Foto: Christoph Leeb

Marco Pogo: „Ein Augenzwinkern ist immer wichtig“

Er ist Politiker, Autor, Musiker, Bierbrauer, Arzt und noch vieles mehr – Marco Pogo hat sich in den letzten Jahren in vielen Feldern einen Namen gemacht.

Mit „Gschichtn“ ist er auch erstmals im Bücherregal vertreten – wir haben ihn im Rahmen seiner Lesung bei den lieben Leuten von SBÄM zum Interview gebeten.

subtext.at: Auf deinem Twitterprofil steht zu lesen, dass du „Freizeitarzt“ bist. Warum hat man als Arzt in Zeiten einer Pandemie noch so viel Freizeit?
Marco Pogo: Das steht erst seit gestern dort – vorher stand dort, dass ich das „Enfant Terrible“ der österreichischen Politik sei. Sagt zumindest die Kronen Zeitung. Das musste ich mal aktualisieren – ich bin insofern Freizeitarzt, als ich dem „Vorwurf“ als Arzt zu arbeiten, ein bisschen entgegenzuwirken versuche. Ich mache das ja nur sehr selten – und oft steht in den Medien, ich sei ein praktizierender Arzt. Das bin ich aber nicht und hier musste einen Gegenpol finden – deswegen der „Freizeitarzt“ (lacht).

subtext.at: Aktuell bist du eben nicht als Arzt, sondern als Autor unterwegs und präsentierst „Gschichtn“. Ein Buch, das das künstlerische Schaffen rund um Marco Pogo und Turbobier abbildet. Unabhängig von deinen anderen Betätigungsfeldern – warum erschienen die „Gschichtn“ gerade jetzt?
Marco Pogo: Gschichtln kommen natürlich immer wieder neue dazu – deswegen nehme ich an, dass es nach den „Gschichtn“ noch Nachfolge-Gschichtn geben wird, es passieren ja auch jeden Tag neue. Die Intention dahinter war tatsächlich, es schnell niederzuschreiben, bevor ich die ganzen Geschichten wieder vergesse. Das ist ehrlich so, weil es fast wie bei einem guten Witz ist, der nach einem halben Jahr wieder weg aus dem Kopf ist. Da war es echt gut, einige dieser Geschichten gleich niederzuschreiben. Es gibt ja auch das Kapitel der Entstehungsgeschichte der Bierpartei, die ich für mich selbst runtergeschrieben habe, weil mich gefühlt 400 Leute pro Woche nach dieser Story fragen. Jetzt kann ich denen endlich sagen, dass sie mein Buch kaufen sollen (lacht).

subtext.at: Wie schaffst du es hier eigentlich, die Diskrepanz zwischen dem Sänger, Politiker und Autor Marco Pogo so für dein Schaffen hinzukriegen, damit „Gschichtn“ nicht als „Sideproject“ des Sängers und Politikers zu wirken beginnt?
Marco Pogo: Die Frage hier ist ja eher, ob das Side Project des Politikers Marco Pogo der Gesang ist, oder das Buch das Side Project des Sängers, oder ob das Side Project des Autors der Vertrieb seiner eigenen Biermarke ist. Es greift alles ineinander und ist natürlich oft auch schwierig zu trennen. Ich merke das auch in der öffentlichen Wahrnehmung, dass das mitunter schwierig ist, weil es für die Leute schwer greifbar ist, was Marco Pogo eigentlich alles macht. Für mich ist es manchmal noch relativ klar, was ich mache, manchmal überraschen mich aber auch Dinge, mit denen ich mich längere Zeit nicht mehr beschäftigt habe. Etwa jetzt, wo es wieder Konzerte gegeben hat und ich wieder mal Gitarre spielen und das auch proben musste. Das war in Pandemiezeiten schon relativ weit weg, weil ich nur politische Dinge gemacht habe, bis jetzt wieder etwa auch die Musik dazugekommen ist. Das kann schon schnell mal ein bisschen überfordern – aber das Spannende daran ist auch, dass es niemals fad wird. Wenn man im Leben immer nur das Gleiche macht, wird das relativ rasch relativ fad. Da bin ich froh darüber, dass ich davor ziemlich gefeit bin, weil ich so viele Baustellen aufgegriffen habe. Die greifen aber auch alle irgendwo ineinander – da ist für mich jetzt nichts Unnötiges dabei, das ergibt für mich voll Sinn. Ich bin froh, das alles machen zu können – das steht alles für ein eigenes Projekt und nicht für einen „Sänger, der schreibt“ oder einen „Politiker, der singt“.

subtext.at: Du bist als Bezirksrat in deinem Heimatbezirk Simmering als Abgeordneter der Bierpartei ja auch realpolitisch tätig. Oft wirst du auch als „Spaßpolitiker“ bezeichnet – glaubst du, dass der Spagat zwischen Ironie und Realpolitik für dich auf Dauer schaffbar ist?
Marco Pogo: Ich glaube, das funktioniert sehr gut, dass man auch von einer humoristischen Herangehensweise startend sinnvolle Dinge politisch machen kann. Es muss nicht alles immer extrem ernst sein – da bietet es sich manchmal auch an, einen Witz zu reißen, die reale Welt ist eh hart genug. Das mache ich politisch auch, versuche aber schon auch, die neugewonnene politische Energie dazu zu nützen, sinnvolle Dinge zu machen. Sonst wäre mir das schon etwas zu flach, ehrlich gesagt. Dass die Presse beispielsweise so etwas schreibt, ist ihnen eh gleich um die Ohren geflogen, als Leute aufgezählt haben, dass wir als gewählte Partei sehrwohl Anträge einbringen und politisch auch real arbeiten. Das als Spaßpolitik abzutun, ist schon sehr einfach gedacht – wenn man sich das „Phänomen Bierpartei“ nicht erklären kann. Das wundert mich aber nicht, wenn man versucht, mich als „Spaßpolitiker“ abzutun, gerade wenn man von der Gesinnung aus für all das steht, für das ich nicht stehe. Das ist ein netter Versuch aus solchen Kreisen – alle anderen verwenden dieses Wort eh nicht mehr.

Marco Pogo in einer seiner Rollen: als Turbobier-Frontmann (Foto: Christoph Leeb)

subtext.at: Kann man dein Schaffen also als „Ironie mit Anspruch“ zusammenfassen?
Marco Pogo:
Ich glaube, dass ein gewisses Augenzwinkern immer wichtig ist, egal was man macht. Eine humoristische Metaebene ist für mich künstlerisch immer auch ein doppelter Boden, auf den man quasi zurücksteigen kann. Da kann man sich mehr aus dem Fenster lehnen, weil man weiß, dass diese zusätzliche Ebene des Humors dich etwas freier agieren lässt. Die, die es checken wollen, checken es eh, weil sie wissen, was ich sagen möchte, manche versuchen es halt auch gar nicht, zu verstehen. Aber ein doppelter Boden, wo eine Ebene eben Humor ist, macht für mich die kreative Arbeit leichter. So funktioniere ich als Mensch und Künstler – wenn etwas als Witz verpackt ist, ist es leichter verdaulich. Ich will nicht sagen, dass deswegen Kunst immer humoristisch sein muss – etwa in der Musik. Auch bei Turbobier gibt es Songs, die nicht humoristisch sind. Es spiegelt mein Wesen gewissermaßen wieder – immer einen „depperten“ Spruch auf den Lippen und einen lustigen Bierwitz dazu. Das finde ich selber auch lustig.

subtext.at: Stichwort „lustig“ – hin zu etwas ernsteren Themen. Du bist mit Experten wie Dr. Wenisch bei Corinna Milborn zu Gast und erklärst SchülerInnen in einem Polytechnikum die Impfung. Also durchaus ernsthafte Themen – der Spagat zwischen künstlerischer Figur und diesen ernsthaften Themen ist sicher ein sehr schwieriger. Wie gehst du an diese verschiedenen Situationen heran?
M
arco Pogo: Das ist natürlich immer spannend, weil die Leute, die ich treffe, sei es beim Fernsehen oder in der Schule, oft nicht wissen, in welcher „Rolle“ ich mich da präsentiere. Ich überrasche gerne mit durchdachten Aussagen – lasse mir aber immer die Tür offen, mich in das Humoristische zurückziehen zu können. Im Polytechnikum habe ich es schlicht und einfach wichtig gefunden, hier aufzuklären. Weil es sonst niemand gemacht hat – dass muss man auch mal klar sagen. Die Schüler in diesen Polys sind die, die im nächsten Jahr 2G, 3G, oder welchen G-Regeln auch immer unterliegen werden – und da geht sonst keiner hin und beantwortet deren Fragen. Die Lehrer sind bemüht, sagen aber auch, dass es etwas komplett anderes ist, wenn ich das mache und aufkläre. Das war auch ein großartiges Event, die Schüler waren interessiert und stellten Fragen – aber es ärgert mich schon, dass ich das machen muss. Ich mache es gern, aber es ist nicht als meine Aufgabe.

subtext.at: Du siehst dich also nicht unbedingt als Role Model, wie es bei Musikern und Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, oft der Fall ist?
Marco Pogo:
Die Rolle nehme ich schon gerne ein, vielleicht auch ein bisschen gezwungenermaßen, wenn ich mich bei einem Thema positioniere, das derart umstritten ist. Da wirst du automatisch für manche Leute ein Vorbild, für manche ein Feindbild. Gerade bei derart aufgeladenen Themen wie dem Impfen. Im konkreten Fall gehe ich aber nicht hin, weil ich mich als Vorbild fühle, sondern weil ich ganz einfach glaube, dass diesen Schülern jemand das erklären muss. Wenn derjenige ich sein muss, dann mach es halt ich. Eher ärgert mich, dass solche Veranstaltungen notwendig sind – weil 20 Monate lang sonst niemand dort war. Deswegen gehe ich da hin, nicht weil ich mich gut fühlen möchte, sondern weil sich die Leute dort besser verstanden fühlen sollen.

subtext.at: Du hast gerade das Wort „Feindbild“ erwähnt. Wie viel Antipathie schlägt dir selbst eigentlich in letzter Zeit entgegen, gerade weil du dich so positioniert hast?
Marco Pogo:
Parteipolitisch keine – da wussten alle, wo ich stehe und was ich mache. Auch im Hinblick auf Parteien und Politiker, deren Werte ich nicht teile – da habe ich ja immer schon auf allen Kanälen gegen die ausgeteilt. Das war relativ klar – das Thema Impfung war aber eine komplett neue Dimension, gerade weil eben dieses Thema so aufgeladen ist wie kein anderes. Man sieht es ja auch im ganz Kleinen, wenn sich etwa der Nachbar als Impfgegner outet. Da wird’s dann relativ schnell schwierig – weil im Moment geht es halt nur um dieses eine Thema. In zehn Jahren wird das wurscht sein – aber jetzt dominiert es. Wenn sich jemand wie ich dann etwa für das Impfen stark macht, dann kann man sich vorstellen, was da entgegenkommt. Man muss schon dazusagen, dass das aber schon wenige Leute sind, in absoluten Zahlen gesehen. Auf 1000 Leute, die dir sagen, dass es leiwand ist, dass du dich so positioniert hast, kommt vielleicht eine Handvoll Leute, die dir ins Gesicht sagen, dass sie ihre Konzertkarte verbrannt haben. Aber aus der Sicht des Mediziners – und der bin ich halt schon auch – leuchtet mir die Meinung halt einfach nicht ein, nicht für das Impfen einzutreten. Dass es ein paar Leute gibt, die enttäuscht sind, weil sie, sagen wirs mal diplomatisch, militante Corona-Kritiker sind, das muss man in Kauf nehmen. Ich bin auch beschimpft worden als Möchtegern-Mengele, Auschwitz-Doktor, Giftspritzen-Mörder und dergleichen – aber ich habe gewusst, dass das passieren wird, und ich bin derart gefestigt, dass mir das ehrlich gesagt sehr wurscht ist.

Ein Bild aus „normaleren“ Zeiten: in den ersten Reihen eines Turbobier-Konzertes (Foto: Christoph Leeb)

subtext.at: Ein anderes Thema – du hast vorher die Metaebene des Humors angesprochen. Jetzt hast du quasi die nächste Metaebene erklommen und in Deutschland einen Ableger der Bierpartei gegründet. Etwas provokant: ist dein Humor in Österreich derart gefestigt, dass du die neue Herausforderung Deutschland suchst?
Marco Pogo:
Naja, es hat sich herauskristallisiert, dass Österreicher in deutscher Politik immer schon ein Erfolgsmodell waren. Auf diesen Zug wollte ich aufspringen (lacht). Ich habe damit dem Volkswillen entsprochen – der Zuspruch ist eben da. Turbobier und alles, was ich mache, ist zumindest in Bayern und Baden-Würtemmberg ähnlich groß wie hier in Österreich. Ich wollte den Leuten, die mich seit Jahren nerven, wann denn endlich auch in Deutschland eine Bierpartei existiet, einfach mal ein „Steckerl“ zuwerfen. Dass dann gleich der Spiegel kommt und die Gründung in Berlin begleitet, steht natürlich auf einem anderen Blatt (lacht).

subtext.at: Zurück zu deinem Buch „Gschichtn“. Bei einer Lesung ist das Publikum im Vergleich zu einem Konzert oder einem politischen Happening doch ein anderes – wie gehst du mit diesen unterschiedlichen Happenings um, und wie schaffst du es, die Rolle des Autors von der des Sängers und des Politikers trennen zu können?
Marco Pogo:
Das ist tatsächlich das Schwierigste daran – weil alles immer noch ich bin. Man könnte sagen, dass ich jemand anderes wäre, wenn ich im Anzug eine Rede halte oder ich mit der Sonnenbrille und Kutte auf einem Konzert einen Circle Pit anstachle, und wieder ein Anderer, wenn ich eine Lesung halte – aber natürlich vermischt sich alles ein bisschen. Das Publikum speist sich aber auch sicher aus diesen drei Gruppen – Turbobier-Fans, Bierpartei-Fans, Leute, die mich erst mit Buch kennen gelernt haben. Das ist auch das Spannende, wenn das Publikum keine homogene Masse ist, sondern hier auch Leute aus verschiedenen Richtungen zusammenfinden können, dann finde ich das ehrlich gesagt super. Ich selber bin aber sicher der gleiche und trinke danach mit den Leuten ein oder mehrere Bier an der Bar. Durchs Reden kommen die Leute zusammen.

subtext.at: Deine Lieblingsgeschichte in diesem Buch?
Marco Pogo:
Als internationaler Spitzenpolitiker, wie ich ja auch einer bin, habe ich natürlich viele Begegnungen gehabt mit anderen Spitzenpolitikern und habe das im Kapitel „Michl, Werner und Marco“ zusammengefasst. Aus dem lese ich sehr gerne – weil ich dazu auch so schöne Bilder im Kopf habe.

subtext.at: Michl, Werner und Marco – wer ist der trinkfesteste von euch drei?
Marco Pogo:
Was ich gehört habe, ist der Michl mittlerweile vom Gas gestiegen, aber zu seiner Hochzeit war er sicher fitt, erm, fetter als ich.

Mit „Gschichtn“ veröffentlicht Marco Pogo sein erstes Buch

Marco Pogo: Gschichtn
136 Seiten, gebundene Ausgaben
Seifert Verlag
ISBN: 978-3904123495
www.marcopogo.at

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.