ALBERT HAMMOND JR.: „Meine Vergangenheit hat mich dazu verleitet, ein Alter Ego zu erschaffen“
Albert Hammond Jr. sucht nach Abenteuern im Alltäglichen. Der 38-Jährige, der zusammen mit Julian Casablancas, Nick Valensi, Nikolai Fraiture und Fabrizio Moretti als The Strokes 2001 das Garage-Rock-Revival angestoßen hat, geht seit geraumer Zeit als Solokünstler seinen Weg. Den Erfolg des inzwischen zum Klassiker avancierten Albums „Is This It“ konnte Hammond sowohl mit Band als auch solo nie wieder erreichen, doch in kreativer Hinsicht ist die Spielfreude vielfältiger und größer als je zuvor.
„Francis Trouble“ nennt sich die aktuelle Platte, die eine besondere Hintergrundgeschichte inne hat. Mehr dazu im Interview unten. Ein Gespräch über Ruhm, Zufälle, David Bowie und Phil Collins.
subtext.at: Albert, glaubst du an Zufälle?
(schweigt und denkt sichtlich nach)
subtext.at: Passiert alles aus einem bestimmten Grund?
Albert Hammond Jr.: Ich weiß es nicht. (überlegt) Ich glaube, es herrscht eine gewisse Energie um Dinge, um uns herum. Es gab einige verrückte Sachen in meinem Leben, die mir widerfahren sind. Ob ich sie jetzt als Zufälle ansehe? Ich kann es wirklich nicht sagen. Warum fragst du?
subtext.at: Vor zwei Tagen habe ich „Double Lover“ von Regisseur François Ozon gesehen. Kennst du den Film?
Albert Hammond Jr.: Nein. Wovon handelt er?
subtext.at: Grob gesagt greift der Film das Motiv vom guten Zwilling/bösen Zwilling auf. Die Handlung umfasst auch die Fehlgeburt von Zwillingen. Als ich mich anschließend auf dieses Interview mit dir vorbereitet habe, las ich die Hintergrundgeschichte zu deinem aktuellen Album „Frances Trouble“. Du hattest auch einen Zwilling, der früh tot geboren wurde. Zufall?
Albert Hammond Jr.: Das ist ziemlich abgefahren!
subtext.at: Ich hätte nie gedacht, mich in so kurzer Zeit gleich zweimal mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Albert Hammond Jr.: Wow. Wie heißt der Film noch einmal, „Double Lover“? Den muss ich mir anschauen.
subtext.at: Kannst du dich an ein Ereignis erinnern, welches überraschend und ohne offensichtliche Erklärung stattgefunden hat?
Albert Hammond Jr.: Als ich mich dazu entschlossen habe, Los Angeles zu verlassen, um aufs College in New York zu gehen. Das war verrückt, ich bin genau gegenüber von Julian eingezogen, wo er gearbeitet hat zum damaligen Zeitpunkt. Nach wenigen Wochen sind wir dann zusammengezogen. Ich bin dann eines Tages in einen Laden gegangen, um meine Gitarre reparieren zu lassen. Die meinten dann, es würde drei Monate dauern (lacht). Kannst du dir das vorstellen? Ich bin dann die Straße entlang und ein Typ hat mich auf die Gitarre angesprochen. Er meinte, er verkauft speziell angefertigte Saiten für genau diese Gitarre. Wenn diese Story mir jetzt passieren würde, wäre ich wohl eher skeptisch und würde mich fragen, wer dieser Typ da eigentlich ist (lacht).
subtext.at: Verständlich, wenn du mich fragst.
Albert Hammond Jr.: Damals war das noch nicht so und er hat mich dann in sein Apartment ins East Village eingeladen. Die dortigen Seitengassen waren dunkel und waren mir etwas unheimlich, aber was sollte ich anders tun? Immerhin hatte dieser Typen die benötigen Saiten für meine Gitarre. Ich ließ mich also auf alles ein. Durch ihn lernte ich dann Richie und seinen Laden kennen, der genau das hatte, was ich mir vorgestellt habe. Ich fragte dort nach einem Gitarrenlehrer und kam so schließlich zu J. P. Bowersock, der mir alles beibrachte und für die Strokes, was die ersten beiden Platten angeht, und Julian eine Art Mentor wurde. In dem von Richie habe ich Gitarren gekauft, die ich heute weiterhin benutze. Diese Dinge sind alle so unmittelbar passiert. Geht man in New York nur lang genug die Straßen rauf und runter, passieren unglaubliche Dinge. So just keep walking (lächelt).
subtext.at: Bleiben wir beim Titel. Welche Art von Unruhestifter bist du?
Albert Hammond Jr.: Bin ich gar nicht. Ich habe meine dunklen Seiten, aber die Leute, die mich gut kennen, würden mich wohl nicht als Unruhestifter bezeichnen. Was nicht heißt, dass ich mich nicht in der Nähe von Unruhestiftern aufgehalten hätte (lacht). Was den Titel angeht, hätte die Platte erst nur „Trouble“ heißen sollen, doch mir kam eher eine Art Name in den Sinn. (überlegt lange) Jemand im 17. Jahrhundert hätte so heißen können. Das Artwork hätte ursprünglich auch nach Barock aussehen sollen. Es ist lustig, wohin die Kreativität dich manchmal hinführt, denn jetzt könnte ich mir dieses Artwork für dieses Album gar nicht mehr vorstellen. Vielleicht bei Vol.2, denn Vol.1 hat mehr diesen Comic-Typus in sich. Das passt einfach.
subtext.at: Du hast also schon Pläne für eine Fortsetzung.
Albert Hammond Jr.: Ich habe nichts Konkretes fertig, aber es gibt Pläne und Ideen dazu, ja. Manchmal fängst du mit etwas an und du hast keine Ahnung, wie es enden wird, wie das Resultat aussehen wird. Schwierig ist stets der Anfang. Wenn du nicht beginnst, dann gibt es kein Resultat. Ich versuche stets aus Spaß an der Sache, Dinge auszuprobieren. Neue Songideen mit der Band zu spielen, Cover zu spielen, nur aus Spaß. Wie gesagt, man weiß nicht, zu was dich diese Ideen und Skizzen mal verleiten werden.
subtext.at: Werde wir konkreter. Was wolltest du mit „Frances Trouble“ denn für dich persönlich erreichen?
Albert Hammond Jr.: Ich bin mit der Absicht an die Platte herangegangen, große Arenen zu füllen und die Songs dort vorzutragen.
subtext.at: Das ist mutig.
Albert Hammond Jr.: Ich wollte die Songs auf großen Bühnen stattfinden lassen. (überlegt) Ich wollte, dass die Leute es lieben. Ich wollte eine Atmosphäre kreieren, die aus dem Bauch heraus stattfindet und live unmittelbar auf die Leute übergeht. Die Leute sollten vergessen, wo sie sich gerade befinden. Spaß haben, den unmittelbaren Augenblick erleben, den Moment genießen. Das war mein Ziel, dieses Gefühl hervorzubringen.
subtext.at: War es denn für dich hilfreich, dabei in der Vergangenheit zu wühlen?
Albert Hammond Jr.: Das war eine Art Werkzeug für mich. (überlegt kurz) Wenn du kreativ bist, kommen verschiedene Mittel zum Einsatz. Meine Vergangenheit hat mich dazu verleitet, ein Alter Ego zu erschaffen. Francis Trouble ist sozusagen eine Figur, die ich einnehme. (überlegt) Je älter du wirst, umso mehr bildest du diese Wände um dich herum, um deine Unsicherheiten im Zaum zu halten. Ich wollte mir dabei einen Spaß erlauben, sozusagen auf meine eigene Kappe. Comedy ist stets ein Mittel, um sich mit Dingen auseinanderzusetzen – so ernst sie auch sein mögen. Es ist nie der Fall, dass man sich da einfach hinsetzt und es fließt ein Song aus dir heraus, der sich beispielsweise mit deiner Abneigung zur aktuellen Weltpolitik auseinandersetzt. Oder mit dem Kapitalismus. Mit der Frustration, die sich dadurch ergibt. Man könnte denken, es wäre so leicht, diese Dinge mittels Musik zu vermitteln, aber da möchte ich dann schon mehr ins Detail gehen und mich verstärkt damit auseinandersetzten, bevor ich sie in der Musik verankere.
subtext.at: Ein Weg, mit solchen Familiengeschichten fertig zu werden, besteht darin, sie einfach unter den Teppich zu kehren und sie zu ignorieren, anstatt sich mit ihnen direkt auseinanderzusetzen. Du gehörst wohl nicht zu dieser Sorte.
Albert Hammond Jr.: Unglücklicherweise nicht (lacht). Ich habe dem Alkohol abgeschworen und bin Andrew Park begegnet, einem Psychotherapeuten, der für mich die Rolle eines Mentors eingenommen und sich zu einer Art Vaterfigur für mich entwickelt hat. Ich musste Dinge einsehen, obwohl es war mehr eine freie Entscheidung von mir. Selbst wenn du neue Dinge in Angriff nimmst, gibt es Sachen, die du konstant herauszufinden versuchst, Dinge nicht hören zu wollen. Du findest Wege, Sachen vorzugaukeln, die gar nichts mit dir zu tun haben. Es ist nicht so, als hättest du deine Hausaufgaben gemacht und dann war’s das. Es ist ein kontinuierlicher Prozess. (überlegt) Ich habe Vergangenheitsbewältigung betrieben, so schmerzhaft es auch war (lacht). Es gibt Dinge, die sich irgendwo in deinem Kopf einnisten und ihr Unwesen treiben. Irgendwann kommen sie dann an die Oberfläche. Meine Vergangenheit hat dazu beigetragen, mich auf kreativer Ebene austoben zu können. Für mich ist das in Ordnung.
subtext.at: Ist dein musikalisches Schaffen demnach eine Art Möglichkeit, dich der Welt mitzuteilen?
Albert Hammond Jr.: (überlegt lange) Sicher. Wenn man sich ins Musikmachen verliebt, dann definiert das, wie du die Welt um dich herum siehst und wie du dich ausdrückst. Das ist es aber nicht allein. Es sind 1000 Schritte, die man bewältige muss, bis man soweit ist. Außerdem gibt es nicht nur diese eine Möglichkeit, diesen Weg, diesen Einfluss. Es ist immer eine Sammlung all dieser Dinge. Oder eine Sammlung von Katastrophen, die dann dazu führt, etwas entstehen zu lassen. Es kommt alles drauf an, wie du diese Reise für dich interpretierst. Die größte Sache für mich ist, dass ich mit neuen Bands in Kontakt getreten bin, die man normalerweise mit 15 entdeckt. The Vipers oder die Misfits zum Beispiel. Diese Energie, die von diese Bands ausgegangen ist, wollte ich auch fabrizieren und mit den Leuten teilen. In dieser Hinsicht hat die Musik geholfen, diese Momente für mich einzufangen. Wenn ich fröhlich bin, wenn ich traurig bin. Das wird nie aufhören, glaube ich, weil man ständig neue Eindrücke sammelt. Wie bei Sisyphus und dem Stein (lacht).
subtext.at: Du hast vorhin gemeint, große Arenen bespielen zu wollen. Interessiert dich der Ruhm, der damit einhergeht?
Albert Hammond Jr.: Hat er mich jemals interessiert (lacht)?
subtext.at: Das frage ich dich.
Albert Hammond Jr.: Es kommt drauf an. Wenn man den Ruhm mit einem Popstar wie David Bowie in Verbindung bringt, dann interessiert er mich. Möchte ich wie David Bowie sein? Ja. Möchte ich ein Popstar im Sinne von Maroon 5 sein? Nein. Wobei ich die Jungs persönlich gut leiden kann, es soll jetzt keine Beleidigung sein. Jemand, der mir noch in den Sinn kommt, ist Phil Collins. Möchte ich wie Phil Collins sein, Erfolg als Solokünstler und mit meiner Band haben? Ja. Sehr sogar. Möchte ich im Radio stattfinden? Klar, wenn einer meiner Songs reinpasst. Ich weiß nicht, wie es hier ist, aber in den USA laufen im Radio immer die gleichen Songs. Am Ende geht die Kunst verloren, was einen Song überhaupt auszeichnet. Es hört sich alles so an, als könnten Cheerleader dazu tanzen (lacht). Mein Ziel war es immer, eine Option darzustellen. Pop muss nicht eintönig klingen. The Velvet Underground, die ich unendlich mag, waren auch Pop und klangen damals auch nicht wie alle anderen. Manchmal ist es gut, an etwas zu glauben, obwohl es unwirklich erscheinen mag. Was bleibt einem auch anderes übrig (lächelt)?
subtext.at: Bist du gut darin, die Kontrolle abzugeben und Dingen ihren Lauf zu lassen?
Albert Hammond Jr.: Ich halte es da wie Bob Dylan. Wenn ich etwas sehe, was als eine von meinen Schwächen angesehen werden könnte, dann werde ich natürlich versuchen, mich zu verbessern. Oder ich sage mir, es ist ein Teil von mir, eine Rolle, und belasse es dann dabei, gehe zum nächsten Punkt über. Als ich für die Killers in Denver eröffnet habe, war das solch ein Moment, wo ich die Kontrolle abgegeben habe und komplett ich selbst war. Irgendwann ist man einfach selbstbewusst genug, um loszulassen. Natürlich gibt es da Aufs und Abs. Und es ist nicht so, als würde man sich nicht darum scheren, ob die Performance gut ist oder nicht. Es passt nur einfach alles in dem Moment.
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Foto: Jason McDonald