Hab D’Acht?

Kommenden Sonntag wird volksbefragt. Man kann wählen zwischen „Wehrdienst wie bisher“ und „Profiheer und Sozialjahr“. Für mich stellt sich diese Frage nicht in dieser Form. Die Debatte rund um die Volksbefragung ist nur ein weiteres Detail dafür, weshalb politischer Diskurs in Österreich schon lange nicht mehr funktioniert. 

Philipp und Katharina haben sich in ihrem Kommentar bereits intensiv mit der Volksbefragung am kommenden Sonntag beschäftigt. Inhaltlich kann ich hier großteils d’accord gehen, möchte im Rahmen dieses Kommentares aber auf einen Punkt näher eingehen: die Volksbefragung an sich. Man kann hier außer Acht lassen, dass gerade Insitutuionen, die massivst vom Zivilidienst profitieren (und zwar nicht menschlich, sondern, wie dem Roten Kreuz, vor allem finanziell) gefärbte politische Propaganda betreiben. Man kann hier die in Philipps und Katharinas Kommentar geäußerte Sinnlosigkeit anprangern, jährlich 3000 Grundwehrdiener zu Köchen und Kellnern, aber nur 900 zu Pionieren auszubilden. Man kann den ökonomischen Schwachsinn anprangern, junge Männer nach Beendigung ihrer Ausbildung (wo wir doch soooo händeringend Facharbeiter suchen) für mindestens ein halbes (im besten Fall) und normalerweise ein ganzes (im Normalfall, mit Zeit zwischen Einberufung und nach Beendigung bis zur Aufnahme eines Arbeitsplatzes) Jahr vom Arbeitsmarkt wegzuhalten. Man kann den Schwachsinn kritisieren, den Rettungsdienst in Österreich auf im europäischen Vergleich kläglichem Ausbildungsniveau zu halten, nur weil man Zivildiener, die man nur neun Monate hat, unbedingt zum Systemerhalt verwenden muss.

All diese Kritik ist valide. Doch nicht der Hauptgrund meiner persönlichen Kritik. Diese Kritik ist nämlich vor allem an den Umgang der Politik mit dieser Volksbefragung gemeint. Der ist nämlich, gelinde gesagt, desaströs. Da spricht die Innenministerin Mikl-Leitner öffentlich davon, dass „die Rettung später kommt“, wenn es keine Zivildiener gäbe. Skandalös genug, wenn wir als elftreichstes Land der Welt (am nominellen BIP gemessen) die Rettung gerade volljährigen Zwangsverpflichteten anvertrauen müssen, oder? Da spricht der offen gegen seinen Minister auftretende Generalstabschef Entacher davon, dass man „beim Bundesheer was fürs Leben lernt“. Man mag mich korrigieren, aber der gelernte Elektriker zum Beispiel möchte wahrscheinlich eher eine fair bezahlte Arbeitsstelle, als für einen Hungerlohn durch den Dreck zu kriechen und danach Offiziere im Kasino bedienen. Da spricht der Sozialminister Hundstorfer davon, ein bezahltes Sozialjahr einzuführen, bezahlt mit 1300 Euro brutto, für Menschen OHNE jegliche Ausbildung. Dass dieser Sozialminister damit das seit Jahrzehnten erfolgreich betriebene Lohndumping legitimiert, scheint ihn, um eine Floskel zu bemühen, „nur peripher zu tangieren“. Eine Fachsozialbetreuerin mit zwei Jahren Ausbildung steigt im Schnitt mit 1500-1600 Euro brutto ein, nur zum Vergleich! Dass ein Sozialminister so agiert, tut fast weh. Besser wäre es, die Löhne anzupassen und Ausbildungen zu reformieren, dann würde man auch mehr QUALIFIZIERTES Personal finden. So ist dies nur politisches Geplänkel auf schmerzendem Niveau.

Weiters sprechen hochrangige ÖVP-Vertreter davon, dass man „ruhig etwas für sein Land“, weil es ja sooo viele Möglichkeiten biete, tun kann. Was die etwas polemische Frage aufwirft – warum sind so viele ÖVP-Politiker seinerzeit dem Ruf nicht gefolgt? Weil Wolfgang Schüssel „aus öffentlichem Interesse unabdingbar“ war? Weil der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol einen „Hautausschlag“ hatte? Weil Karl-Heinz Grasser aufgrund einer chronischen Gastritis (!!!!!!) nicht einrücken konnte? Gerade solche hochrangige Vertreter sprechen sich für die Wehrpflicht aus. Ich würde „Heuchelei“ unterstellen.

Aber auch die SPÖ macht es nicht besser. Noch vor zwei Jahren war „die Wehrpflicht in Stein gemeißelt“ (Norbert Darabos). Was jetzt passiert, ist Politik a la Österreich. Man muss als SPÖ partout gegen die Wehrpflicht sein, weil die ÖVP dafür ist. Und umgekehrt. Und die Bevölkerung lässt man partout nur zwischen zwei,von der jeweiligen Partei (natürlich im „Konsens“) formulierten Fragen wählen. Zwischen Pest oder Cholera. Nicht zwischen möglichen Systemen, sondern zwischen parteipolitisch vorgekauter Meinung. Nur weil rot schwarz eins auswischen will, und schwarz rot keinen Erfolg vergönnt, wird jetzt zur Abstimmung bzw. zur „Befragung“ gebeten. Die kleinkarierten politischen Geplänkel inklusive. Sollte mich wer auffordern „Hab D’Acht“, könnte ich nur eines antworten: nein, liebe ÖVP, und nein, liebe SPÖ, aufgrund der Performance der letzten Jahre habe ich meine Achtung vor euch verloren. Mit dieser Volksbefragung habt ihr da nur noch eine Schippe draufgelegt.

Foto: Matthias Kabel, CC-Share-Alike-3.0

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.