Parov Stelar: „Elektronische Musik hat immer einen Underground-Faktor“

Parov Stelar ist einer der wohl bekanntesten Producer und DJs Österreichs. Bevor er im Rahmen des „Noize!“-Fesitvals seine Heimatstadt Linz zum Tanzen brachte, sprach subtext.at mit ihm über Kommerz, Verpflichtungen und die Linzer Clubkultur. 

subtext.at: Du bist zum ersten Mal seit langem wieder hier in Linz. Würdest du der – provokant gefragten – Aussage zustimmen, dass du Oberösterreichs erfolgreichster Musik-Export bist?

Parov Stelar: Puh, ich glaube, solche Statements überlasse ich eher anderen Leuten. Wenn man rein nach Zahlen geht, sind wir momentan das erfolgreichste Musikprojekt Österreichs, was den „Band-Sektor“ angeht. Aber Erfolg ist eine relative Sache – woran willst du das wirklich messen?

subtext.at: Woran misst du dann Erfolg, wenn nicht nur an Zahlen?
Parov Stelar: Nachdem ich mich primär als Künstler sehe, sind Zahlen zwar was ganz Nettes, aber Erfolg ist für mich, mich in dem wohl zu fühlen, was ich gerade mache. Und das passiert auch zur Zeit – ich fühle mich sehr wohl.

subtext.at: Hat es auch Situationen gegeben, wo du dich nicht so „wohl“ gefühlt hast und eher eine Verpflichtung als Spaß dahinter gestanden ist?
Parov Stelar: Naja, das Ding ist in letzter Zeit sehr gewachsen und fast ein Unternehmen geworden – immerhin hängen da insgesamt 17 Leute dran. Da passieren dann natürlich auch Dinge, wo das „Business“ im Vordergrund steht. Das macht nicht immer Spaß, gehört aber halt auch dazu – ich habe halt das Glück, dass ich mit einem Team zusammen arbeite, wo die Arbeit doch noch Spaß macht. Ich picke mir da manchmal meine Rosinen halt heraus (lacht).

subtext.at: Stichwort „Rosine“ – Linz ist ja nicht unbedingt die „Rosine“ der Clubszene. Vor einigen Jahren hast du das auch stark kritisiert. Hat sich das deiner Meinung nach wieder zum Positiven gewandelt?
Parov Stelar: Die Kritik geht ja gar nicht in Richtung eines Urteils über die Qualität. Was ich kritisiere, ist, dass die Politik, die Linz fährt, eine Clubkultur nicht als Kultur sieht. Zum Vergleich: Berlin hat relativ schnell erkannt, dass auch diese Clubkultur eine „gute“ Kultur sein kann. In Linz habe ich immer das Gefühl, dass Kultur immer nur vom Landestheater bis zum Brucknerhaus reicht. Mittlerweile sollten sie es aber auch in Linz geschnallt haben, dass auch elektronische Musik Musik ist und nicht nur „Techno“, wo die verstreuten Typen durch die Gegend laufen.

subtext.at: Also gibt es Ansätze zur Besserung?
Parov Stelar: Kann ich natürlich schwer sagen, weil ich die letzten Jahre nur mehr sehr wenig Zeit hier in Linz verbracht habe. Aber mitgekriegt habe ich, dass in den Tabakwerken was passieren soll und die den alten Tunnel weggerissen haben – das hat mich etwas schockiert. Aber natürlich hoffe ich, dass wieder was passiert – vor 15 Jahren war Linz eine Hochburg für elektronische Musk und Clubkultur, und ich hoffe, dass die Stadt auch wieder dorthin zurückfindet.

subtext.at: Die Veranstaltung „Noize“, wo wir dieses Interview führen, bezeichnet sich selbst auch als „Festival für elektronische Musik“. Siehst du das auch als Zeichen einer guten Entwicklung, wenn es Veranstaltungen wie diese oder auch einen „Danube Rave“ gibt, die sich bewusst auf dieses Genre draufsetzen?
Parov Stelar: Nachdem ich vor einigen Jahren auch mal selbst veranstaltet habe, habe ich erst mal größten Respekt vor jedem, der sich als Veranstalter soweit aus dem Fenster lehnt und solche Veranstaltungen ermöglicht. Veranstalter wie diese vom „Noize“ oder auch Eric Fischer mit seinem „Danube Rave“ sind da sicher engagiert dabei. Es braucht auch so etwas wie Pioniere, das hat die elektronische Musik auch immer ausgezeichnet. Es ist immer mit einem gewissen Underground-Faktor verbunden.

subtext.at: Gehen wir mal weg von Österreich. Das führt mich zu einer banalen Frage: Warum bist du außerhalb Österreichs um so vieles erfolgreicher als hierzulande?
Parov Stelar: Keine Ahnung, warum das so passiert. Wenn ich andere Künstlerkarrieren verfolge, ist das ja auch nicht anders, nicht unbedingt nur in der Musik. Gottfried Helmwein ist auch über das Ausland bekannt geworden. Vielleicht ist das nicht nur ein österreichisches Problem – ich bin ja trotzdem immer dieselbe Person. Ich weiß es wirklich nicht.

subtext.at: Dein beschissenster Moment on stage?
Parov Stelar: Da bin ich Gott sei Dank mit einem blauen Auge davon gekommen, so viele warens nämlich gar nicht. Diese Momente passieren meistens am Beginn einer Karriere, wo man mit vielen Kompromissen leben muss. Wir haben da mal in Italien gespielt, wo wir dann eher Hintergrundmusik als Party machen durften.

subtext.at: Ein anderes Zitat von dir: „FM4 ist so ziemlich der einzige relevante Radiosender, wo Parov Stelar ohne weiteres gespielt werden kann.“ Dieses Zitat stammt aus dem Jahr 2007 – hat sich das seither verändert?
Parov Stelar: In der Zeit haben sich sowohl ich als auch FM4 verändert. Ich verschließ mich anderen Medien aber absolut nicht. Ich sehe keinen Sinn in Boykotts, auch von Ö3 oder anderen Sendern. Kommerz fängt mich da an, sobald ich eine einzige Platte verkaufe und nicht mehr alles verschenke.

subtext.at: Das heißt, dass jeder Künstler zu einem gewissen Grad kommerziell ist?
Parov Stelar: Ich glaube, dass jeder Künstler ein bisschen kommerziell sein muss, um von seiner Profession zu leben. Ein Künstler, der nicht zumindest ein bisschen in diese Richtung orientiert ist, hat für mich eher eine morbide Einstellung.

subtext.at: Stichwort „Morbid“ – viele Künstler können von ihrer Profession nicht leben. Wie hoch muss dazu dann der Grad der Selbstausbeutung sein?
Parov Stelar: Naja, da gibt es einen schönen Spruch: „Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen.“ Wenn du Künstler bist, hast du eh keine andere Wahl als das zu machen, was du machen willst. Selbstausbeutung fängt für mich da an, wenn es ungesund wird. Das ist dann halt oft der Fall, leider. Es ist aber doch ein schönes Gefühl, wenn die eigene Arbeit auf einmal wichtiger ist als man selbst. Wenn man also seine eigenen Sorgen und Probleme zurückstellt und das Ding, das man gerade macht, so interessant ist, dass man alles anderes vergisst.

subtext.at: Deine musikalischen Wurzeln liegen sehr stark im Jazz-Bereich. Wie breit oder wie schmal ist der Grat zwischen Jazz und dem was du auf der Bühne machst?
Parov Stelar: Ich muss ehrlich sagen, dass ich in den letzten zwei Jahren sehr wenig Jazz gehört habe – vielleicht hatte ich eine Art „Jazz-Vergiftung“. Die Genres sind mir ziemlich wurscht – wichtig ist, offen zu bleiben. Nach 2 Bier höre ich vielleicht Jazz, und nach vier Bier taugt mir dann auch der Kalkbrenner.

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Fotos: Julia Dresch, Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.