STEREOFACE: „Es lehnt sich niemand mehr aus dem Fenster“

Eigentlich könnten die Mitglieder der Grazer Band Stereoface schon als Routiniers bezeichnet werden. Wie das so ist, dauert es manchmal trotzdem ein bisschen länger, bis die Früchte des Erfolgs geerntet werden können und der Durchbruch greifbar erscheint. „Face It“ heißt die neue Platte, ganz direkt betitelt und auf den Punkt, ohne großes Tamtam. Die Musik, die sie auf Facebook als „Skygaze“ bezeichnen, switcht zwischen erdigem Rock und überaus epischen Tönen hin und her. Es gibt wohl keine andere Gruppe aus Österreich, die ihr Handwerk auf diese Weise versteht.

Natürlich ist noch nicht alles da, wo es sein sollte, gar perfekt, aber Perfektion langweilt doch, oder?
Wir von subtext.at widmen uns im Interview mit Sänger Paul Pfleger gemeinsam dem Thema, warum das Gesicht so wichtig ist für den Eindruck, den wir bei anderen hinterlassen. Lässt sich der Erfolg daran ablesen, wie man aussieht? Und was hat das ganze überhaupt mit Musik zu tun?

subtext.at: Paul, was sagt das Gesicht generell über einen Menschen aus?
Paul Pfleger: Über das Gesicht werden als allererstes Emotionen vermittelt, kommuniziert. Es sind Gefühle ablesbar, sagen wir so. Insofern ist es eh ein alter Hut und eine naheliegende Geschichte, aber Leute sind halt von Gesichtern angetan und begeistert. Ich zeichne auch viel, habe ich als Kind schon gemacht, und ich habe mich immer wieder dabei ertappt, wie ich Gesichter gezeichnet habe. Mit der Band hat das jetzt nicht viel zu tun. Vielleicht unterbewusst. Irgendwie beschäftigt uns das in der Musik. Wir haben ein Video gemacht zum Song „I Don’t Mean It“ und da war die Idee, das wir aus unbelebten Sachen wie unserem Equipment und aus Dingen im Studio belebte Gesichter bauen.

subtext.at: Da kommen wir erneut auf das Thema zurück.
Paul Pfleger: Da sind wir wieder da (lacht). Wir haben aus der Vogelperspektive eine Kamera aufgehängt und ein Stop-Motion-Video gedreht. Eigentlich auch ein sehr alter Hut, aber das Thema ist ein Haufen Arbeit. Das Ergebnis ist ganz witzig geworden. Musst du dir anschauen.

subtext.at: „Das Gesicht ist das Fenster des Geistes“, sagt der Forscher Paul Ekman. Oft verraten wir Gemütszustände, ohne dass es uns bewusst ist.
Paul Pfleger: Sicher ist das Gesicht das Fenster zu unserem Geist. Die Augen und generell unsere Mimik. Es ist der direkteste Weg, um ins Innere eines Menschen zu blicken.

subtext.at: Kannst du anderen Menschen gut ins Gesicht oder in die Augen blicken?
Paul Pfleger: Eigentlich schon, wobei ich jetzt ja eine verspiegelte Brille habe (lacht). Ich schau sonst eigentlich schon recht gern Leuten in die Augen, die ich riechen kann (lacht). Wenn ich sie eher nicht riechen kann, dann schaue ich ihnen nicht so gerne in die Augen.

subtext.at: Machen sich Stereoface darüber Gedanken, wie sie als Band wirken wollen?
Paul Pfleger: (überlegt) Wir machen uns insofern darüber Gedanken, dass wir als Band unsere Musik so authentisch wie möglich vermitteln wollen. Wir versuchen auch, uns musikalisch so straight und unverfälscht wie möglich zu geben. Das ist eigentlich für uns das Wichtigste. Bei unserem neuen Album „Face It“ haben wir unseren Ansatz noch kompromissloser angepackt als bei vorherigen Veröffentlichungen. Es war und ist uns egal, was für ein Soundbild das Album hat. Wir geben jedem Song das, was er braucht. Für mich eine spannende Geschichte, weil dadurch kommen viel mehr Kontraste zusammen. Das ist die beste Wirkung, die wir erzielen können.

subtext.at: Hört man sich das aktuelle Album an, denkt man: „Harmonie ist denen nicht besonders wichtig.“ Die Songs sind rockig, erdig, direkt und leben von ihrer Energie.
Paul Pfleger: Eigentlich ist uns beides wichtig. Energie, wie du sagst, auf jeden Fall. Generell denke ich, dass der Ausdruck immer besonders wichtig ist, egal, ob es jetzt harmonisch oder atonal ist. Bei jeder Art von Musik. (überlegt) Privat bin ich eigentlich ein recht harmoniebedürftiger Kerl, der sich ungern mit anderen Leuten fetzt. Das muss nicht sein. Ich denke, dass es auch in der Musik notwendig ist, finde es aber auch interessant, mit Ecken und Kanten zu spielen und bewusst Sachen zu brechen. Wo reinzufahren, wo’s die Harmonie ein bisserl raushaut.

subtext.at: Was ist wichtiger, Anerkennung oder Erfolg?
Paul Pfleger: Das geht eh ziemlich Hand in Hand. (überlegt) Mir ist die künstlerische Verwirklichung wichtiger als die wirtschaftliche, wobei es natürlich cool ist, wenn man durch seine Musik ein Einkommen hat und davon Leben kann in irgendeiner Form. Es ist total schwierig, aber der eigene Idealismus steht bei uns an vorderster Front. Wir wären da wahrscheinlicher eher bei Anerkennung.

subtext.at: Es gibt Künstler, die kommerziellen Erfolg haben, aber keine Anerkennung und umgekehrt.
Paul Pfleger: Sicher, wobei Anerkennung ja auch eine Art von Erfolg ist. Oft ist das sogar ein größerer Erfolg, weil man Leute erreicht, die sich dafür interessieren.

subtext.at: Die Plattenindustrie hat derzeit daran zu knabbern, dass es keine großflächigen Bewegungen oder Trends gibt. Das Internet spielt auch eine unwesentliche Rolle dabei. Habt ihr euch darüber Gedanken gemacht?
Paul Pfleger: Sicher. Mich ärgert am meisten, dass die Institutionen, sprich Plattenfirmen und große Medien, die Geld haben, keinerlei Risikobereitschaft mehr zeigen. Sie sind nicht bereit, auf irgendetwas zu setzen. Das ist eine Erklärung dafür, wieso dieses Formatding, die Charts und so weiter so schlecht sind wie noch nie. Es lehnt sich niemand mehr aus dem Fenster. Jeder hat Angst ums Geld. Wenn jemand auf eine Karte setzt, und die kommt nicht, dann ist er weg von der Plattenfirma. Niemand macht mehr etwas, deshalb schaut jeder beim anderen ein bisserl „Aha, das ist jetzt angesagt, das ist jetzt gut, das wollen wir auch“. Der eine Formatradiosender schaut, was im Nachbarland so gespielt wird und so entsteht dieser fürchterliche Einheitsbrei. Das kann nicht mehr viel schlechter werden. Der Mensch ist nicht so stumpf, dass ihm das nicht auf die Nerven geht.

subtext.at: Ich habe eine andere Meinung und finde, dass der Mainstream noch nie so bunt und vielschichtig war wie jetzt.
Paul Pfleger: Klar, ich bin auch der Meinung, dass sich gute Sachen immer durchsetzen werden. Wenn jemand dann anfangt oder etwas entdeckt, dann schaut jeder beim anderen und sagt „OK, das ist cool“. Da gibt es natürlich Sachen, die ausbrechen. Das andere Problem ist, dass durch die ganze Internetgeschichte so viel Information vorhanden ist und man nicht mehr durchblickt. Es betrifft ja jeden Einzelnen. Es gibt so viele gute Sachen, die man sich nie anhören kann.

subtext.at: Soll man versuchen, seine Leidenschaft bis ins Letzte auszuleben?
Paul Pfleger: (überlegt) Ist ein romantischer Ansatz. Mann muss für sich selbst einen Weg finden. Wenn man berühmt sein möchte und das als Ziel hat, dann ist das aus meiner Sicht gefährlich. Es ist sicher ein Antrieb, aber ein gefährlicher. Wir haben uns Rahmenbedingungen geschaffen, die optimal für uns funktionieren.

subtext.at: Viele Musiker bringen die Leidenschaft für den Beruf auf, kommen aber trotzdem nicht zum Zug.
Paul Pfleger: Sicher gibt es viele, ist ja auch das gemeine. Die Welt ist eben gemein (lacht).

subtext.at: Noch mal zum Anfangsthema: Kannst du erkennen, wenn jemand ehrlich zu dir ist?
Paul Pfleger: Na ja, im Prinzip versucht man, aus seinen Erfahrungen zu schöpfen. Man entwickelt ein Gefühlt für die Leute. Manche können das besser, manche weniger. Ich glaube schon, dass ich weiß, wenn mir jemand auf der Nase rumtanzen will. Würde ich schon merken.

subtext.at: Meine Ex-Chefin hat eines eurer früheren Alben rezensiert und gemeint, dass deine Stimme an die Gallagher-Brüder von Oasis erinnert. Ein Kompliment für dich oder hörst du das nicht so gerne?
Paul Pfleger: Gerade bei der letzten Platte haben wir das oft gehört, dass wir mit Oasis verglichen wurden und so Britpop-Dingern. Wir haben uns gefreut, weil da zum Beispiel gestanden ist „Die beste Oasis-Platte, die Oasis nie gemacht haben“. Wir versuchen aber nicht so zu klingen wie Oasis oder irgendeine andere Britpop-Band. Wir haben natürlich unsere Einflüsse aus England und die sind auch alle hörbar drinnen, aber wir versuchen als österreichische Band so international wie möglich zu klingen. Bei der ersten Platte war ich noch viel jünger und ich habe beim Singen viel mehr gepresst, was ich heute nicht mehr mache. Hatte damals auch etwas mit den Anlagen zu tun, die wir gehabt haben. Für „Face It“ habe ich ein bisserl einen anderen Ausdruck gefunden. Gefällt mir eigentlich besser (lacht). Es hat alles zwei Seiten, aber ja, Oasis waren eine coole Band. Muss man ja jetzt so sagen.

subtext.at: Österreich hat, was diese Art von Musik angeht, ja keine musikalische Identität. Warum also nicht zu den Einflüssen stehen, die aus dem Ausland kommen? In UK wird Popkultur ganz anders zelebriert als bei uns und da muss sich niemand für seine Einflüsse schämen…
Paul Pfleger: Sicher, klar, das ist ein wichtiger Punkt. Wir versuchen nicht, andere Bands nachzumachen, sondern mit dem Input, den wir haben, das Ding zu machen, was dabei herauskommt. Ganz einfach eigentlich.

subtext.at: Forscher sagen, dass der Erfolg einem ins Gesicht geschrieben ist. Teilst du diese Ansicht?
Paul Pfleger: Ich glaube schon, dass da etwas dran ist. Man kann Leuten im Gesicht ablesen, wie ernst sie etwas meinen, wie viel Selbstbewusstsein sie haben oder wie viel Unsicherheiten und Ängste auf der anderen Seite. Andererseits gibt es viele gute Schauspieler, insofern gibt es viele Leute, die sehr gute Masken haben. Es wird schon etwas dran sein.

subtext.at: Da wir gerade bei Schauspielern sind: Magst du eher welche, die in jeder ihrer Rollen klar zu erkennen sind oder wandlungsfähige Schauspieler, die immer ganz anders wirken?
Paul Pfleger: Das ist eigentlich ganz schwierig. Ich sehe wohl eher den Film und die Rolle an sich. Wenn das für die Rolle funktioniert, dann ist mir egal, was er vorher gemacht hat oder wie sie in anderen Filmen gewirkt hat. Es gibt ja keine Rezepte dafür, weder in der Musik noch in der Schauspielerei. Manche müssen den eigenen Charakter immer drin haben, was für mich auch OK ist.

subtext.at: Dein musikalisches Highlight aus dem letzten Jahr?
Paul Pfleger: (überlegt lange) Das letzte Album der Arctic Monkeys, „Suck It And See“, weil es doch so weit von dem entfernt war, was sie anfangs gemacht haben.

Links & Webtips:
stereofacemusic.com
stereoface.at.tf
facebook.com/STEREOFACE.B00K

Foto: Stereoface

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