KONTRUST: „Stillstand ist das Schlimmste“

Die Zeit der Besinnung, der Vernunft und der stillen Einkehr hat für viele gerade erst wieder begonnen, doch für Kontrust stehen die Zeichen auf Sturm. Die österreichische Rock-Formation zückt die Streichhölzer, um ein musikalisches Feuer zu legen, dass hoffentlich lange anhalten wird. „Explositive“ heißt das Werk, welches nach einem Jahr des Feintunings gerade erst das Licht der Welt erblickt hat.

Frontfrau Agata Jarosz stellt sich im subtext.at-Gespräch den Fragen, die sich gerade zu aufdrängen. Wie kann man Songs schreiben, die so hitzig ausfallen sollen wie Dynamit und wie erreicht man eine spannungsgeladene Produktion? Ein Interview über Manipulation, Humor und die Stadt Wien.

Kontrust

subtext.at: Agata, dem Namen nach zu urteilen ist euer neues Album musikalisch so explosiv wie Sprengstoff. Was hat es damit auf sich?
Agata Jarosz: Diesen Namen haben wir extra so gewählt, denn wir kreieren gerne Worte. „Explositive“ beinhaltet alles, was uns widerspiegelt. Das Album ist so explosiv wie unsere Bühnenshows und sprüht vor positiver Energie. Dieses Wort soll es zum Ausdruck bringen. Als der Titel im Raum stand, hat jeder von uns hat gesagt: Das ist es.

subtext.at: Wie schafft man es als Band, genug Sprengkraft in einen Song zu stecken?
Agata Jarosz: Die einzelnen Mitglieder einer Band bringen die Dynamik mit ins Spiel. Daraus ergibt sich dann der Bumm-Wau-Effekt, wie ich ihn nenne. Jeder von uns, also der Mensch dahinter, spiegelt sich in den Songs wider. Das ist das Wichtigste.

subtext.at: Und kreativ? Gab es genug Zündstoff?
Agata Jarosz: An diesem Album haben wir ein Jahr lang geschrieben. Wir haben um die hundert Ideen gehabt, die wir zusammengetragen haben. Es war eine sehr lange und intensive Zeit, wir sind viel im Studio gesessen, haben viel getüftelt, viel herumprobiert. Unser Hauptgedanke war es, dass wir ein bisschen zurückgehen wollen. „Second Hand Wonderland“, unser letztes Album, war doch sehr verspielt und verschnörkelt, doch dieses Mal haben wir versucht, den Schnickschnack wegzulassen. Eigentlich wollten wir ein Album schreiben, welches gut live funktioniert. Auf der Bühne zu stehen macht uns Spaß und die neuen Songs funktionieren, was auch ganz wichtig ist. Die Platte ist straighter geworden.

subtext.at: Das Album ist also nicht dafür geeignet, es sich daheim oder im Auto anzuhören?
Agata Jarosz: (lacht) Natürlich! Es gibt auch Songs, die Album-Nummern sind, also für mich persönlich. Zum Autofahren sind Kontrust-Alben super geeignet (lacht). Jeder soll aber langsam fahren, ja? Nein, man kann es natürlich auch zu Hause hören, aber wir performen so gerne live und für uns ist es da ein ganz anderes Gefühl.

subtext.at: Jetzt kommst du ins Spiel. Welche Facette bringst du als Bandmitglied ein?
Agata Jarosz: Ha! Ich kann nicht sagen, dass ich eher ruhig oder explosiv bin, ich bin alles ein bisschen – so wie jeder von uns. Jeder hat viele verschiedene Facetten. Ich habe viele verschiedene Parts auf dem neuen Album, wo ich nicht so viel gröhle oder schreie, wo ich wieder den ruhigen Teil reinbringe, das Weibliche sozusagen (lacht). Ich könnte mich nicht auf nur eine Eigenschaft festlegen.

Cover

subtext.at: Ihr nehmt eure Band sehr ernst, was ihr tut, aber nicht euch als Musiker habe ich das Gefühl. Der Kontrust-Dadaismus begegnet einem in Songs wie „Why“ oder „I Freak On“ erneut. Wie viel Humor sollte in einem Lied drin stecken? Wo siehst du die Grenze?
Agata Jarosz: Ich persönlich glaube, dass es das Schönste auf der Welt ist, wenn man sich als Mensch selber nicht so ernst nimmt und locker mit dem Leben umgeht. Das Leben ist sowieso immer ganz anders, als man es sich erwartet. Das Beschwingte und Lustige ist ein guter Charakterzug bei einem Menschen. Es gibt keine Grenzen. Wir sind keine böse Band und wir sind keine bösen Menschen, sagen wir es mal so (lacht). Wir haben extrem viel Spaß auf der Bühne und mit unserem Publikum. Wenn ich mich viel zu ernst nehmen würde, dann könnte ich das gar nicht so locker erleben, weil ich mich nicht so fallen lassen könnte.

subtext.at: Ein neuer Song heißt „Just Propaganda“ – wann habt ihr das letzte Mal das Gefühl gehabt, dass jemand versucht, euer Bewusstsein in irgendeiner Art und Weise zu beeinflussen?
Agata Jarosz: Jeden Tag, wenn ich den Fernseher einschalte (lacht). Nein, wir wollten mit diesem Song zeigen, dass wir die ganze Zeit irgendwo reingezwängt werden, bewusst oder unterbewusst. Werbung, Radio, Essen, wie du ausschauen sollst, alles Mögliche. Dieser Song soll ein bisschen hellhörig machen und vielleicht das jeder Einzelne in seinem Leben nachdenkt, ob das auch so ist in seinem Leben. Lasse ich mich von fremden Strömungen zu sehr beeinflussen? Mache ich Sachen, die andere von mir verlangen? Lebe ich eigentlich noch so, wie ich leben will? Bin ich das noch selber oder lebe ich das Leben eines anderen? Das ist sehr weit ausgeholt, aber für mich ist es das Thema. Brauche ich die Jacke wirklich, die ich mir kaufen möchte oder will ich sie nur haben? Sagt mir eine Marketingabteilung, dass ich sie haben muss? Alles geht auf Konsum, alles geht auf die Optik in unserer Zeit.

subtext.at: „Turn off the radio“ heißt es in dem Text. Kontrust und Radioairplay, ist das ein Thema, mit dem ihr endgültig abgeschlossen habt?
Agata Jarosz: (überlegt) Abgeschlossen? Ich habe mit dem Thema noch gar nicht angefangen (lacht)! Offensichtlich passen Kontrust nicht in die österreichische Radiolandschaft, sonst würden wir gespielt werden. Das ist jetzt aber auch nicht unbedingt unser Ziel. Wenn sie uns im Radio spielen – wunderbar. Alle Leute, die uns hören sollen oder wollen, die hören uns sowieso.

subtext.at: Je weniger ein Mensch geistig herausgefordert wird, desto eher schluckt er das, was ihm gesagt wird. Übertragen auf die Musik, wie kann man einen Fan heute noch herausfordern?
Agata Jarosz: Man kann einen Menschen nur dann festhalten oder wieder bekommen, wenn man ihn immer und immer wieder überrascht. Mir geht es persönlich so. Ich habe dann Spaß daran und will mich immer wieder darüber austauschen. Mit der Musik ist das auch nichts anderes. (überlegt) Neu erfinden vielleicht und zeigen, dass man doch anders ist als die anderen. Stillstand ist das Schlimmste. Ich möchte immer einen Schritt nach vor gehen.

subtext.at: Was muss passieren, dass ihr jemandem „Why just you don’t shut up“ entgegenbrüllt wie in dem Song „Shut Up“?
Agata Jarosz: Es ist witzig, dass du mich nach dem Song fragst, denn „Shut Up“ gehört zu meinen Lieblingssongs (lacht)! Ich hoffe, dass ich das niemandem entgegenbrüllen muss. Es ist auch eher dieses Gefühl, dass dir ständig irgendwelche Leute sagen, was du zu tun und zu lassen hast. Du willst einfach hinausschreien: „Lasst mich doch alle in Ruhe, es ist mein Leben, ich weiß ganz genau, wie ich leben möchte!“ Kritik ist OK und es kann nicht jeder unsere Musik mögen. Das ist auch gut so (lacht).

subtext.at: Ihr habt Wien einen Song gewidmet. In „Vienna“ ertönen Synthies, dann klassische Töne, dann Marschchöre. Wie passt das zusammen?
Agata Jarosz: „Vienna“ haben wird deswegen gemacht, weil wir alle in Wien wohnen, gebürtig und nicht gebürtig. Wien ist einfach eine unglaublich tolle Stadt und wir fühlen uns hier wohl. Unsere besten Zeiten haben wir hier erlebt. Wir wollten dieser Stadt, die uns das alles ermöglicht hat, einen Song widmen. Die ganzen Sounds, da sind Sachen dabei, die uns total Spaß gemacht haben. Vielleicht könnte man sagen, dass wir multikulturell etwas reinbringen wollten und die Stadt Wien auch dadurch ansprechen.

subtext.at: Die extrovertierte Seite von Kontrust sieht man stets und ist präsent im Fokus. Gibt es auch eine introvertierte?
Agata Jarosz: Diese Seite gibt es auch, wir hatten ja auch ein, zwei Balladen. Ja, ist eine gute Frage. Wir sind halt eher eine Partyband und uns liegt dieses Actiongeladene eher. Wir haben auch unsere Balladen, die für andere sicher noch zu hart sind, aber für uns eben nicht. Eine richtig typische, schmalzige Ballade wird es von Kontrust nie geben, weil das einfach auch nicht wir sind.

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subtext.at: Fragen sich Kontrust oft, was als nächstes kommt oder lebt es sich ganz gut im Hier und Jetzt?
Agata Jarosz: Ist eine gute Frage (lacht)! Prinzipiell finde ich es gut, wenn man im Hier und Jetzt lebt, nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, aber wir machen uns natürlich auch Gedanken. Wir sind jetzt gerade darüber froh, dass wir das Album abgeschlossen haben und wir auf Tour gehen. Wir lassen uns ab jetzt mal überraschen.

subtext.at: Wie bewahrt man sich als Band den Kampfgeist, immer weitermachen zu wollen? Gibt es diese Stimme in deinem Hinterkopf, die dir ständig erzählt, dass man scheitern wird, dass man den Anforderungen nicht genügen kann?
Agata Jarosz: Das ist eine Frage, die man auch Pärchen stellt, wie sie es geschafft haben, so lange zusammenzubleiben. Die sagen dann auch meistens, dass sie viel miteinander reden! Wir reden auch viel miteinander und verbringen viel Zeit miteinander (lacht). In unserem Fall haben sich Menschen gefunden, die das selbe wollen und dafür bereit sind, dafür etwas zu machen. Deswegen hat es so lange so gut funktioniert und funktioniert immer noch. Wenn du keinen Spaß mehr daran hast, dann hör bitte auf und mach etwas Anderes. Das ist das große Geheimnis. Klar, nach zehn Jahren sind wir nicht nur Bandkollegen sondern auch gute Freunde geworden. Wir werden ein Leben lang verbunden sein (lächelt).

subtext.at: Welche Erwartungen hast du an ein Musikstück?
Agata Jarosz: Das ist schwierig. (überlegt) Die innere Stimmung und das Gefühl, dass man sich an etwas Gutes erinnert – oder auch an etwas Schlechtes. Manchmal macht ein Song einen traurig, manchmal glücklich. Es muss mich total berühren, darüber nachdenken und ich muss auch Spaß haben daran. Wenn ich unsere Songs singe und performe, ist es nicht anders.

subtext.at: Wenn „Explositive“ ein Fleck auf der Erde wäre, wie welcher Ort könnte diese Platte klingen?
Agata Jarosz: Wie Wien (lacht herzhaft).

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