„Streetart im Museum ist domestizierte Kunst“ – Portrait eines Sprayers aus Linz

Leo, alias SPEK sitzt im Café Meier und zieht an seiner Zigarette. Er trägt ein oranges Shirt unter einem blaukarrierten Hemd. Der Kellner begrüßt ihn herzlich, als er ihn sieht und erzählt ihm das neueste aus seinem Leben. Leo ist öfter hier. Seine Rohdaten lassen aufhorchen: 26 Jahre, hat kein Internet, keinen Fernseher, hasst Werbung, liebt Streetart. Und er macht sich viele Gedanken, über sich, die Welt und Graffiti.

Leo ging auf die Keramikfachschule Stoob im Burgenland und lernte hier – mit 14 Jahren – Leute kennen, die ihm etwas übers Sprayen und die Technik beibrachten. “Sowas wie Mentoren”, sagt er, “aber auf Wände gemalt habe ich eigentlich seit ich 6 bin. Ich meine, ich habe Zeichen hinterlassen. Darunter fällt für mich alles was mit Streetart zu tun hat, von Tags über Stencils, Urban Knitting, reverse Graffiti und sowas alles.” Auf der Keramikfachschule packt ihn die Leidenschaft fürs Sprayen. Es ist mehr als ein Hobby, es ist ein Lebensgefühl und beeinflusst ihn und sein Leben seitdem. Er hat kein Paar Schuhe ohne Farbflecken. Er sprayt meistens zusammen mit seinem Kumpel Till alias Kare. Zusammen sind sie KARE SPEK, Karreespeck also, er kann sich das Grinsen nicht verkneifen.

Auch bekannt sind sie unter dem Namen Dfd Crew. Wer nach dem Namen fragt, bekommt eine lustige Anekdote zu hören und die Erklärung, dass Dfd für Doktor Franz Dobusch steht und den Zusatz: “Das ist nicht als Kompliment gemeint!”.

“Ich und Till, wir haben zwar schon Aufträge, aber nicht genug, dass man wirklich davon leben könnte. Es ist einfach zu unregelmäßig. Toll wäre es natürlich schon, weil wir dann das machen können, was wir gerne tun und damit etwas verdienen. Ende März haben wir zum Beispiel einen größeren Auftrag für die soziale Initiative, da werden wir zwei Container sprayen. In der Vergangenheit haben wir auch schon einige Aufträge an Land gezogen, zum Beispiel fürs Ars Electronica Center (Funky Pixels), fürs Museumsquartier in Wien (NetCultureSpaces) und für verschiedenste Jugendzentren. Im Jahr 2008 haben wir auch den österreichischen Präventionspreis zusammen mit Thomas Haunschmid und dem Georg von Peuerbach Gymnasium gewonnen. Es ging darum, die Unterführung am Hinsenkampplatz schöner zu gestalten (siehe [1], [2], [3]). Vor allem Thomas Haunschmid gebührt der Dank, er hat sich dafür wirklich sehr eingesetzt.”

Das Projekt ist allerdings von der Stadt Linz nie umgesetzt worden. Die Geschichte dahinter ist eigentlich ein Skandal: Leo, Haunschmid, Till und die SchülerInnen des Peuerbach Gymnasiums hatten Skizzen angefertigt. Diese druckte das Magistrat in schwarz/weiß aus und lehnte dann die Umsetzung des Projektes ab, da es “zu düster sei”.

Ob noch mehr dahinter steckte, bleibt von außen schwer zu beurteilen, bei Anfrage im März 2012 bei der Stadt Linz, konnte die Zuständigkeit für dieses Projekt nicht geklärt werden. Herr Ebenschweiger, Initiator des Präventionspreises 2008 und Präsident des Österreichischen Zentrums für Kriminalprävention sagte auf Anfrage zu dem Thema: “Eine hochkarrätige Jury hat damals das Projekt bewertet und es wäre sehr in unserem Sinne gewesen, dass es in Linz auch umgesetzt wird. Wir haben insofern mitgeholfen, dass wir gesagt haben, wir finden es toll und sinnvoll und es auch medial unterstützt haben. Aber die Umsetzung obliegt dann den politischen Entscheidungsträgern vor Ort, wenn die Politik sich da nicht einsetzt bzw. es nicht umsetzt, können wir leider nichts machen.”

Von der Stadt Linz ist Leo was Sprayen und Graffitis angeht allgemein eher enttäuscht. “Die legalen Wände in Linz sind in einem erbärmlichen Zustand. Die Farbe ist fingerdick aufgetragen und blättert ab. Man muss einen Spachtel mitnehmen, um überhaupt beginnen zu können. Die meisten legalen Wände sind in Unterführungen, was zum Beispiel zum Fotos machen Mist ist, weil du gar nicht so weit zurück gehen kannst, um alles aufs Bild zu kriegen.” Fotos sind das einzige, was ein Graffitikünstler von seinem eigentlich vergänglichen Werk hat. Beim Urnenfriedhof, erzählt Leo, gibt es eine legale Wand in einer Unterführung mit Wellblech an der Wand. Damit kann man gar nichts anfangen. Die einzige wirklich gute legale Wand ist nach Leos Einschätzung die bei der Europaschule. Dabei würde sich eigentlich jede Betonwand eignen. Und davon gibt es viele trostlos-graue in Linz. Auch den Vorschlag zur Nutzung der Abbruchhäuser in der Waldeggstraße als legale Graffitifläche findet Leo gut, wundert sich aber gar nicht, dass die Asfinag dem nicht zustimmte.

Wien zum Beispiel ist hier viel weiter, meint Leo. Es gibt viel mehr legale Flächen und diese sind mit Markierungen klar abgegrenzt. So kommt es nie zu Missverständnissen. Obwohl die Umgebung in Linz nicht gerade fördernd wirkt, hat Leo den Spaß am Sprayen nie verloren. Wenn er einmal keinen Spaß mehr am Malen hat, meint Leo, hört er auf. Er freut sich, wenn seine Bilder Reaktionen auslösen, wenn sie etwas in den Menschen bewegen. Aber eigentlich sprayt er, weil ihm das Malen an sich Spaß macht. Oft entstehen Sachen auch relativ spontan. Manchmal ist es aber auch das Ziel von Leo und Till, zu provozieren.

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