Portrait Heidemarie Schwermer
Foto: a_kep

Leben ohne Geld – Eine Frau steigt aus!

Kann man in der westlichen Gesellschaft auch ohne Geld leben? Ist es möglich glücklich und selbstbestimmt durch den Tag zu kommen ohne sich mit den Begriffen Leistung, Konsum und Geld auseinanderzusetzen? Beim vierten Guten.Morgen.Salon der Fabrikanten wurde lebhaft über das Thema diskutiert.

Die 69-jährige Heidemarie Schwermer scheint auf der ersten Blicke eine ganz normale ältere Dame zu sein. Ein gepflegtes äußeres, vermutlich ist sie auch eine liebevolle Großmutter und sie strahlt eine Ruhe und Freude aus, die zu einem Gespräch einladen. Zu erzählen hat sie viel, denn sie lebt seit 15 Jahren ohne Geld.

1942 in Ostpreußen in einer wohlhabenden Familien geboren, musste sie als Kleinkind mit den Eltern nach Deutschland fliehen. Sie waren den Wohlstand gewohnt und hatten dann nichts. Möglicherweise führte auch diese frühe Erfahrung dazu, das Heidemarie sich 1996 entschloss, ihr Leben ohne Geld zu versuchen. Davor war sie bereits zweimal „ausgestiegen“, kehrte aber jedes mal wieder nach Deutschland zurück. In den 90ern begann sie dann mit Tauschkreisen, in denen Waren und Dienstleistungen penibel gegeneinander aufgerechnet wurden. Doch sie ging noch ein paar Schritte weiter. Nun hat sie ihr Haus verkauft, ihr Besitz passt in einen Koffer und sie ist ständig auf Reisen. Zu Gast bei Freunden, Gleichgesinnten oder Leuten, die sie aus Interesse an ihrer spannenden Geschichte eingeladen haben.

gib & nimm

Aus dem Tauschprinzip heraus entwickelte sich die Idee von gib & nimm. Jeder gibt, was ihm Freude macht und erhält was er braucht. „Es geht nicht um einen berechnenden Tausch, sondern um einen Fluss von Ausgewogenheit.“ so die Broschüre. Die bunten Sticker und die Texte über Wertewandel, weibliches Prinzip und spirituelle Einheit mögen etwas esoterisch anmuten, die praktischen Anwendungen und Tipps reihen sich aber in ein in eine Vielzahl von Initiativen und Ideen ein, die von vielen Menschen weltweit schon lange gelebt werden.

Egal ob Couchsurfing, Dumpstern, Kleidertauschpartys, Bookcrossing, Mikrokredite oder ähnliches, die westliche Gesellschaft schein an einem Punkt angelangt zu sein, an dem viele mit dem reinen Konsum nicht mehr zufrieden sind und wieder andere, sozialere und nachhaltigere Lebenswege suchen.

So wie zum Beispiel Dagmar Rauberger aus Klagenfurt. Die Mitstreiterin und derzeitige Gastgeberin von Heidemarie Schwermer hat in ihrem Haus immer Gäste. Die kommen und gehen, helfen im Haushalt, kochen, kaufen ein und können so, basierend auf gegenseitigem Einverständnis, bis zu zwei Monaten bei Dagmar wohnen. Sie lebt nicht ohne Geld, aber mit wenig Besitzt. Und das wichtigste in ihrem Haus ist die Tauschkiste, aus der sich jeder Gast nehmen kann was er braucht oder Dinge herschenken für die er keine Verwendung hat. Mit den „gib & nimm“-Stickern wollen die beiden erreichen, dass sich gleichgesinnte auf der Straße leichter finden können. Ob an der Haustür, am Koffer oder am Auto, wer den Sticker sieht, weiß das er hier jemanden findet der bereit ist zu geben oder zu helfen.

Ein gemütliches Frühstück

Ganz im Sinne der beiden Gäste baten die Fabrikanten die BesucherInnen, Kleinigkeiten für ein gemeinsames Frühstück mitzunehmen. Die Anzahl der Anmeldungen  überstieg bald die Kapazität des ursprünglichen Veranstaltungsorts Missing Link. Auch die Ankündigung in den Medien hat zu einem regelrechten Ansturm geführt. So trafen sich 150 Interessierte im Kepler Salon zum Frühstück.

Links zum Thema

heidemarieschwermer.com – Die Homepage der Lebenskünstlerin und Autorin

fruehling2012.servus.at – Linzer Initiative für eine ökologische, nachhaltige, chancengleiche und eine echte demokratische Zukunft!

fabrikanten.at/GutenMorgenSalon – Die Fabrikanten organisieren in unregelmäßigen Abständen Gespräche mit Personen aus Kunst, Philosophie und Gesellschaft.

Film

livingwithoutmoney.org

photographer, designer, journalist