Thomas Maurer: „Gute Pointen haben etwas Verunsicherndes“

 

Bereits seit 2008 ist Thomas Maurer mit seinem Programm „Aodili“ unterwegs. Den meisten Menschen ist er als politischer Kabarettist bekannt – subtext.at hat er verraten, ob das überhaupt so ist, warum sozialpartnerschaftliches Kabarett fad ist und warum Kabarett nicht unbedingt „links“ ist.

subtext.at: Sie treten heute mit Ihrem Programm „Aodili“ hier in Linz auf. Wissen Sie, zum wie vielten Mal sie das Programm bereits spielen?
Thomas Maurer: Also hier in Linz so das sechste oder siebte Mal. Insgesamt dürften es so ca. 170 Vorstellungen sein.

subtext.at: Sie spielen also 170 Mal das größtenteils gleiche Programm – da bietet sich eine Frage fast an: Die Witze bleiben beinahe gleich. Sind die für Sie schon mal langweilig geworden?
Thomas Maurer:
Naja, wenn ich jedes Mal über meine eigenen Witze lachen müsste, dann würde das bei der Premiere schon nicht gut ausschauen. Das sind schon zwei Berufe. Das Schreiben ist das eine. Auf der Bühne ist es was anderes – weil das Stück Situationsdramaturgie hat und eine Rolle, die von mir schon entfernt ist. Da ist es eher der Schauspieler, der das Stück spielt. Wenn ich was mache, was spontaner ist, kann ich mich auch selbst leichter überraschen. Bei einem Theatertext tu ich mir schwer, wenn ich zu improvisieren anfange. Das ist sehr unwahrscheinlich, dass es sich dadurch verbessert.

subtext.at: Wenn man den Namen „Thomas Maurer“ im Internet sucht, stößt man unweigerlich auf den Ausdruck „politischer Kabarettist“ – würden Sie sich selbst überhaupt als solcher bezeichnen?
Thomas Maurer: Ich hab zumindest nix dagegen. Mir fällt halt auf, dass dieses „Label“ halt verstärkt kommt, seitdem ich halt auch Programme mit tagespolitischem Inhalt gemacht habe. Ich habe die ersten zehn Jahre meiner Karriere ja überhaupt nichts Tagespolitisches gemacht und habe aber auch gefunden, dass es auch damals schon politische Abende waren von den Inhalten her.
Seit 2000 und „Zwei echte Österreicher“, gemeinsam mit Florian Scheuba, wars dann dezidiert „politisch“. Damals wollte ja keiner mehr politisches Kabarett machen, das war uncool. Da gabs diese fast großkoalitionäre „Bravheit“ im Kabarett. Man macht einen Witz über die Roten, dann quasi zum Ausgleich einen über die Schwarzen, dann einer über die Grünen und Blauen auch noch dazu. Das finde ich wahnsinnig fad. Dieses „Sozialpartnerschaftliche“, wo man nie richtig verletzend sein darf, hat mich eben lang nicht interessiert. 1999 mit dem Erfolg der FPÖ hat es sich dann halt angeboten, mal auch was derberes zu machen – seither hängt mir dann der „Politische Kabarettist“ nach.

subtext.at: Warum ist politisches Kabarett in Österreich eigentlich fast immer links?
Thomas Maurer:
Ich glaube, dass das eigentlich fast immer so ist.

subtext.at: In den USA zum Beispiel würden mir schon republikanische Inhalte einfallen…
Thomas Maurer: Ja, schon, aber das ist teilweise von der Qualität her relativ erschreckend. Es gibt sowas wie den rechten Zorn, der dann von Republikanern oder der FPÖ kanalisiert wird und den man dann durchaus auch in etwas Satirisches umwandeln kann, aber ich glaube, dass gute Pointen immer etwas Verunsicherndes haben. Wenn ich eher autoritär strukturiert bin, dann habe ich das eher ungern, wenn etwas verunsichert. Deswegen sind die Pointen in solchen Dingen dann oft sehr vorhersehbar und der Versuch ders Tabubruchs ist dann oft nur mehr ekelhaft. Ich hab mir auch mal Websites mit solchen Inhalten angeschaut – dann geht’s halt darum, dass ein Typ hingeht und Obdachlosen sagt, sie sollen gefälligst hackeln gehen. Das ist dann der Witz. Das ist dann schon teilweise bizarr. In den besten Witzen steckt meiner Meinung nach aber etwas zurtiefst Beunruhigendes – und wenn man einen gewissen Hang zur Subversion hat, dann ist man bei iener Art von Satire, die nicht unbedingt links, aber doch etwas destruktiv ist. Mit Herrn Strache braucht man ja auch nicht komplexe Witze über philosophische Themen erörtern.

subtext.at: Zurück in den deutschen Sprachraum – in Deutschland hat man doch den Eindruck, dass politisches Kabarett um ein ganzes Stück brachialer ist. Trauen sich die Deutschen da mehr?
Thomas Maurer:
Der Deutsche sagt gern, was Sache ist. Dass es das in dieser Form in Österreich noch nicht gegeben hat – mal sehn. Es würde mich schon auch reizen, einmal etwas dezidiert „Brachiales“ zu machen. Dafür gabs bei uns zum Beispiel mit „Die 4 da“ etwas, wo ich sonst nichts in diese Richtung kenne. Das sind immer auch Glückssachen – das Fernsehen ist immer auch ein sehr enges Nadelöhr, und es ist unberechenbar, wer gerade was machen will. Prinzipiell habe ich das Brachiale aber eh gern, man muss aber aufpassen. Wenn man alles überwürzt, ist es zwar scharf, aber nicht interessant.

subtext.at: Zurück zu Ihnen. War „Aodili“ nach „Zwei echte Österreicher“ und „Die neue Selbstständigkeit“ so etwas wie die Flucht weg von der Tagespolitik?
Thomas Maurer: Das war mit ein Grund, ja. Das regelmäßige Lesen des zitierten „politischen Kabrarettisten“ tat auch was dazu. Ich wollte dann mal ein Stück, wo garanriert kein österreichischer Tagespolitiker einen Gastauftritt hat.Und da war ich dann auch schon in China angekommen. „Aodili“ ist aber kein unpolitisches Programm, mit Globalisierungskritik zum Beispiel.

subtext.at: Das schon. Jörg Haider kommt aber nicht mehr vor zum Beispiel.
Thomas Maurer:
Stimmt, und der geht mir auch nicht wirklich ab. Das war schon auch ein Zusatznutzen, mal was anders zu machen. Ich versuch aber, Dinge zu machen, die sich stark unterscheiden, damit mir selbst nicht fad wird. Zumindest weiß ich nach 20 Jahren, was ich mit jedem Programm wollte, wovon es handelt, und was ich mir überlegt habe dabei. Das ist ja auch schon etwas.

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.