EDITORS: Wieder dunkler

Alles wieder beim Alten: Auf „In Dream“ tappen die Editors erneut im Dunklen. Auf erprobten Terrain fühlt sich das Quintett sichtlich pudelwohl. Eine geschmackvolle, kühl und warm zugleich inszenierte Hülle haben sie gewebt, um sie nun ins rechte Synthie-Licht zu rücken. Der Blick der Engländer auf die Welt ist gewohnt finster. Profan gesagt: Basically sad.

Dass die Editors privat keine Trauerklöße und Mauerblümchen sind, wurde im subtext-Interview bereits von der Band selbst bestätigt. Für eine Welt, in der die Dämmerung nie früh genug einsetzen kann, scheint ihre Musik trotzdem wie geschaffen. Das Cover von Fotograf Rahi Rezvani, eine Hommage an „Heroes“ von David Bowie, lässt es bereits erahnen: Die Vorliebe für düstere Tönungen ist geblieben.

Nach „The Weight Of Your Love“ und der dazugehörigen Tour war der Drang da, raus ins Grüne zu gehen, an die frische Luft, die Landschaften von Schottland sollten es letztlich sein. Herausgekommen ist interessanterweise ein Album, dass eher Urbanisten und Stadtbewohnern zusagen wird als Folk-Puristen. Unbeirrt und traumwandlerisch schreiten die Editors weiter, in einer Hand die Fackel von Depeche Mode für pulsierenden Electro-Pop tragend, die nie erlöschen soll. An den New Romantics haben die Editors scheinbar auch einen Narren gefressen.

„In Dream“ kündet nicht von neuem Aufbruch, sondern von Festigung. Es nimmt den Faden von „In This Light And On This Evening“ wieder auf und vermengt die Songs mit dem Variantenreichtum von „The Weight Of Your Love“. Das atmosphärische Kolorit kommt im Opener „No Harm“ bereits zum Tragen: Die reduzierten und pluckernden Arrangements inszenieren sich als hypnotische Einheit. „I’ll boil easier than you, crush my bones into glue, I’m a go-getter“, singt Tom Smith bedeutungsschwer, zwischen Bariton und Falsett pendelnd, und beschreibt das Gefühl, wenn der Kopf nach gedankenschweren Tagen zu explodieren droht. Die Texte, wortgewandt wie wortgewaltig. Wenn anschließend sein samtiges Organ durch das elegische „Ocean Of Night“ dahin schwebt, um immer mehr Klangfacetten erweitert wird, die Drums einsetzen, das Klavier klimpert, die Melodie sich erhebt – Coldplay-Freunde dürfen hier aufhorchen. Die Stimme von Smith, die im Zusammenwirken mit der Melancholie und den Melodien immer zu sagen scheint „Seht her, ich trage die gesamte Last der Welt auf mir“, tragen das Übrige dazu bei, sich „In Dream“ einzuverleiben. Die attraktive, neuerdings bewusst zur Schau gestellte Coolness, wird im Video zu „Life Is A Fear“ bestens vorgeführt – auch wenn der Titel etwas anderes suggeriert.

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Mal stampft „In Dream“ industrialhaft und schwer, dann pflegt die Platte verhaltenen Optimismus („Forgiveness) wie ein zartes Pflänzchen. Ferner achtet sie penibel darauf, dem Hörer Raum für eine eigene Bilderflut zu lassen. Ein Gespür für eine gute Dramaturgie ist derweil stets gegeben – das bombastische „Salvation“ könnte glatt aus Ridley Scotts‘ „Gladiator“ stammen.

Die Diskographie der Editors ist mittlerweile beeindruckend: Kein einziger Ausfall seit ihrem Debüt „The Back Room“, welches vor genau zehn Jahren erschienen ist. Wo früher zackiger Post-Punk an der Tagesordnung stand, ist es jetzt die Atmosphäre eines Songs, die mit verschiedensten Mitteln zum Leben erwacht wird. Profan gesprochen: „In Dream“ ist ein hervorragendes Werk in Folge. Wer kann ihnen das nachmachen?

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Foto: RAHIR EZVANI

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