Taama: Auf alles was bleibt

Normalerweise sollten Rezensionen immer dem Credo folgen, möglichst objektiv zu sein. In 99% aller Fälle schaffe ich das auch. Die Platte „Auf alles was bleibt“ der Berliner Sängerin Taama ist allerdings eine, wo ich verdammt subjektiv sagen muss: Gebt ihr bitte eine Chance.

Unverhofft kommt oft, oder so ähnlich. So vor allem die Platte von Tamara Unterhuber a.k.a. Taama, die mit „Auf alles was bleibt“ in der Promo-Schublade landete. „Gib ihr doch mal eine Chance!“ war dann mein erster Gedanke in einer schlaflosen Nacht. Und kaum sind die ersten Takte von „Wie auch immer“, dem Opener, erklungen, schreckte ich in meinem Sessel auf. Im positiven Sinne. Hatte sich Judith Holofernes umtaufen lassen und heimlich die Weiterentwicklung des „Wir Sind Helden“-Klassikers „Die Reklamation“ aufgenommen? Zumindest klingt die Stimme arg verdächtig danach. Schon beim Opener wird außerdem deutlich, dass die Platte nix für das berühmte Zwischendurch ist. Hier wird den Emotionen freier Lauf gelassen. Mit „Durcheinander“ wird weiter in diese Kerbe geschlagen, wenngleich auch nicht auf dem gleichen extrem guten Niveau wie beim Opener. Taama erfindet das Genre hier nicht neu, macht aber Lust auf mehr.

Etwas ruhiger wird es danach mit „Heute Nacht“. Würde man „Ballade“ und „auf Deutsch“ klischeehaft suchen, würde man genau bei diesem Track landen. Klingt das textlich zwar doch stark nach Schlager-Romantik Marke Helene Fischer, sind es danach aber doch die poppigen Töne, die überwiegen. Wo Schlager dann oft zu seicht wird, kratzt Taama doch noch die Kurve. Gott sei Dank. „Komm weiter“ knüpft in dieser Stimmung nahtlos an.

Es handelt es sich um eine Platte, wo man hin- und hergerissen ist. Kaum glaubt man, dass man in seichte Gewässer auftaucht, überrascht Taama dann doch immer wieder. Kaum glaubt man, dass man sich in Allerweltspop-Belanglosigkeit verliert und letztlich im seichten Mainstream landet, schafft sie es, ihre Musik  so überzeugend zu vermitteln, dass man das dann doch wieder angenehm anders und damit gut findet. Und seien wir uns mal ehrlich: aus dem Alltag gegriffene Themen sind zwischendurch ja doch mal wieder ansprechend. Tracks wie „Grauer Sonntag“ sind es dann, die das Album so speziell machen. Man kann die Emotion spüren, dieses Triste, Traurige, wo man nicht weiß, wie man aus diesem Loch wieder heraus kommen soll. Und spätestens mit dem letzten Track „Niemand liebt dich“ schafft es Taama endgültig, die Skepsis auszutreiben und das Album gleich nochmals laufen zu lassen.

Ein Album, das Beziehungen und Emotionen gekonnt in einen Pop-Mantel wickelt – und Gott sei Dank nicht zu stark in den Mainstream-Schlager-Pop abdriftet. Und dann unglaublich eingängig ist. Eine Platte, die man umso besser finden wird, je öfter man sie hört. Also: Gebt der Berlinerin bitte eine Chance!

Links:

Taama live in Österreich
23.3.2015, B72 Wien

 

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.