Auf Tour mit CARDIAC ARREST: Teil 1

Mein Name ist Patrick Datscher und ich schreibe seit einigen Monaten meine Gedanken über die Musik anderer Menschen regelmäßig hier auf subtext nieder. Ich tue das zum Spaß, aus Liebe zur Musik und aus Wertschätzung gegenüber denen, die diese Musik erschaffen. Im Idealfall hört sich ja auch wirklich jemand eine der Bands an, die ich hier anpreise und verliebt sich ein bisschen. Dieser Artikel hier ist eine kleine Ausnahme von meinem üblichen Geschreibsel und soll bitte nicht als unverschämte Selbstdarstellung, sondern als unterhaltsamer, kleiner Einblick in den Alltag auf Tour verstanden werden. Nebenbei bin ich nämlich selbst Sänger in der Linzer Posthardcore/Alternative/Emo/Punk/was-auch-immer-Band CARDIAC ARREST, mit der ich unlängst zwei Wochen auf Tour durch Österreich, Deutschland, Tschechien, Italien und die Schweiz verbracht habe. Jemand aus der Redaktion hatte die grandiose Idee, ich solle doch in dieser Zeit so etwas wie ein Tourtagebuch führen und das Ganze dann hier veröffentlichen. Gesagt, getan! Hier könnt ihr nun also nachfolgend lesen, was mein Verstand in diesen zwei Wochen trotz (oder gerade wegen) Schlafmangel, Party, endlosem Herumschleppen von Equipment, Tetris spielen, ungesunder Ernährung, alkoholinduzierten Abstürzen und allem was sonst noch so dazu gehört, während der stundenlangen Fahrten im Tourbus so abgesondert hat. Roh und ungefiltert. Untermalt von Fotos, die unser lieber Begleiter und subtext-Kollege Andreas Wörister geschossen hat. Viel Spaß!

TAG 1 – WIEN

Der erste Tag von so einer kleinen Europatour beginnt bei uns eigentlich wie jeder andere Wochentag. Freitag – Das heißt erst mal bis 12 arbeiten, versuchen den Kollegen zu erklären was man die nächsten zwei Wochen eigentlich so macht („Ja und wo spielt ihr da so? Wie viel verdient man da?“ Haha.) und dann möglichst schnell nach Hause sputen um die letzten Sachen zu packen, oder in meinem Fall noch schnell 50 CDs fürs verkaufen auf Tour zusammenzubasteln.

Dann Abfahrt Richtung Wien. Heute zum ersten Mal im Venster. Ein sympathischer kleiner DIY-Laden im Gürtelbogen Nr. 99. Dort läuft alles ein bisschen gechillter ab. Was man unter anderem daran merkt, wenn man als notorische Zu-Spät-Kommer-Band erst mal eine halbe Stunde vor der Venue warten muss, bis mal jemand vorbeikommt, um die heiligen Pforten aufzuschließen. Die Leute, allen voran Miso, der hinter der Bar steht, sind aber alle mega nett zu uns. Nach dem Aufbau beziehe ich Stellung an der Abendkasse. Ich darf heute Eintritt kassieren und werde dafür im Gegenzug regelmäßig mit Bier versorgt. Es wird getrunken und sich über die vielen bekannten und auch neuen Gesichter gefreut. Das Konzert selbst ist dann sicher als eines unserer schönsten bisherigen in Wien einzuordnen. Clamant Garden und Hunting Party spielen zuvor und machen Laune, ehe wir unser Set starten. Die Stimmung ist gut, es gibt herzerwärmend freundliches Feedback und wir freuen uns jetzt schon aufs Wiederkommen. Zufrieden, leicht angetrunken und mit einem Käsekrainer-Snack im Bauch lasse ich mich in den Schlaf fallen und ziehe mir durch mein Schnarchen wieder Mal den Unmut meiner Bandkollegen zu.

TAG 2 – GLAUCHAU (DE)

Der zweite Tourtag beschert uns einen Roadtrip durch Tschechien. 6 übrig gebliebene Bierdosen vom Vorabend und ein Zwischenstopp beim Fünf-Sterne-Restaurant „Zur goldenen Möwe“ halten uns bei Kräften. Glauchau, unser heutiges Etappenziel, ist ein beschauliches 25.000-Einwohner-Städtchen in Ostdeutschland – für einen Samstagabend aber sehr verschlafen. Der Club, das Café Taktlos, ist ein Pfadfinderheim-artiger Zufluchtsort für die örtliche Punk-Szene. Wohlfühlfaktor, gutes Essen und Schnaps waren gegeben. Wir teilen die Bühne an diesem Abend mit Bon Voyage, Rhythmic Ceremonial Ritual und Crowns & Thieves. Da wir morgen auch nochmal mit Crowns & Thieves spielen, treffen wir eine Abmachung zum Abwechseln unserer Slots – das heißt wir sind schon als Zweites dran. Mehr Zeit zum Schnaps trinken! Verhängnisvolle Bedingungen für unsere schwachen Geister. Der Rausch ist vorprogrammiert. Der Weg zum Matratzenlager im Obergeschoss ist auch nicht weit. Fast wie auf Landschulwoche hier!

TAG 3 – JENA (DE)

Sonntag. Leichter Kater. Die Frisur hält. Heute nur eine kurze Fahrtzeit von ca. einer Stunde nach Jena. Dafür heißt es für die heutige Matinée auch schon relativ früh an der Location zu sein. Für einen kurzen Stadtrundgang samt Kebap und Kaffeepäuschen bleibt dann aber noch Zeit. Dann gehts zur Baracke, einer feinen DIY-Location etwas außerhalb der Stadt, die im gemütlichen Wohnzimmerstil eingerichtet ist. Die großartigen Varan spielen heute mit uns und auch die frechen Crowns & Thieves sind uns glatt bis hierher gefolgt und spielen heute nochmal mit uns gemeinsam. Um 17 Uhr beginnt das Sonntags-Hardcore-Kaffeekränzchen bereits. Es tauchen sogar Menschen auf, die den Konzertraum füllen, was bei Konzerten durchaus schön ist, in unserer Heimatstadt Linz an einem Sonntag aber in ähnlicher Form wohl nicht der Fall wäre. Wir fühlen und überaus wohl, alle sind nett zu uns und das Bier schmeckt auch schon wieder. Vom tollen Essen ganz zu schweigen. Obwohl 2 mal hintereinander veganer Eintopf bei einigen von uns schon giftige Darmwinde entstehen lässt.

TAG 4 – BUDWEIS (CZ)

Einmal umdrehen bitte! Heute geht’s zurück in die Tschechische Republik nach Budweis, was uns natürlich einerseits als Fans von billigem, guten Bier ausgesprochen freut. Außerdem haben wir zuvor erst einmal in unserem nördlichen Nachbarland gespielt und aufgrund der ganzen lieben Menschen Lust auf mehr bekommen. Wir kommen gegen 5 bei der Velbloud Music Bar an und verfrachten unsere gigantische Ansammlung an Equipment vor die Bühne. Aufgebaut wird später – jetzt ist noch Zeit für einen kleinen Stadtbummel, der bei uns in den meisten Fällen einen Plattenladen und eine Bar inkludiert. Da steht dann auch ein kleiner Snack auf der Speisekarte. Knoblauchbrot – wär jetzt geil, denken wir uns, bekommen dann aber tatsächlich 5 getoastete Schwarzbrote mit je einer Knoblauchzehe serviert. Omnomnom! Zurück im der Location gibt es dann aber richtiges Abendessen, ehe es ans Aufbauen und Vorbereiten geht. Kuzimu Mabaya, eine lokale Thrashcore Band sind heute mit dabei und ballern schonmal amtlich aus den Boxen. Mir fällt auf – unser Merch-Mensch/Fotograf Andi verzieht sich jedes Mal in den Backstage, wenn ihm eine Band zu hart ist. Mir gefällts! Für einen Montag sind auch heute wieder erstaunlich viele Menschen hier aufgetaucht. Nach dem Konzert gerät dann alles etwas aus dem Ruder. Was mit ein paar netten Gesprächen mit den Einheimischen und dem Barpersonal beginnt, artet schnell in einer schnapsgetränkten Tanzparty aus. Keinen Plan, wann und wie ich ins Bett gekommen bin, welches Gottseidank ein gemütliches Matratzenlager im Backstage war. Also nur einmal umfallen! Hab ich vermutlich auch so gemacht.

TAG 5 – OSTRAVA (CZ)

Ich erwache, immer noch dezent betrunken, gegen Mittag. Oder besser gesagt, unser Drummer Sandro, der gestern noch länger durchgehalten hat, und ich werden vom Rest der Band geweckt. „Heute muss aber echt jemand anderer fahren“ meinen sie in Richtung Sandro. Den kann man heute vergessen. Nach einer Dusche fühle ich mich zumindest wieder halbwegs wie ein menschliches Wesen. Weiter geht die Reise in den Osten des Landes nach Ostrava. Relativ kurzfristig vor Tourbeginn haben wir hier noch eine Show aufstellen können, bei der wir wohl aber zwischen der Jazz/Noise/Fusion-Band Inheritance und der ungarischen Instrumental Rock Band Makrohang etwas aus dem Rahmen fallen – denken wir zumindest vorher. Nachher erweist sich das Ganze irgendwie sogar als recht stimmig. Es ist schon dunkel, als wir beim Plan B Hardcore Cafe eintreffen. Wir trödeln auch erstmal noch eine halbe Stunde rum, weil keiner kapiert, dass wir beim verschlossenen Hintereingang der Location stehen und deshalb annehmen, dass wir tatsächlich schon wieder vor allen anderen hier sind. Andi entdeckt dann aber nach einer Weile den richtigen Eingang auf der anderen Gebäudeseite. Ein richtig schicker Laden ist das hier. Allerdings wünscht man sich, nachdem man gerade 5 Stunden im Auto gehockt ist und einem die letzte Nacht noch immer in den Knochen hängt, doch so etwas wie einen kleinen Backstageraum als Rückzugsmöglichkeit. Den gibt’s hier nicht, also heißt es improvisieren. Ich versuche es mit einem Reparaturbier, steige dann aber schnell auf Wasser um, während wir gebannt den beiden unglaublich talentierten Bands lauschen. Unsere Befürchtung, dass sich der Laden danach ziemlich rasch leeren wird und wir am Ende vielleicht gar nur vor der Barbelegschaft spielen, bewahrheitet sich nicht. Im Gegenteil – der Laden ist sogar noch voller als zuvor, als wir zu spielen beginnen. Heißt ja doch Hardcore-Cafe hier. Nach der Show bleibt leider nicht mehr wirklich viel Zeit um mit irgendwem engere Kontakte zu knüpfen, da heute der letzte Tourabend für unseren Andi ist und wir ihn morgen pünktlich um 7 am Bahnhof hier in Ostrava aussetzen müssen. Also machen wir uns bald auf zu unserer heutigen Schlafstätte, einer Wohnung in unmittelbarer Nachbarschaft zur Location. Diese war recht spartanisch eingerichtet, und offenbar hatte der gute Mann letztens mal seine gekochten Nudeln am Herd vergessen und war danach einige Zeit nicht mehr zu Hause. Omnomnom! Dafür war die Bude mit Heizstrahler vorgeheizt und mit ausreichend Matratzen ausgestattet. Da ist man schon äußerst dankbar dafür, wenn man nur über Schlafsack, nicht jedoch über eine Unterlagsmatte oder ähnliches verfügt. Also 5 Stunden Augen zumachen und dann gehts wieder weiter!

TAG 6 – DAY OFF / HAMBURG (DE)

Wir erwachen mit leichten Erfrierungserscheinungen. Doch nicht mehr so kuschelig hier, wenn man erstmal den Heizstrahler abgedreht hat. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass wir die Nacht auf einem zwar geschlossenen, aber klarerweise dennoch unbeheizten Balkon verbracht haben. Loggia nennt man so was glaub ich in der Fachsprache. Wie versprochen liefern wir Andi aber trotz Kälte und Schlafmangel pünktlich am Bahnhof in Ostrava ab, damit er heute Abend wieder pünktlich in Linz auf der Matte stehen kann. Mission accomplished! Noch eine Gruppenumarmung, dann geht’s weiter gen Norden. Acht Stunden Fahrzeit nach Hamburg. Da war außer Daniel bisher auch noch niemand von uns, deswegen drücken wir mal lieber auf die Tube und sehen zu, dass wir diesen Tag dort noch etwas ausnutzen können. Unterwegs müssen wir mal einen kleinen Umweg durch Berlin nehmen, weil sich Flo beinahe anpinkelt und direkt an der Autobahn in Deutschland mal wieder keine Tankstelle zu finden ist, wenn man sie braucht. Macht aber dann auch keinen großen Unterschied, als wir am späten Nachmittag in Hamburg ankommen. Wir haben für die erste Nacht ein Hostel mitten im hippen Schanzenviertel gebucht. Hier kann man sich kaum vor Bars, geilem Essen, alternativen Shops und Plattenläden retten. Ein kleines Paradies für uns. Also Erkunden wir die Gegend etwas und machen uns auf die Suche nach Futter. Fisch muss es sein wenn man schon mal in Hamburg ist. Wir finden nebeneinander einen runtergekommen kleinen Laden namens „Schabis Fischimbiss“ und ein portugiesisches Fischrestaurant. Wir entscheiden uns für das Restaurant und landen damit einen ordentlichen Griff ins Klo. Wir schwören uns, morgen in den kleinen abgefuckten Imbiss zu gehen. Danach geht es natürlich weiter in Richtung Reeperbahn. Muss man ja auch mal gesehen haben, wenn man in Hamburg ist. Die Kiez-Meile erinnert mich irgendwie an eine Zuhälterversion des Time-Square. Man ertappt sich dabei wie man mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu durchmarschiert. Wir sind eher Freunde von gemütlichen Kneipen und als solche werden wir in den Nebenstraßen der Reeperbahn schon eher fündig. Nach dem sechsten Astra höre ich auf zu zählen.

Fortsetzung folgt…

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.