DEPECHE MODE: Finger am Abzug

Neue Synthie-Hymnen braucht das Land und Depeche Mode haben wieder ein Dutzend parat. Nostalgiker klatschen sich in die Hände und reiben sich die Ohren. Martin Gore, Dave Gahan und Andy Fletcher haben ihre Finger in relevanten Wunden, setzen sich eher düster mit der Realität auseinander und verknüpfen einzelne Entgleisungen zu einem Schreckenspanorama 2.0. Musik, die den Zeitgeist im Auge hat und sich vom Schmutz des Lebens und aktuellen autokratischen Geschehnissen rund um den Globus reinwäscht. Der Konkurrenz ist man damit um eine Plektrumlänge vorraus.

Weltschmerz mit dem Megaphon. Songtexte wie Faustschläge in den Magen. Zwielichtige Beats und zischende Keyboards. Triste Blues-Oden. Die Seelenschau des Trios muss sich auch auf Platte Nummer 14 nicht in der Dunkelheit verstecken. Es gibt wieder Songs über den Sprung und den Fall in die Tiefe, über Abgründe, wie sie nur gestandene Leute zu Papier bringen. Die düstere Atmosphäre, das sexuell Aufgeladene, ist weiterhin zu verorten. Von warm bis kühl, von relaxt bist rastlos, gibt sich „Spirit“ sämtlichen Stimmungen hin.

Der fantastisch geratene Opener „Going Backwards“ etwa, der sich erst mal warmschunkelt, bevor er sich mit kleinen aber selbstbewussten Schritten in einen trotzigen Marsch verwandelt. Der Opener des Albums stellt resigniert fest, in welchen Sackgassen wir uns, politisch wie gesellschaftlich, befinden. Mit jedem Ton von „Going Backwards“ spuckt die Band einem so vieles entgegen, was ihr den sagenumwobenen Ruf eingebrockt hat. Die eher sperrige Vorabsingle „Where’s The Revolution“ fügt der Thematik noch etwas Polemik hinzu. Die persönlichen Dämonen, Lüste und Schattenseiten werden im angriffslustigen „Scum“ oder im Verführungs- und Versuchungslied „You Move“ obsessiv abgehandelt.

Die Legende ist eine hinterlistige Kreatur, doch die Synthiepop-Band aller Synthiepop-Bands hat den Glauben an sich verstärkt. „Spirit“ überzeugt als abwechslungsreiche Einheit. Depeche Mode hatten schon immer ein Faible und ein gutes Händchen dafür, die Meute zum Tanzen zu bringen und gleichzeitig mit einer gewissen Klangästhethik und provokanten Inhalten zu fordern. Auf ihrem vierzehnten Album klingt das Trio aus dem britischen Essex wie zu ihren besten Zeiten und doch, wegen des politisch gefärbten Untertons, ganz im Hier und Jetzt verankert. Dass man Stellung beziehen kann, wenn man längst Arenen und Stadien füllt, beweisen Depeche Mode mit dieser Platte.

Tracklist:
1. Going Backwards
2. Where’s the Revolution
3. The Worst Crime
4. Scum
5. You Move
6. Cover Me
7. Eternal
8. Poison Heart
9. So Much Love
10. Poorman
11. No More (This Is the Last Time)
12. Fail

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Foto: Anton Corbijn

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