WANDA: Bussi!

Einen leicht fahlen Beigeschmack hat es schon – das Zweitwerk der Wiener Schnapsdrosseln, wirkt doch dessen Veröffentlichung nur ein Jahr nach dem Durchbruchs-Feuerwerk „Amore“ wie ein Cashgrab ihres nunmehrigen Majorlabels. Jeder will am Megahype seinen Anteil verdienen, macht natürlich Sinn. Doch wer den Fehler macht, „Bussi“ (das zur Veröffentlichung des Vorgängers bereits zum einem Großteil fertig war) als bloße Ausschussware abzustempeln wird sich wundern. Denn die Band um Sänger Marco Michael Wanda beweist darauf erneut, dass sie es perfekt verstehen, genial simple Popsongs zu schreiben. Der Drahtseilakt zwischen exzentrischem Rock ‚N‘ Roll-Gehabe und Schlager, Säufer-Romantik und Breitenwirkung gelingt dabei ein ums andere Mal ausgesprochen gut.

Wer die Band im letzten Jahr mal live erleben durfte, dem dürften die ersten beiden Songs des Albums bereits ein Begriff sein. Sowohl „1, 2, 3, 4“ als auch „Meine Beiden Schwestern“ finden sich nämlich bereits seit längerem in der Setlist wieder. Erstgenanntes schrammt mit seinem Kinderlied-artigem Refrain beim ersten Hören noch recht knapp an der Grenze zur Peinlichkeit vorbei. Denkt man darüber nach was Wanda damit erreichen wollen, nämlich große Hallen füllen und in Mitsing-Ekstase versetzen, dann macht das durchaus Sinn und funktioniert. Zweiteres ist der Überhit der Platte, der mir seit dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf gehen mag. Die Erfolgszutaten der Band bleiben  unverändert: Ein paar simple Gitarren-Akkorde, der Bass groovt dahin und animiert zum Mitschunkeln, das Solo repliziert die Gesangsmelodie und der Frontmann mit der aufgekratzten Stimme lässt den emotional aufgeladenen Rock ‚N‘ Roll-Halodri raus. Wenn ein bis dato unveröffentlichter Song bereits jede Halle zum inbrünstigen Mitgrölen animieren kann, dann brauche ich hier an dieser Stelle wohl auch kein weiteres Wort mehr über dessen Qualität zu verlieren.

Die erste Singleauskopplung „Bussi“ und das zugehörige Musikvideo sorgten ja bereits für einigen Gesprächsstoff. Wanda sahen sich mit Vorwürfen von Sexismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert, nachdem die Feminismuskritikerin Ronja von Rönne engagiert wurde, um sich vor Marco Michael Wanda auf dem Bett zu räkeln. Interviews wie dieses hier mit den Kollegen von The Gap verschärften den Gegenwind, der den Austropop-Senkrechtstartern in letzter Zeit (vorallem in den sozialen Netzwerken) entgegenbläst zusätzlich. Ob an den Vorwürfen etwas dran ist wage ich nicht zu beurteilen, aber ich möchte behaupten dass von manchen gerne mehr in diese Band reininterpretiert wird als es gut ist. Bei Bologna haben wir ja auch nicht alle „Inzest!“ geschrien und mit dem Finger gezeigt. Also, zurück zur Musik: der Song setzt sich auf charmante Wanda-Art und Weise im Gehörgang fest und zeichnet mit funky Gitarren und 70er-Rock Keyboardsolo auch musikalisch neue Konturen der Band.

„Lieber Dann Als Wann“ glänzt mit augenzwinkernder Selbstironie und integriert als nächste marginale Neuerung zarte Bläser in den Sound. „Gib Mir Alles“ beginnt wieder mit Funk-Gitarre, legt vorm Refrain den eleganten Umschwung zur Streicherballade hin und kommt damit dann auch noch ungestraft davon. „Nimm Sie Wenn Du’s Brauchst“ und „Alarm!“ sorgen dafür, dass die Hitdichte ähnlich stark ausgeprägt ist wie auf dem Debüt und werden wohl absolute Live-Kracher werden. Wobei zweitgenanntes in die selber Kerbe wie der Eröffnungssong schlägt. Übrigens: Sollte mich in zwei Monaten jemand nach dem schönsten Songtitel des Jahres fragen könnte die Antwort darauf nur „Mona Lisa Der Lobau“ lauten. Der Song selber bildet aber eine der wenigen Schwachstellen im Fluss des Albums. Wie gut, dass in „Das Wär Schön“ musikalisch, wie auch wörtlich wieder ein Sonnenstrahl zum Fenster reinkommt. Für wahre Freude sorgt auch der Falco-esque Part in der Strophe. Mit „Sterne“ werde ich hingegen nicht so wirklich warm. Das ist dann nämlich doch zu viel des Guten – die volle Schlager-Breitseite sozusagen. Nach 7 G’Spritzten lässt sich das live aber auch bestimmt irgendwie aushalten. Die Wiedergutmachung folgt aber gleich wieder im nächsten Song, dem wunderbaren „Andi Und Die Spanischen Frauen“. „Andi, du brauchst an Schmäh“ und „Ich sauf so viel wie du in einem Jahr an einem Tag“ heißt es da so ungeniert wie charmant.

Hier ein Amore, da ein Bologna und ganz viele Bussis – man bleibt sich treu und setzt auf bewährte Strukturen. Aus Thomas wird Andi, der Sound wird weiter verfeinert und erweitert. Es ist schön, dass Pop, wie der von Wanda auch mal anrüchig sein darf und die eine oder andere Textzeile für hochgezogene Augenbrauen sorgt – wär ja fad sonst. Die treu ergebenen Fanscharen werden Wanda zurecht wieder aus der Hand fressen, auch wenn der Hype-Train irgendwann mal ins Stocken geraten wird. Aber warten wir’s ab, angeblich soll Album Nr. 3 auch schon wieder fertig geschrieben sein.

 

wanda-bussi-cover

Tracklist

01. 1, 2, 3, 4
02. Meine Beiden Schwestern
03. Bussi Baby
04. Lieber Dann Als Wann
05. Gib Mir Alles
06. Nimm Sie Wenn Du’s Brauchst
07. Alarm!
08. Mona Lisa Der Lobau

09. Das Wär Schön
10. Sterne
11. Andi Und Die Spanischen Frauen
12. Kein Herz Im Hirn

VÖ: 02.10.2015, via Universal

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.