Knochenfabrik: endlich auch in Linz
Lange, lange, seehr lange hatte es gedauert – bis die 90er-Deutschpunk-Vertreter von Knochenfabrik ihren Weg in die Stahlstadt Linz fanden. Dementsprechend groß auch der Andrang am vergangenen Freitag in der Linzer Stadtwerkstatt. Gemeinsam mit drei heimischen Acts wurde dann auch dementsprechend abgefeiert – mit Zeckennapalm, Leberzerroze und Missstand hatte sich nämlich passender Support eingefunden.
„Rien ne va plus“ – nichts geht mehr. Zumindest darum, wenn es darum gang, Tickets für das Spektakel in der Linzer Stadtwerkstatt zu bekommen. Rappelvoll, bereits im Vorverkauf – und die Meute war durstig, so viel darf man schon mal verraten. Auch lobenswert: die Pünktlichkeit. Denn bereits um kurz nach 20 Uhr durfte Band #1, Zeckennapalm, den Saal betreten, fand den schon bummvoll vor, und tat, was sie können. Deutschpunk spielen. Unter dem Motto „Ich will nicht arbeiten gehen“ wurden die ersten Biere aus der Bar, deren Kühlschrank an diesem Abend Schwerstarbeit verrichten musste, in den Saal geschleppt, sogleich geleert, und erste Pogos gestartet. Respekt – ob der Uhrzeit sicher eine Leistung, die man nicht allzu oft sieht.
Weiter gings sogleich mit einer Band, deren Name Programm ist: Leberzerroze. Die bunte Truppe aus Wiener Neustadt charaktarisiert sich selber unter dem Motto „rotziger Deutschpunk“ – seit 2013 stehen sie ebenfalls für „Arbeit ist Scheiße“, gegen Faschos, und gegen Nazis. Das Umfeld? Übte sich ebenso wieder in Bier-von-der-Bar-in-den-Saal-schleppen und Pogo-Abenteuern. Der Verfall bei den ersten hatte hier schon mal angefangen – und ganz ehrlich, würde man jeden Tag auf ein solches Deutschpunk-Konzert gehen, würde das Bier wohl ebenso gut schmecken, das Parenchym der Leber aber dann mittelfristig doch ein bisserl verändert aussehen. Musikalisch sind Leberzerroze jedenfalls für Fans des Genres einen Abstecher wert.
Mit Missstand hatte sich auch noch Local Support #3 auf der Bühne eingefunden. Das Trio war uns bereits vor neun Monaten am SBÄM Fest #2 positiv aufgefallen. Als „Rohen, ungeschliffenen Punk“ bezeichneten wir sie damals – geändert hat sich dankenswerterweise wenig. Die Platte „I Can’t Relax In Hinterland“ können wir auch noch immer empfehlen. Das Publikum? Immer noch genauso ekstatisch wie vorher, immer noch genauso motiviert wie vorher, einige im Status des Verfalls schon etwas fortgeschritten. Also eigentlich eh so, wie man sich ein Punkkonzert vorstellt.
Gekommen waren die Leute dann aber schon wegen Knochenfabrik. Kein Wunder, Claus (auch als Chefdenker zu empfehlen!), Hasan und Achim doch als eine der einflussreichsten Deutschpunk-Bands der 90er Jahre. „Influencer“ würde man heute wohl sagen – aber nicht mit Youtube-Channel, Patreon-Subscriptions und dergleichen, sondern mit Inhalten. Ab 1994 aktiv, ab 1998 inaktiv, 2008 wieder vereint, ab und an auch auf der Bühne zu sehen. Bierseligkeit im Publikum, ein Gatsch aus Schweiß, Bier und Glassplittern am Stadtwerkstatt-Boden, Pogos – Knochenfabrik ziehen ein spezielles Publikum (und nein, das ist nicht abwertend gemeint ;)!) an, und wissen, wie man es sehr gut unterhalten kann. Auch wenn die geschriebene Setlist ob der Feuchtigkeit im Konzertsaal schon nach einigen Songs w.o. geben musste – Tracks wie „Ernährungspyramiden“ (die in dem Fall an diesem Abend wohl fast ausschließlich aus fermentiertem Kalthopfentee bestand) machen aber auch so noch Spaß. Es wirkt fast wie ein Ausflug in die Vergangenheit, auf einem Knochenfabrik-Konzert zu stehen. Keine Smartphones im Publikum, Emotionen, Pogos, Bier – kurzum so, wie man sich ein Konzert eigentlich vorstellt. Auch wenn der „Filmriss“ dann am Schluss nicht nur musikalisch, sondern auch konditionell bei einem Gutteil der Besucher erreicht war. Ein Konzert, das eine Band auf die Bühne brachte, die sich mittlerweile doch rar gemacht hat. Ein Konzert nicht nur, aber vor allem für Deutschpunk-Fans, von dem man dann doch noch einige Zeit sprechen wird!
Foto: Christoph Thorwartl