BLACKOUT PROBLEMS: Holy

Lange Zeit hat man darauf warten müssen, doch im Februar dieses Jahres war es dann so weit: Blackout Problems haben mit Holy ihr zweites Album (nach Life im Jahr 2012) veröffentlicht. Die Vorgabe? Weniger ist mehr! Ein Besinnen auf die eigenen Stärken und ein Versuch, die geballte Live-Energie der Band auch auf Platte zu bannen. Eine große Herausforderung ist das zweifelsohne. Doch das Trio aus München nimmt diese Hürde mit Bravour. Sie verströmen auf Holy ihre ganze wunderbare Authentizität und wirken als Einheit gefestigter als je zuvor.

Die drei M&Ms (Michael, Mario, Markus) wissen definitiv was sie wollen. Schon lange ist dieses zweite Album irgendwie erwartet und in Aussicht gestellt worden. Jedoch wollte dieser Schritt – nachdem die Bandmitglieder allesamt ihr Studium an den Nagel gehängt haben, um ihre Musik zum Fulltime-Job werden zu lassen – gut überlegt sein. Ein Album einfach so ins Blaue veröffentlichen, das wollte man auf keinen Fall. Nach der Hitsingle Home folgte der Zwischenschritt in Form der 2014er EP Gods und ein immerzu randvoller Livekalender (u.a. Touren mit Heisskalt und Emil Bulls), um sich bei einer breiteren Masse Gehör zu verschaffen. Nebenbei hielt man immerzu Ausschau nach einem geeigneten Label, um dieses wichtige zweite Album zu veröffentlichen. Mittlerweile sind die Blackout Problems wieder an dem Punkt angelangt, an dem sie doch lieber alles selber machen, oder in die Hände von fähigen, guten Freunden legen. Die drei haben nun einmal ihre ganz eigenen Vorstellungen, die sie sich von keiner Plattenfirma ausreden lassen wollen. So wurde auch Holy letztendlich wieder in Eigenregie veröffentlich. Lediglich für Promo und Vertrieb holte man sich mit Uccle M, beziehungsweise Cargo Records professionelle Partner ins Boot. Die Voraussetzungen für dieses ambitionierte Projekt schienen nun also einfach zu passen.

Umso erfreulicher ist, dass Holy dann auch einfach gnadenlos abliefert und (Spoiler Alert!), die Band in ihrer energiegeladenen Liveperformance nun auch endlich perfekt auf Platte eingefangen hat. Schon das atmosphärische Intro One (mit dem seit längerer Zeit bereits auch die Livekonzerte eröffnet werden) und dessen Weiterführung Of Us legen die Marschrichtung fest. Blackout Problems haben sich ihre eigene Komfortzone zwischen Indie, Punk und Pop zurechtgezimmert, in der sie sich nach allen Regeln der Kunst austoben können. Dabei lassen sie nie ihren Variantenreichtum vermissen. The Drive etwa ist eine überaus tanzbare Indie-Folk-Nummer geworden. The National wird zu Beginn von einer fröhlichen, kleinen Klaviermelodie getrieben, setzt dann auf die spitze einen sehr breit getragenen Refrain, der sich in meiner Vorstellung vor jeder Festivalbühne gut mitsingen lassen würde. Follow Me ist ein stampfender Rock-Kracher geworden, der gar auf einen echten Refrain verzichtet und stattdessen mit einer Catchphrase („we might have not come far!“) und einer Gitarren-Hook, die sich sofort ins Gehirn einbrennt ohne zu nerven, aufwartet.

Boys Without A Home verblüfft und entzückt dann mit einem Gastauftritt von Boysetsfire-Frontmann Nathan Grey. Ein Manifest von einem Songs, das sich an befreundete Bands richtet, die ebenfalls auf der Straße zu Hause sind. Black Coffee ist ein starkes Statement gegen Homophobie geworden, dass seine Botschaft aber erstaunlich optimistisch und unaufdringlich vorträgt. Natürlich sind durch die Fülle an (starken) Songs einige naturgemäß schlicht und davon bedroht unterzugehen. Deswegen sind sie aber noch lange keine Skip-Kandidaten. Holy ist eine dieser Platten, die beim Am-Stück-Hören sogar noch einmal eine ganz andere Wirkung entfaltet. Denn das Trio hat sich auch was den Fluss der Songs angeht, so seine Gedanken gemacht. So kommt etwa die prägnante Gitarrenmelodie von One eben nicht nur beim anschließenden Of Us, sondern auch beim melancholischen The King (unterschwellig) und dem finalen Abriss Poets Of Protest (we came! we saw! we conquered!) zum Einsatz.

Auch die Produktion (von Heisskalt-Gitarrist Philipp Koch) steht der Band verdammt gut zu Gesicht. So wurde etwa viel überflüssiger Synthie-Schnick-Schnack weggelassen, die Songs regelrecht entschlackt und auf das Fundament von Bass, Gitarre und Schlagzeug gestellt. Synthieflächen und Zusatzinstrumente –  wie das Klavier bei The National – kommen nur spärlich und sehr gezielt zum Einsatz. Das Ergebnis: Blackout Problems klingen auf Holy wirklich, wie sie es live auf der Bühne tun. Dort sind die drei zu Hause. Dort gehören sie hin. Und genau dort gehört auch Holy hin. Also ab auf die großen Bühnen!

 

blackout Problems Holy Cover

Tracklist

01. One
02. Of Us
03. We Are Free
04. The Drive
05. Boys Without A Home (feat. Nathan Grey)
06. Step Up
07. Follow Me
08. The King
09. Hold On
10. The National
11. Black Coffee
12. Into The Wild
13. Poets Of Protest

VÖ: 05.02.2016, via Uncle M (Cargo Records)

 

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.