Wachstumsphase – Lasst Gärten sprießen
Die Wachstumsphase hat begonnen. Zwei Tage lang widmet sich die Impulsveranstaltung in der Tabakfabrik Linz dem Urban Gardening. Mehrere Initiativen haben sich zusammengeschlossen um sich dem Thema von unterschiedlichen Seiten zu nähern und mehr Grün in die Stadt zu bringen.
Den Auftakt machten die Fabrikanten mit ihrem bekannten Format „Guten.Morgen.Salon„. Das gemeinsame Frühstück ist dabei ein wichtiger Programmpunkt und so beginnt der Sonntag Morgen äußerst gemütlich. Passend zum Thema wurde Christa Müller eingeladen, die als Soziologin seit mehreren Jahren zum Thema Gemeinschaftgärten forscht.
Über das interkulturelle Potenzial von Gemeinschaftsgärten
Gärten haben in Mitteleuropa schon lange Tradition, doch die Formen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die immer verfügbaren billigen Lebensmittel haben den Anbau von Obst und Gemüse zum Luxus-Hobby werden lassen. Die Schrebergärten mit ihrer starren Einteilung und der strikt vorgeschriebenen Nutzung hat dem Kleinbürgertum ein grünes Wohnzimmer ermöglicht. Der erste interkulturelle Gemeinschaftgarten entstand 1995 in Göttingen. Eine Sozialarbeiterin kam auf die Idee, den Flüchtlingen aus dem Bosnien-Krieg eine gemeinsame Beschäftigung zu ermöglichen. Denn in ihrer Heimat war der eigene Garten noch immer eine wichtige Quelle für Lebensmittel gewesen. Wam Kat hat ähnliches ja direkt im Krisengebiet am Balkan umgesetzt.
2009 kam dann in Berlin eine neue Art von urbanem Grün hinzu. Mit dem Prinzessinnengarten entstand ein Freiraum, der stark der neuen DIY-Bewegung entspricht. Seither gibt’s in fast jeder großen Stadt Grünflächen, Brachen oder Freiräume die unterschiedliche, teilweise auch nur temporär, genutzt werden können. InitatiatorInnen sind oft junge Menschen aus der städtischen Mittelschicht mit akademischen Hintergrund, aber durch die offene Anmutung der Gärten wird eine breite Bevölkerungsschicht angesprochen. Genutzt werden alte Reifen, Reissäcke, Schiffscontainer, Paletten, Badewannen oder Einkaufswagen – eine neue Architektur, die eher ReUse statt Recycling nutzt um „Abfällen“ der Industriegesellschaft einen neuen Zweck zu geben.
Am zweiten Tag der Wachstumsphase beginnen die ersten zarten Pflänzchen zu sprießen. Alfred Grand von Vermigrand erklärt, was Boden eigentlich ist, und wie wichtig gewisse Stoffe in der Erde für Pflanzen sind. Dass die normalen Regenwürmer, genau genommen Kompostwürmer, schnell und einfach aus Küchenabfällen Humus machen ist seine Firmenidee. Er bietet unterschiedliche Systeme an die von der Wohnung bis zum großen Gemeinschaftsgarten nutzbar sind.
Beim Kepler Salon, der heute auch in die Tabakfabrik übersiedelt ist, geht’s natürlich auch ums Gartln. Philipp Stierrand widmet sich dem Thema „Lebensmittel gestalten die Stadt“ und erklärt, wie urbane Landwirtschaft den Stadtraum verändern könnte. Großflächige Lebensmittelproduktion, Transport, Handeln, Konsum und Abfallwirtschaft verbrauchen enorme Ressource, der Konsument gibt aber in Österreich nur 8% seines Haushaltsbudgets für die Ernährung aus. Den Schaden trägt die gesamte Gesellschaft. Der Trend zu Obst und Gemüse aus Stadtgärten, der in den USA begonnen hat, bildet sich nicht aus einem Mangel sondern aus einem Überangebot. Da weltweit 1/3 der erzeugten Lebensmittel ungenutzt im Müll landen sind die Faktoren Umwelt, Gesundheit, Vertrauen und Fairness nun wichtiger geworden.
Mit diesen Impulsen ging die Veranstaltung in den (G)Round Table mit VertreterInnen der Politik und weiteren Gästen. Die meisten Interessierten und InitatorInnen hatten Fragen zur rechtlichen Absicherung der Gärten. Hier ist die Politik gefordert und Landesrat Anschober versprach, eine Anlaufstelle in seinem Büro einzurichten. Doch Grundstücke müssen erst mal gefunden werden. Die städtischen Wohnbau-Genossenschaften sind gefordert, den BewohnerInnen die Nutzung der Grünflächen rund um die Häuser zu ermöglichen – Blumen sind derzeit erlaub, Nutzpflanzen nicht.
Nun gilt es, die Impulse der Wachstumsphase mitzunehmen. Die 120-150 BesucherInnen, die sich nun an den beiden Tagen in der Tabakfabrik eingefunden haben, werden ihre Ideen hoffentlich bald umsetzten können. Entlang der Banane, dem langen Bau 1 der Tabakfabrik in der Ludlgasse, soll auf einem 3m breiten Streifen im Frühling ein Gemeinschaftsgarten entstehen.