MANU DELAGO: „Musik ist eine universelle Sprache“

Während andere österreichische Musiker sich nach Kräften bemühen, auf dieser oder jener Trendwelle mitzuschwimmen, verfolgt der Tiroler Manu Delago konsequent seit Jahren seinen eigenen Weg. Seinen Sound zu kategorisieren? Fast eine Unmöglichkeit.

Songstrukturen, die sich nicht sofort erschließen; die hat er. Daran liegt auch der Reiz des neuen Album „Bigger Than Home“. Zwei Jahre hat er daran gewerkelt – das Ergebnis kann sich hören lassen. Das Besondere: Manu Delago spielt das junge Schweizer Instrument Hang (sieht aus wie ein Wok mit kleinen Einbuchtungen). Dem entlockt er die interessantesten Töne, die man sich vorstellen kann. Von seinem Ausnahmetalent war auch Björk so fasziniert, dass sie ihm gleich anbot, mir ihr zu musizieren und Konzerte zu spielen.

Im Interview mit subtext.at spricht er über Forschermentalität, Musik als Sprache und wie es sich anfühlt, eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Manu

subtext.at: Manuel, stört es dich, wenn ich deine Musik als bauchbetont bezeichne?
Manu Delago: Mit diesem Album war ich sehr lange unterwegs. Es gibt sicherlich Songs, wo die Idee und das Grundgerüst dazu schnell entstanden sind, aber bei der Produktion, bei den Feinheiten und der Endauswahl – das war dann schon eine lange Reise. Über zwei Jahre hat es gedauert, permanent und immer wieder dran arbeiten. Im Endeffekt war dann schon viel Feinschliff dabei.

subtext.at: Bist du generell Bauch- oder Kopfmensch, wenn du Entscheidungen triffst?
Manu Delago: Gute Frage. (überlegt lange) Im Grunde würde ich mich eher als Kopfmenschen bezeichnen. Ich kann aber Entscheidungen auch mal schnell treffen – wenn es denn sein muss. Das ist eigentlich ein Widerspruch (lacht).

subtext.at: Du sammelst Songs und Sounds, wie sie im Moment niemandem sonst einfallen. Hörst du das oft?
Manu Delago: In der Form höre ich das nicht oft, aber ich bin immer auf der Suche nach neuen Klängen und Sounds. Das ist mir viel wichtiger als gewisse Stilistiken wie Jazz, Pop, Elektronik oder Klassik. Es muss gut sein und relativ neu für mich klingen. Das Hang, was ich spiele, ist ein relativ junges Instrument und dafür sehr hilfreich, aber ich versuche auch außerhalb davon neue Klangwelten zu erschaffen.

subtext.at: Wusstest du, in welche Richtung du als Hangspieler gehen wirst, als du mit der Musik angefangen hast? Kann man sich da überhaupt festlegen?
Manu Delago: Ich präge mir ja keine Gesichter ein, vom dem her sind alle Stile offen. Selbst am Anfang, als ich das Instrument für mich entdeckt habe, quasi im Nichts, nur solistisch, habe ich angefangen, sehr leise und in kleinen Besetzungen zu spielen. Viel in einem Duo mit Christoph Pepe Auer, Living Room. Dann ist das immer mehr gewachsen und ich bin weiterhin dabei, Sachen auszuprobieren. Ich kann viele Dinge zum ersten Mal machen, ohne eine Last von Geschichte mitzuschleppen.

subtext.at: Dein neues Album „Bigger Than Home“ wirkt durch die Geschlossenheit wie von einer irrealen, traumhaften Atmosphäre durchzogen.
Manu Delago: Weil es ein langer Prozess war, sind viele Stücke zusammengekommen. Ich denke, es waren zwanzig Songs für dieses Album. Das beste haben wir dann verwendet und zusammengefasst. Es war auch wichtig, dass es einen roten Faden bildet und trotzdem vielseitig und abwechslungsreich sein soll.

subtext.at: Das ist gelungen.
Manu Delago: (lacht) Ich finde auch, dass es sehr gut gelungen ist. Ich habe schon viele CDs veröffentlicht und viele davon sehr schnell, wie eine Liveaufnahme von einem Konzert. Zwei Tage im Studio und dann der Mix, fertig. Bei diesem Album… Ich war noch nie so glücklich danach wie bei „Bigger Than Home“. Das sage ich jetzt nicht einfach, um das Album zu promoten, sondern das ist wirklich meine Meinung.

subtext.at: Glaubst du, dass deine Musik Beschäftigung erfordert?
Manu Delago: (überlegt) Ich glaube, dass beides funktioniert. Es gibt sicher viele Details zu entdecken, wenn man sich Zeit nehmen will. Es ist aber auch ein Album, dass man einfach anhören kann. Bei „einfacher“ Musik passiert es ja oft, dass sie im Hintergrund läuft. Es bleibt dem Hörer überlassen.

subtext.at: Du spielst ein sehr ausgefallenes, neues Instrument. Hast du auch eine ausgeprägte Forschermentalität?
Manu Delago: Glaube ich schon, ja. Ich bin auf jeden Fall interessiert an neuen Dingen. (überlegt) Es gibt ein Zitat von Johnny Cash, wo er gesagt hat, dass seine Lieblingsmusik die ist, die er noch nie gehört hat. Es geht mir ähnlich. Ich suche einfach neue Dinge, ist ganz oft so.

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subtext.at: E. T. A. Hoffman hat einmal gesagt: „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.“
Manu Delago: Wenn man reist und mit anderen Musikern weltweit in einer Gemeinschaft spielen kann, auch wenn man vielleicht nicht dieselbe Sprache spricht. (überlegt) Heuer arbeite ich viel in französischsprachigen Ländern, wobei mein Französisch nicht besonders gut ist. Musik ist eine universelle Sprache.

subtext.at: Siehst du dich in einer Vorreiterrolle und wenn ja, wie befreit man sich von dieser Last?
Manu Delago: Es hat auf jeden Fall Vor- und Nachteile, ein neues Instrument zu spielen. In gewisser Weise bin ich bestimmt ein Vorreiter, was das Hang betrifft. Das ist schon interessant, wenn man nachher verfolgen kann im Internet, dass man kopiert wird. Man sieht immer mehr Imitate. Es ist aber auch ein Antrieb, weil man sich immer wieder etwas Neues überlegen muss. Ich kenne die normale Situation als Schlagzeuger, dass ich ein Instrument spiele und es Helden der Geschichte gibt, von denen man lernen kann. Man kann sich ständig nach oben orientieren. Beim Hang kommt mein Antrieb quasi von der anderen Seite. Es gibt Leute, die das spielen und imitieren, und ich muss es selber erweitern. Ich kann leider nicht von anderen, großen Hangspielern der Geschichte lernen, sondern von anderen Instrumentalisten. Irgendwie kann man das umsetzen und für das Hang übernehmen.

subtext.at: Gleich und gleich gesellt sich gern – trifft das auf dich und Björk zu?
Manu Delago: Das ist ein ziemliches Kompliment an mich (lacht). Sie ist natürlich eine Heldin und ich war schon immer ein Fan von ihrer Musik. Es war ganz witzig, weil mein Manager damals gesagt hat, die Björk würde voll auf das stehen. Sie hat mein Video gesehen und dann plötzlich ist von ihr eine E-Mail gekommen. Sie hat geschrieben, dass sie mir mir arbeiten will. Das war wirklich cool und es ist sehr inspirierend. Gleich und gleich würde ich jetzt nicht sagen. Meinen Namen im gleichen Atemzug mit ihrem Namen zu erwähnen, ich weiß nicht, sie ist halt eine eine Legende.

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subtext.at: Dein Lieblingsalbum von ihr?
Manu Delago: „Homogenic“ ist mein Lieblingsalbum. Zu dem habe ich auch einen nostalgischen Bezug. Zu neuem Album, zu „Biophilia“, habe ich einen anderen Bezug, weil ich direkt involviert war. Irgendwie ist es intensiver und gleichzeitig nüchterner. „Homogenic“ hat mehr einen nostalgischen, emotionalen Teenager-Bezug.

subtext.at: Bitte vervollständige diesen Satz: „Der magischste Moment während der Albumaufnahmen war für mich der, als…“
Manu Delago: (überlegt sehr lange) Der Moment, wo die ersten Mixe von Produzent Matt Robertson gekommen sind. Ich habe mich um die Kompositionen und Instrumente gekümmert, habe es aber nicht geschafft, den Klang des Albums so warm hinzubekommen. Matt Robertson hat das dann auf ein ganz anderes Level geführt.

subtext.at: Vervollständige bitte auch diese Aussage: „ Eine Sache, die mich beim Kreativsein immer stark beeinflusst, ist…“
Manu Delago: (überlegt) Tote Zeit. In Warteschlangen stehen, auf den Bus warten, auf die U-Bahn warten, solche Dinge. Die meisten Ideen kommen mir da in den Sinn. Ich versuche mich zum Beispiel nicht, mit Handyspielen oder so etwas abzulenken, weil mich das wiederum von anderen Ideen ablenken würde. Ich bin lieber nur da, warte und schaue durch die Gegend. Da kommt ganz viel daher. In London hat man zum Beispiel in der U-Bahn noch keinen Handyempfang und ist irgendwie abgeschottet. Für mich ist diese „Tote Zeit“, wie ich sie nenne, sehr wichtig für Ideen. Mental arbeite ich auch dann, wenn ich eigentlich nicht arbeite. Abschalten ist schweirig für mich (lacht).

Live am 23.04. in Graz (Orpheum), am 24.04. in Klagenfurt (Raj), am 25.04. in Wien (Sargfabrik), am 26.04. in Salzburg (ARGE), am 27.04. in Lambach (Rossstall), am 28.04. in Innsbruck (Treibhaus) & am 01.05. in Dorbirn (Spielboden)!

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