Wehrpflicht – ja oder nein?
Am 20. Januar findet in Österreich die erste bundesweite Volksbefragung der Zweiten Republik statt. Die Befragten können dabei zwischen der Beibehaltung der Wehrpflicht oder der Ersetzung durch ein Berufsheer und Freiwilliges Soziales Jahr wählen.
Etwas, das die Chance hätte, direkte Demokratie in Österreich gesellschaftsfähig zu machen, wird leider für kleinliches parteipolitisches Hickhack missbraucht. Dies beginnt bereits bei der Auswahl und Anzahl der Wahlmöglichkeiten.
Würde den Ursprüngen der Demokratie gefolgt werden, wäre die Bevölkerung bereits in die Entstehung der Auswahlmöglichkeiten involviert gewesen. So jedoch wird die Rolle des Bürgers/der Bürgerin rein auf die Auswahl von entwickelten Modellen auf PolitikerInnenseite reduziert, eine echte Beteiligung findet nicht statt.
Einerseits wird (vor allem) von den Regierungsparteien die Diskussion einseitig und engstirnig geführt, andererseits wollen sie ihre Pläne, wie denn eine Heersreform im Detail (ob mit oder ohne Wehrpflicht) auszusehen hat, erst nach der Befragung bekannt geben.
All dies trägt nachhaltig zur Politikerverdrossenheit vieler Österreicherinnen und Österreichern bei. Deshalb wollen wir hier darlegen, wieso es für uns diesmal keine passende Möglichkeit am Wahlschein gibt.
Wozu braucht Österreich überhaupt ein Heer? Zur Landesverteidigung jedenfalls nicht mehr. Alle unsere Nachbarstaaten haben das Schengener Abkommen unterzeichnet, wir haben bereits die Grenzkontrollen eingestellt und abgesehen von Liechtenstein und der Schweiz sind alle Mitglieder der EU. Ein Angriff dieser Staaten darf bis auf Weiteres nicht erwartet werden, ebenso wenig wie gewaltsame Auseinandersetzungen in Grenznähe innerhalb deren Staatsgebiet, die eine militärische Reaktion Österreichs erforderlich machen würden. Ein Angriff auf uns von weiter außerhalb ist ebenfalls nicht sonderlich wahrscheinlich und würde entweder die Erlaubnis eines unserer Nachbarn erfordern oder den NATO-Bündnisfall auslösen.
Auch gibt es Staaten wie Island, Costa Rica, Japan, Andorra, Liechtenstein, San Marino, Monaco oder Vatikanstadt, die zeigen, dass man kein stehendes Heer haben muss, um keinen militärischen Aggressionen ausgesetzt zu werden. In Costa Rica fand seit 1949 weder Militärputsch noch Bürgerkrieg statt, was in Südamerika leider nicht immer der Fall ist.
Neben der Landesverteidigung wird auch des öfteren mit dem Katastrophenschutz argumentiert. Die BefürworterInnen der Wehrpflicht meinen, dass ausgedehntere Erste-Hilfe-Kurse oder der Erwerb technischer Fähigkeiten wesentlich zur (Selbst-)Hilfe bei Naturkatastrophen beitragen würden. Die gegnerische Seite merkt an, dass die Landesverteidigung eine Problemstellung der europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik sei. Bisherige Bemühungen des Bundesheeres im Katastrophenfall könnten auf andere zivile und semizivile Organisationen wie etwa die Polizei übertragen werden. Deutschland betreibt mit dem Technischen Hilfswerk bereits seit Jahren erfolgreich einen zivilen Katastrophendienst. Diese Möglichkeit wird hierzulande allerdings kaum angesprochen.
Strittig ist, welche der beiden Variante die wirtschaftlich wünschenswertere sei, die vorgelegten Studien der KontrahentInnen widersprechen sich hierin. Die Einführung eines Berufsheeres sei oberflächlich betrachtet zwar günstiger, dennoch müsse man den Abbau von fast 10.000 BeamtInnen, wie Darabos vorschlägt, und die Rekrutierung neuer SoldatInnen berücksichtigen sowie umsetzen – keine Selbstvertändlichkeit in Österreich (siehe z.B. Verwaltungsreform). Die kostengünstigste Variante wäre zweifelsohne das Bundesheer komplett abzuschaffen. 2,5 Milliarden Euro hat der Staat Österreich 2010 für das Bundesheer ausgegeben, dem gegenüber stehen die Kosten von 176 Millionen beim deutschen Technischen Hilfswerk.
Viele unterstellen dem Wehrdienst ohnehin fehlende Sinnhaftigkeit und glauben an keine funktionierende Reform mehr. Hiermit sprechen sie unter anderem das aktuelle Einsetzen von Grundwehrdienern an (von den 23000 Grundwehrdienern 2011 wurden etwa 3000 als Köche oder Kellner ausgebildet, zu Pionieren gerade etwas mehr als 900). Besänftigt wird mit der Aussage, dass Köche, Logistiker oder Fahrer genauso für die Organisation notwendig seien. Außerdem würde das Heer sportliche Talente entdecken und die Integration fördern. Nur wieso soll ein freiwiliges soziales Jahr oder Berufsheer auf der anderen Seite keine Integration fördern? Weshalb wird der Blick bei diesem Argument nicht darauf gelenkt, wie es bei den BerufssoldatInnen und denen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr – allerdings mit schlechterer Bezahlung als es das neue Modell vorsieht – gerade absolvieren, aussieht?
Würde sich nun die fehlende Alternative einer kompletten Abschaffung besser mit der Neutralität Österreichs vereinbaren lassen? Die Bürgerinitiative „Abschaffung des Bundesheeres und aktive Friedenspolitik“ ist dieser Meinung und fordert genau das.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, wie es denn mit den einzelnen Positionen der Parteien aussieht. Die SPÖ ist für Berufsheer und Freiwilliges Soziales Jahr, sie sprechen sich gegen einen „Zwangsdienst“ aus und halten Freiwillige zudem für engagierter. Die ÖVP spricht sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus, das System sei bewährt und müsse nur weiterentwickelt werden. Die Grünen berufen sich auf Neutralitäts- und Friedenspolitik. Das Innenministerium könne mit einer eigenen Abteilung für den Katastrophenschutz erweitert werden, eine professionalisierte Einheit für internationale Friedenseinsätze unter UN-Mandat solle sich auf polizeiliche Aufgaben konzentrieren. Sie tendieren mehr zu einem Berufsheer. Ebenfalls dafür haben sich BZÖ und Team Stronach ausgesprochen. Die FPÖ hingegen tritt für die Wehrpflicht ein, sie bezeichnet diese als soziale Sicherheit und wirft der gegnerischen Seite „reinen Zerstörungswillen“ vor.