Im Bann des Geldes: Eine Anleitung zur Überwindung des Kapitalismus
Markus Pühringer zeigt in seinem Buch nicht nur, wie die kapitalistische Wirtschaftsweise funktioniert, sondern auch, wie sie sich – unter anderem historisch – verbreitet(e) und auf sämtliche Lebensbereiche auswirkt. Nach der Thematisierung aktueller Wirtschaftskrisen werden Vorschläge gemacht, wie die Werte in der Warenwelt oder die des Geldes beschränkt werden könnten. So habe man eine Chance, den Kapitalismus zu überwinden.
Pühringer (geboren 1970, Volkswirt, Gemeinderatsmitglied der Stadt Linz) erklärt, dass die Ökonomie auf zwei grundlegenden Annahmen beruht: Menschliches Verhalten sei rational erklärbar und Handeln vom Motiv der Wohlstandsmaximierung angetrieben. Die Meinung, dass ein hohes Einkommen zu Glück und Zufriedenheit führt, sei verbreitet. Genauso, dass Geld Einbußen in nicht-ökonomischen Bereichen ausgleichen könne (Schmerzensgeld, etc.).
Geld betrachtet Pühringer nicht als reines Tausch-und Zahlungsmittel, er spricht von einem Kommunikationsmittel: Geld liefere Informationen (wird in unserer Gesellschaft nicht als einfaches Metallstück angesehen), das Gegenüber soll es als Mitteilung verstehen und Handlungen setzen. Diese können die Bereitstellung von Waren oder die Ausführung von Dienstleistungen sein. Ob die Kommunikation geglückt ist oder nicht, ist an der Reaktion des/der jeweils Anderen erkennbar.
Für die Kommunikation durch Geld ist es nicht notwendig, dass die Personen miteinander in Kontakt treten oder sich gar persönlich kennen. Das war im geschichtlichen Kontext anders: Der direkte Tausch war im Binnenhandel vorherrschend, während der Fernhandel von Geld dominiert wurde.
Im Spätmittelalter kam es zu einer Ausdehnung der Geldmenge (Münzen tauchten erstmals 700 vor Christus auf), die Veränderungen in den Bereichen Arbeit, Zeit, aber auch Werten und der Wahrnehmung, mit sich brachte. In vorkapitalistischen Gesellschaften wurde vorwiegend nach dem Rhythmus der Natur gearbeitet (Tageslicht, …), eine Unterteilung in jeweils 12 Stunden Morgen-und Abenddämmerung hatte bis ins 14 Jahrhundert den Effekt, dass die Länge einer Stunde je nach der Jahreszeit variierte. Mittlerweile haben sich die Arbeitszeiten entgrenzt (ständige Erreichbarkeit,…), der kapitalistische Imperativ wirkt in die Freizeit hinein(Erholung der Arbeitskraft, Ausdehnung der Kaufwelten,…). Es ist – mit Bezug auf Marx – von einer Entfremdung die Rede, das betreffe das Produkt der Arbeit, die Arbeitsteilung, die Produktionssphäre, soziale Beziehungen und schließlich die Entfremdung von der eigenen Person.
Diese Hintergründe wirken auf den ersten Blick vielleicht sehr theoretisch, sie verlangen aber weder wirtschaftliches Vorwissen (Begriffe werden erklärt), noch sind sie ausschließlich auf die Ökonomie anwendbar (Entfremdung auch Eingang in der Psychologie, Soziologie usw.). In der Praxis sieht das etwa folgendermaßen aus: Modernes Geld erschwert die Bildung sozialer Beziehungen. Nachdem diese aber für ein gutes Arbeitsklima wichtig sind und das Betriebsergebnis wiederum vom Arbeitsklima abhängt, instrumentalisieren Unternehmen soziale Beziehungen (durch Weihnachtsfeiern, Betriebsausflüge, etc.).
Historisch einzigartig am Kapitalismus ist laut Pühringer nun, dass die endlose Kapitalakkumulation Priorität genießt. Kapital definiert der Autor als Gegenstände und Leistungen mit Tauschwert, letzterer hat eine stärkere Rolle im Vergleich zur Selbstversorgung bekommen. Geld wird als Grundbaustein im Kapitalismus betrachtet und stark im Zusammenhang mit dem Zins reflektiert: Dieser besteht aus einer Versicherungsprämie (angepasst an das Risiko, dass ein Kredit nicht mehr zurückgezahlt werden kann), dem Vermittlungsentgelt (z.B. durch Banken, bei denen die natürliche Konkurrenz für einen nicht allzu hohen Preis sorgen soll), der Liquiditätsprämie (von Vorteil, wenn Geld jederzeit zur Verfügung steht, eine Überlassung wäre also ohne Aufpreis wirtschaftlich nicht rational) und der Risikoprämie (um vollen Erwartungswert des Kapitalwachstums zu erhalten). Als ethisch bedenklich stuft Markus Pühringer dabei die Risiko- und die Liquiditätsprämie ein, weil damit keine Gegenleistung verbunden sei.
Neu ist der Zins nicht, so führte die katholische Kirche bereits 1139 ein Zinsverbot (trotz den eigenen Geldgeschäften mit dem Ablasshandel) ein, sei der Zins doch Diebstahl an Gottes Eigentum. Nicht-Christ/inn/en hatten dennoch die Möglichkeit, mit Christ/inn/en Geldgeschäfte abzuwickeln und dafür Zinsen zu verlangen.
Wer reich ist, erhielt und erhält demnach eine Prämie. Man könnte das Wirtschaftsystem nun so verändern, dass leistungsloses Einkommen nicht automatisch den Geldbesitzenden zugutekommt. Eine Vermögensbestandsteuer habe laut Pühringer den Vorteil, dass sie eine Umverteilung mit sich bringt: Der Staat könnte auf andere Einnahmen verzichten oder die Steuer in ein Grundeinkommen verwandeln. Bei 5 % wären das € 7.700 pro Person und Jahr. An dieser Stelle sei angemerkt, dass das definierte Existenzminimum allerdings über diesem Betrag liegt.
Durch ein Grundeinkommen sinke einerseits der Anreiz zu Raub oder Übervorteilung, andererseits gehe aber genauso der Anreiz, über vermehrte Arbeit Reserven zu bilden, zurück. Der administrative Aufwand- etwa das Berechnen für die Bemessungsgrundlage der Steuer-wäre hoch.
Pühringer schlägt daher in weiterer Folge die Einhebung einer Geldsteuer, welche die Reichtumsprämie nicht übertreffen soll, durch kleinere Communities vor, die richtige Größe dieser werde sich erst herausstellen und könne im Nachhinein angepasst werden (zu groß: hohe Gefahr von Missbrauch, demokratische Teilhabe schwierig; zu klein: Geld hat kaum Wirkung als Kommunikationsmittel).
Ebenfalls erwähnt werden Komplementärwährungen. Diese durchbrechen laut Pühringer jedoch nicht die grundsätzliche Dynamik Geld-Ware-(noch mehr)Geld und werden tendenziell von Personen verwendet, welche das Wirtschafssystem kritisieren und die Regionalwirtschaft stärken wollen. Interessant könnten Komplementärwährungen bei einer Krise des konventionellen Geldes werden.
Des Weiteren sieht Pühringer Möglichkeiten, den Kapitalismus einzudämmen, in einer Offenlegungspflicht von Vermögen- hier wäre es am zielführendsten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen- und der Einführung von Steuern in allen Regionen, um Kapitalflucht zu vermeiden. Geld soll nicht komplett abgeschafft werden, die Lösung liege in der Reduzierung und Veränderung der Bedeutung. Entscheidungen verlangen kein striktes Entweder-oder, vielmehr eine Bestimmung des Ausmaßes, wie viel Zeit jede/r Einzelne in die Vermehrung von Wohlstand, in soziale Beziehungen etc. investieren möchte.
„Im Bann des Geldes. Eine Anleitung zur Überwindung des Kapitalismus“ ist eine Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus in seinen verschiedensten Aspekten. Zusammenhänge werden deutlich: Interessant sei etwa alles, das knapp ist und dadurch entstehe Rivalität: „Wenn es so ist, dass mein Glück vom Konsum von knappen Gütern abhängt, ist jeder andere potenziell eine Gefährdung für mein Glücksniveau“. Hinter der Wohlstandsmehrung steht somit ein Konkurrenzprinzip und dieses wiederum würde meiner eigenen Interpretation nach zur Entfremdung in sozialen Beziehungen beitragen. Die historischen Hintergründe tragen ihren Teil zum Verständnis der kapitalistischen Entwicklung bei. Der Autor geht auf bereits bestehende Kapitalismuskritik, die eher auf Verteilung als auf die Art der Produktion abziele, ein und nennt gleich vorweg Einwände, die Gegner/inn/en seiner Ideen zur Überwindung des aktuellen Wirtschaftssystems haben könnten.
Die behandelten Aspekte des Autors sind nicht fremd, anschaulich ist vor allem die Herangehensweise. Manchmal wird sehr weit ausgeholt, selbst die Psychotherapie hat Eingang in dieses Buch gefunden.
„Im Bann des Geldes. Eine Anleitung zur Überwindung des Kapitalismus“ ist im Planet Verlag erschienen und umfasst 377 Seiten.