht sie ihre erste Single www she hot. Ein Song, welcher auch beim Lido für große Begeisterung sorgte. Wir sind schon gespannt, was Uche Yara als Nächstes macht. Dass es großartig wird, davon gehen wir mal aus.
Jeremias
Eine neutrale Berichterstattung über eine Band, die in den letzten Monaten so stark kritisiert wurde, ist nicht möglich. Für jene, die den Aufruhr in der Musikindustrie nicht mitbekommen haben: Der Fotograf und enger Begleiter der Band hat, so scheiben es die Betroffenen, via Instagram seine Machtposition ausgenützt. Er hat Personen gezielt via Social Media kontaktiert und im Versprechen auf Jobchancen oder Nähe zur Band die Personen auf die Gästeliste gesetzt bzw. teils auch im Backstage Bereich eingeladen. Dort kam es innerhalb dieses Machtgefälles zu einvernehmlichen Intimitäten zwischen den Fotografen und einigen Betroffenen. Unglücklicherweise hat sich die Band nicht sofort von dem Fotografen getrennt. Etwas, was für viele Fans als eine weiterführende Gefährdung des Safe Space gesehen wurde und für gerechtfertigte Kritik sorgte.
Die Band hat sich in dem Prozess von einer externen Agentur begleiten lassen, um den Betroffenen auch Gehör zu schenken. Erst nach dem zweiten berechtigten Shitstorm wurde der Fotograf endgültig entlassen. Zurück blieben viele enttäuschte Fans, die sich zurecht eine klarere Vorgehensweise und ein besseres Eintreten für den Wiederaufbau des Safe Space gewünscht hätten.
Differenzieren zwischen Täter und Musik
Zu differenzieren zwischen den Taten des eingestellten Fotografen und der Musik der Band ist nicht einfach. Die ersten Schritte wurden gemacht, in dem Opfer gehört wurden und personelle Veränderungen folgten. Der Ball liegt jedoch immer noch bei der Band. Diese müssen nun mit ihren Taten beweisen, dass sie die Situation ernst nehmen und gezielt an einem Space arbeiten, wo sich alle sicher fühlen können. Wie dies aussehen kann, konnten wir heuer beim Lido Sounds beobachten. Ein gutes Awarenesskonzept, welches auch über verschiedene Kanäle kommuniziert wurde und genügend Sicherheitspersonal, welches auch in der Crowd präsent ist.
Zum Auftritt selbst: Natürlich waren auch genügend Menschen vor Ort, die gemeinsam mit den Musiker*innen ihre Lieblingssongs lauschten, abfeierten oder textsicher mitsangen. Aber man merkte auch, so ganz ohne bitteren Beigeschmack gelang dies (noch) nicht.
CA7RIEL & Paco Amoroso
In Amerika eine riesige Sache, hier bei uns in Österreich noch eher wenig bekannt sind die beiden Musiker CA7RIEL & Paco Amoroso. Das experimentelle Trap Duo stammt aus Buenos Aires in Argentinien und besteht aus Catriel Guerreiro und Ulises Guerriero. Die beiden Musiker kennen sich bereits seit der Schule und sie verbindet eine musikalische Geschichte, welche im Jahr 2018 startete. Musikalisch ist es eine Mischung aus Trap, Hip-Hop, Elektronik, Latino, Jazz-Fusion und eine großzügige Prise Pop. Den weltweiten Durchbruch machten sie mit dem im Oktober 2024 stattgefunden Tiny Desk Concert.
Am Lido Sounds selbst war die Devise „viel hilft viel“. Es wurde weder bei den Kostümen, noch bei der Bühnentechnik gespart. Kurzzeitig hatte man das Gefühl schon mitten in einer Eurovision Song Contest-Show zu sein. Was definitiv nichts Schlechtes ist. So wurde, bevor der Headliner des Abends die Bühne betrat, noch mal ausgiebig zu Latino-Sounds getanzt und erste Versuche gemacht mitzusingen.
Justice
Zuletzt haben wir Justice am Southside rund um 2010 live erlebt und waren damals schon sehr überzeugt. Es sollte eine der wenigen Bühnenshows in unseren Leben sein, die wir nicht mehr vergessen werden. Mit dem Wissen, dass sich bei der Bühnentechnik in den letzten 15 Jahren doch einiges verändert hat, waren die Erwartungen groß. Und kurz gesagt: Diese wurden zu 100 Prozent erfüllt. Die Lichtershow hinterließ uns sprachlos.
Bekannt ist das französische Duo unter anderen für Songs wie D.A.N.C.E oder We are your friend. Gaspard Augé und Xavier de Rosnay sind die beiden Köpfe hinter dem Projekt Justice. Sie bedienen sich verschiedener musikalischer Einflüsse wie Vintage-Funk, Disco, House, Metal, New Wave und Indie. Mit 2024, kurz vor ihrem Auftritt bei Coachella, veröffentlichten sie ihr viertes reguläres Album Hyperdrama. Mehr als dreieinhalb Jahre dauerte die Entstehung und wurde größtenteils im Heimstudio von Xavier de Rosnay aufgenommen. Chilly Gonzales, Kevin Parker von Tame Impala und Morgan Phalen liehen unter anderem ihre Stimmen für dieses Werk.
Aber zurück zur Lichtershow, jene für Coachella wurde von sieben Informatiker*innen entwickelt. Somit lässt sich ableiten, dass einiges von dem Herzblut, welches bei dem weltweit größten Festival zum Einsatz kam, auch in Linz am Programm stand. Gepaart mit den fetten Beats, den tanzbaren Melodien und dem exquisiten Licht war dies der perfekte Abend und hätte noch ewig dauern können.
Fazit
Die Mischung machts. Bunt durchgemischt präsentierte sich das Festival von allen musikalischen Seiten und hielt viele musikalische Überraschungen für uns bereit. Highlight wird für die nächsten 10 Jahren jedoch unverkennbar Justice bleiben.
Foto: Christoph Leeb
Text: Lisa Leeb