Soap&Skin – Von der Düsternis in den ruhigen Tod

Diese verdammten Vorschusslorbeeren: In den seltensten Fällen tun sie einem Künstler gut. Anja Plaschg bekam eine Unmenge davon und konnte 2009 mit ihrem Erstling zwar vollends überzeugen, schlüpft aber nun mit Narrow gekonnt aus ihrer Rolle.

Soap&Skin war vor drei Jahren aus der österreichischen Medienlandschaft nicht wegzudenken: Der Falter lobte sie in den Himmel, profil, thegap und all die anderen Magazinen sahen in ihr den größten internationalen Export seit Falco. Und dabei könnten die beiden Künstler unterschiedlicher nicht sein. Falco, dieser Exaltierte, diese Rotzfreche und Anja, die ihre ersten Konzerte, mag man den Gerüchten Glauben schenken, hinter einer selbstgebauten Klopapierwand auf der Bühne vollführte, um das Publikum nicht sehen zu müssen. Was die beiden aber verbindet, ist, dass sie ein Gesamtkunstwerk darstellen. Und nachdem ich in ihr die Wut, die Zerissenheit, die Stille eines jungen Menschen zu entdecken schien, als ich zuerst ihre EP und ihr Album, und schließlich sie selbst in einem Konzert im WUK hörte, war ich enttäuscht, als sie sich nach dem Auftritt nicht in ihre Höhle verkroch, sondern lachend und tratschend mit Leuten sprach.

Soap&Skin ist also nur auf der Bühne Soap&Skin. Steigt sie herab, scheint sie voll und ganz wieder diese Anja zu sein, von der man nicht viel weiß, nur dass sie aus einem kleinen Kaff in der Steiermark stammt, auf einem Bauernhof aufwuchs und ihre Lieder allesamt selbst zusammenmixt. Vielleicht ist das gut so. Es muss aufreibend sein, wenn man rund um die Uhr ein Kunstwerk sein möchte – nur Lady Gaga scheint mit ihrem Konzept nun schon über Jahre hinweg Erfolg zu haben. Aber wo war ich? Ach ja: Kunstwerke entwickeln sich. Und war es damals die aus voller Überzeugung schreiende Soap&Skin, die mich beeindruckte, so sind es nun die leiseren Töne, die Narrow zu einer außergewöhnlichen Platte machen.

Narrow, also die Enge (zumindest laut LEO), scheint sich gerade zu lösen. Zwar schnürt ihr erster Song, „Vater“, einem noch manches Mal die Kehle zu, so poetisch und zermürbend wie hier gesungen wird. Laut Falter ist es ein Lied über Anjas verstorbenen Vater, das (verständlicherweise) einen massiven Einschnitt in ihrem Leben ausmachte. Außergewöhnliches birgt schon das zweite Lied: „Voyage, Voyage“ kennt man, nur eben nicht so. Der 80er-Song der Französin Desireless war schon damals ein Hit, Soap&Skin interpretiert ihn aber so anders, dass man ihn nicht auf den ersten Blick erkennen würde.

„Deathmental“ ist ein Werk wie aus alten Tagen: So kannte man sie bisher, und nicht anders … und auch das Abschlusslied „Big Hands Nails Down“ zeigt Parallelen auf. Alles andere dazwischen („Cradlesong“, „Wonder“, „Lost“ und „Boat Turns Toward The Port“) sind jedoch überraschenderweise ruhiger geworden. Letzteres hat sich sogar zu einem kleinen Geheimtipp entwickelt, so imposant und eindringend suchen hier die Töne ihren Weg in meinen Gehörgang.

Was bleibt also noch zu sagen? Auch Soap&Skins zweites Album (oder ist es eine EP?) zeigt auf, was in dieser jungen Frau steckt. Es ist unglaublich, welche Klangwelten sie uns offenbart, in welche sie uns einlädt, was alles vor unseren geistigen Auge entsteht, wenn sie zu singen beginnt. Sie versteht etwas von ihrem Handwerk. Dieses vielzitierte Lossagen von Altem spüre auch ich, doch jene, die den Hype nun verteufeln, durchexerzieren ihre Wandlung mit intimsten Details. So wie z.B. der Kurier oder Falter, die sie zu einem dieser Künstler macht, die wohl keine Geheimnisse mehr haben dürfen. Immer im Scheinwerferlicht, immer unter Beobachtung. Vielleicht ist sowas auch gewollt, und wenn nicht: Ich hätte da einige Klopapierrollen für dich, Anja!

Tipp: Auch Eberhard Lauth von zib21.com hat eine knappe und gute Kritik geschrieben. Und für all jene, die sich schon mal auf die Stimmung des Albums vorbereiten wollen, gibt es da einen Bilderblog zu Narrow, von Soap&Skin (oder wahrscheinlich der Plattenfirma) selbst.

Live kannst du sie in den kommenden Tagen noch 2 Mal erleben:

15/02/2012 – Posthof, Linz
16/02/2012 – Orpheum, Graz

Foto: Pressefoto by Heide Prange

29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)