Rock im Dorf – Traumhaft schön im Kremstal

Endlich kann auch das Rock im Dorf wieder stattfinden. Am neuen Gelände in Kirchdorf konnten uns Bands wie My Ugly Clementine, Fiva, Granada, Anger und auch die Heckspoilers überzeugen.

Nach zwei Jahre Pause ist es endlich wieder so weit und wir dürfen voller Freude das Rock im Dorf auf dem neuen Gelände in Kirchdorf betreten. Die Vorfreude war schon riesengroß. Wir dürfen nun das Festival bereits über mehrere Jahre lang begleiten und wurden auch heuer nicht enttäuscht. Die Herzlichkeit an den Bars, Kassa oder das mit ganz viel Liebe dekorierte Areal lässt uns auch heuer unser Herz höher schlagen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass wir uns gerade auf kleineren Festivals, welche auch Green Events sind, sehr wohlfühlen.

Freitag

Baits

Nach dem uns die Baits coronabedingt für unseren letzten Acoustic-Qlash dieses Jahr im Musikpavillion ausgefallen sind (ihr Auftritt wird übrigens fix nachgeholt, wir halten euch auf dem Laufenden!) sehen wie sie nun hier in Kirchdorf zum ersten Mal (zumindest ich). Die etlichen Vorschusslorbeeren, die ich über sie bereits von mehrern Seiten gehört habe, konnte die vierköfige wiener Grungeformation vollständig einlösen. Songs wie „Bring Your Friends“ oder „Liberate Me“ bergen höchste Ohrwurmgefahr. Die einzigen beiden Wehrmutstropfen bei ihren Auftritt – durch den frühen Slot war die Menge an Lauscher:innen noch etwas überschaubar und knapp dreißig Minuten Set sind dann doch etwas kurz. Für beides können sie nichts und so gilt – gerne wieder und unbedingt länger!

Oska

Bei traumhaften Wetter eröffnete Oska den ersten Tag auf der großen Mainstage – und wie sie diese Bühne eröffnete. Die 25-jährige Waldviertlerin lieferte mit ihrem ruhigen, aber umso einfühlsameren Indie einen traumhaften Start ab. Mal ruhiger, mal im Falle von „Woodstock“ oder „Mona Lisa, a girl’s best friend“ tanzbar, stets auf den Punkt. Man merkte der jungen Dame einfach auch ihre Freude an diesem Auftritt, dieser Kulisse und dem Publikum an und diese Freude schwappte über. Da wurde sogar ein bisschen getanzt. Alles in allem ein wunderbarer Auftritt, einen besseren und auch von der Stimmung her perfekter gewählten Auftakt in diesen wunderschönen ersten Festivaltag gibt es nicht, gerne wieder!



Leftovers

Weiter ging es dann auf der kleinen Containerbühne, stylisch, muss man sagen. Es ging in der härteren Gangart, die die Baits zuvor vorgegeben haben, weiter, Leftovers standen auf der Bühne. Die junge Punk-Band konnte unsere Kollegin bereits vor zwei Monaten in Wien im Flex überzeugen und das konnten sie hier durchaus auch. Mit unglaublicher Energie, besonders Gittarist und Bassistin sind hier zu erfühlen, versuchten sie die Bühne abzureißen. Das ging so mehr oder weniger gut, so richtig wollte die Stimmung nicht überkochen. Vielleicht kam auch die Mischung aus Punk und Grunge nicht komplett beim Kirchdorfer Publikum an. Man kann aber der Band dahingehend keine Vorwürfe machen, denn musikalisch können wir da wenig aussetzen, das war solide auch wenn zum absoluten Tageshighlight doch etwas fehlt. Eine Sache möchte aber dieser Autor noch ansprechen. Muss das mit dem Shirtausziehen wirklich sein?



Bibiza

Nach harmonischem Indie von Oska geht’s auf der Hauptbühne weiter mit einem in der Szene sehr bekannten, jungen Wiener: BIBIZA sprengt alle Genregrenzen und begeistert das Publikum mit einer Mischung aus Deutsch-Rap, Indie und Hip Hop Trap/Boom Bap. Den musikalischen Background dieser Show bilden vier talentierte Musiker am Bass, Schlagzeug, E-Gitarre und Keyboard. Um das Bühnenbild zu komplettieren, wird das Backdrop gleich genutzt als Ankündigung: „Bibiza Album Wiener Schickeria kommt irgendwann“. „Opernring Blues“ zum Beispiel wird uns bereits vor dem offiziellen Release präsentiert, und hat durchaus Ohrwurm-Potential. Es wird gefeiert und getanzt, gleichzeitig bringt Bibiza sein Publikum zum Niederknien – und wieder aufspringen. Während der gesamten Show gelingt es dem Rapper, seine Fans mitzureißen und er sorgt für eine tolle Stimmung.




YUGO

Nach zwei Jahren Pause kehrte der gebürtige Nordmazedonier mit einem neuen Album im Gepäck und neuen Künstlernamen (formerly known as „Jugo Ürdens“) zurück ins Scheinwerferlicht. Bereits unter seinem Alter Ego galt er als wichtiger Impulsgeber für den deutschsprachigen Rap – insbesondere für den österreichischen. Passend zur Region startet er sein Set mit einem Bilderbuch-Cover, bevor es losgeht mit Songs aus seinem neuen Album. Mit seinem 2018 erschienen Debütalbum „Yugo“ schafft er es sofort zu überregionaler Benkanntheit, die es nun gilt zu beweisen. Mit Songs wie „Babylon“ oder „GL+3“ wäre dies dem Glatzkopf aus dem 15. auch zu vergönnen.



My Ugly Clementine

Nachdem Kem (auch bekannt als Kerosin 95) die Band verlassen hat, waren wir besonders auf den Auftritt am Rock im Dorf gespannt. Jedoch trotz neuer Konstellation mit einem Substitut am Schlagzeug konnte und die Wiener Band überzeugen. Die Musiker*innen brachten mit Songs wie „Playground“ oder „Never be yours“ Festivalstimmung auf. Laut eigenem Statement auf Instagram, darf man nicht mehr allzu lange auf die neue Platte von My Ugly Clementine warten – wir sind auf jeden Fall schon sehr gespannt.



Anger

Besonders begeistert hat uns die letzte Band an dem Abend. Mit vollem Elan starteten sie ihr Set voll gepackt mit Klassikern wie „Miami“, „Baby“ oder „Sommer in Wien“. Die Band, bestehend aus den beiden Südtiroler*innen Julian Angerer und Nora Pider, hat sich 2017 gegründet. Mit ihrem Debütalbum „Heart/Break“ haben sie dann auch die letzten Indiefans überzeugt und so kam eines nach dem anderen und dem Duo wurde 2020 der Amadeus Music Award in die Hand gedrückt. Seitdem haben die beiden weitere Singles wie „Keiner Wach“ und „Highspeed“ releast. Um den italienischen Wurzeln treu zu bleiben, haben sie sich auch in Italo-Pop versucht und den eingängigen Song „Elba“ produziert. Songs, welche natürlich auf der Setlist für das Rock im Dorf nicht fehlen dürfen. Dass die Band eine ganz besondere Energie auf die Bühne bringt und während dem Konzert eine Bindung mit dem Publikum aufbaut, haben sie letzten Freitag wieder ganz klar bewiesen.



Für uns ging es dann wieder zurück nach Linz, aber man hörte, dass es beim Partyzelt noch die ein oder andere tanzbare Nummer gab.

Samstag

Den Vormittag des zweiten Festivaltages konnte man entweder verwenden um wieder fit zu werden oder aber auch bei dem vielfälltigen Rahmenprogramm teilnehmen. Von Wagenrennen über Escape the Room bis hin zu Yoga war alles vertreten.

Bootskonzert Granada

Vorsichtshalber mit Regenjacke waren die glücklichen Gewinner des Bootskonzertes bereit auf das kleine am Wasser treibende Gefährt aufzusteigen, um Granada hautnah miterleben zu können. Nachdem Akkordeonspieler Alexander Christof das Publikum mit 90-er Hits aufgeheizt hatte, wurde wie durch Zufall mit „Spür die Sun“ die Sonne hervorgelockt. Nun stand der Party nichts mehr im Wege und statt „Palmen am Balkon“ gabs fette Lautsprecher am Boot. Man konnte Lukacz Custos live beim Improvisieren mit Sticks am Schirm beobachten und wurde am Ende des Konzertes belohnt mit einer Acousticversion von „Wien woat auf di“, wo sich Thomas Petritsch und Alexander Christof ins ~ 40-Personen Publikum mengten und für Gänsehautmoment sorgten. Zuhörende und Band waren sich einig – wir hätten gern noch weitere Runden im Klauser Stausee gedreht.

Bootskonzert Heckspoilers

Man füge zusammen: ein Boot auf einem Stausee, vierzig Feierwütige und die wohl unterschätzteste Hardcorepunkband Östereichs. Ergebnis – eines des besten Konzerte, denen ich je beiwohnen durfte. Auch weil wir Wetterglück hatten . Die beiden Einheimischen Hutterer und Zelko haben mit ihrem kürzlich erschienen neue Album, mit Songs wie „Profiliga“, „California“, „Elektrobike“ oder eben den gleichnamigen „Tokyo Drift“ nochmal ihr vor zwei Jahren erschienenes erstes Album übertroffen. Besonders hervorzuheben ist aber die Persiflage „Maurice“, der Drummer hört sich wirklich verblüffend ähnlich nach Bilderbuch-Frontman Maurice Ernst an. Das Set war leider schon etwas früher zu Ende als das Boot wieder angelegt war, wär schön gewesen, wenn auch noch die Zeit genutzt worden wäre. Wie es ich für ehrliche Fans gehört, durften wie ihnen noch beim Abbauen helfen.

The Golden blades

Musikalisch wurde das Festivalgelände von „The Golden Blades“ eröffnet. Die vierköpfige Band beschreibt sich selbst als eine Pop-Rockband, welche die Grenzen der Genres dorthin verschieben, wo sie am goldigsten klingen. Goldig präsentierten sie sich auf der Bühne mit Krone und Diadem.

Lamila

Für uns ist es besonders schön, neue Musiker*innen kennenzulernen, vor allem dann, wenn sie uns so vom Hocker hauen wie Lamila. Bei näheren Hinhören erkennt man auch den ein oder anderen vom Radio gespielten Song wie zum Beispiel „Dandelion Crown“ oder „Growing“ wieder. Sängerin Camilla und Gitarrist Alex schaffen eine ganz besondere Athomosphäre. Und wären wir nicht schon mitten in einem so malerischen Location gewesen, hätte uns die Wiener Indie-Folk Band zumindest gedanklich auch an einen poetischen Ort entführt.

Christl

Die Künstlerin betritt die Bühne und zwischen den Containern wirds still. Christl verschafft uns Gänsehaut, in dem Augenblick als sie zu singen beginnt. Sie begeistert das Publikum mit eigenen Soul/ Jazz/ Pop Stücken und wirkt genauso sympathisch wie ihr Künstlername Christl. Einst noch unsicher, ob überhaupt jemand zu ihren Shows kommt, hat sich Christl die Menge an Zuhörer*innen mehr als verdient. Ihr musikalischer Stil und ihre Klangfarbe erinnern vielleicht an die stimmliche Größe Adele, wobei Christl ihr ganz eigenes Element mitbringt. Die junge Sängerin übermittelt in ihren Songs bestimmte Werte und legt dabei ihre Emotionen auf den Tisch. Wir haben’s genossen, und freuen uns noch viel von ihr zu hören.



Gewürztraminer

Der mit einer 10-köpfigen Band wohl umfangreichste Act des Samstagabends bringt alle Rocker*innen im Dorf zum Tanzen: die Gewürztraminer liefern Nummer über Nummer ein glänzendes Gesamtpaket. Gitarren, Kontrabass, Schlagzeug, Tuba, Trompete, Posaune, Saxophon und Ziehharmonika: alles, was das musikalische Herz begehrt. Die Gypsy-Jazz-Truppe fragt nach Andis im Publikum, bringt die Leute zum Bussln, und zum Schwimmen Richtung Himmel. Auch die kleinen Gäst*innen feiern die Musik, und tanzen zu Songs wie „Sweet Sweet Gypsy Jazz“ oder „Zwefendi“. Ehrlich sind Sie sich bewusst, welcher Song es wohl eher nicht ins Radio schaffen würde, genauso wie die „Hausdetschn“ politisch kritisch gesehen werden könnte. Zum krönenden Abschluss bildet die Menge eine „Wall of Love“ und genießt die Stimmung bis zur letzten Sekunde.


Fiva

Der letzte Festivaltag näherte sich immer mehr dem Ende, jedoch nicht ohne Kracher, und was für einen! Nina Sonnenberg, alias Fiva, betrat die Bühne und lieferte in den nächsten 90 Minuten einen der besten Auftritte, wenn nicht den besten des Festivals ab. Unglaublich sympathisch, mit einem Lächeln im Gesicht verzauberte sie die hunderten Menschen vor der Bühne. Mit spielender Leichtigkeit lieferte sie sowohl auf das Rock im Dorf angepassten Freestyle, adaptiere teile ihrer Songs oder lieferte ihre Hits wie „Goldfisch“ ab. Das Publikum ging komplett mit und kam aus dem Tanzen und lautstarkem Mitsingen nicht mehr heraus. Man konnte bei der Energie von Fiva gar nicht anders. Das war ein in jeder Hinsicht grandioser, perfekter, einfach wunderbarer Auftritt der gerne noch Stunden hätte gehen können!



Lou Asril

Den Absolvent des Pop-BORGS in Linz kann man, denke ich, durchaus noch als einen lokalen Künstler einstufen. Der 22-jährige, der vor nun drei Jahren quasi aus dem Nichts kam uns sofort als Voract von Bilderbuch und Yung Hurn auf der Donaulände, sowie beim Amadeus performen durfte, ist bereits jetzt der vielleicht beste Soul und R&B-Musiker Österreichs. Mit Songs wie „Divine Goldmine“ und „Heaven“ konnte sich der – auch privat – sehr sympathische Musiker schnell einen Namen machen, auch wenn sein bisher immer noch einzig erschienenes Album „louasril“ nur sechs Songs umfasst, was dazu führt dass viele der vorgetragenen Songs noch nicht veröffentlicht wurden. Und weil das, wenn man seine Songs hört, nicht gleich selbstverständlich ist – ja, er ist live mindestens genau so gut! Gesanglich einfach ein Traum, verzückt er das gesamte Publikum. Auch bei der Kreativität des Outfits ließ er mit schwarzen overknee-Lackstiefeln nix aus.



Granada

Den Abschluss auf der Hauptbühne lieferten dann Granada ab, die schon ein Fixstarter auf heimischen Festivals sind und sie zeigten wiedermal wieso. Fast zwei Stunden dauerte ihr mit Hits gespicktes Set. Von „Ka Feia“, über „Ottakring“ bis hin zum fulminanten Abschluss mit „Pina Colada“. Man mag die Songs schon dutzende Male live gehört haben, es funktioniert einfach noch immer. Klar, vom Hocker gehaut wird man mittlerweile nicht mehr, der Wow-Effekt fehlt einfach, wenn man die Jungs zu oft live gesehen hat, aber es bleibt einfach sehr gut und solide. Das Publikum auch textlich sehr sicher und zum Tanzen motiviert, in diesem Sinne alles richtig gemacht. Gibt objektiv jetzt nichts was man kritisieren könnte. Ein ganz besonders und von vielen bei dem Tagesprogramm erhofftes Highlight gab es dann auch. Fiva kehrte noch einmal auf die Bühne zurück um gemeinsam mit Granada ihren gemeinsamen Song „Gönn dir“ zu spielen!



Heckspoiler

Den Abschluss auf der Hauptbühne machten die Lokalmatadoren von Heckspoiler. Nach dem wir bereits am Bootskonzert am Nachmittag in Klaus am Stausee uns ihr neues Album „Tokyo Drift“ zu Gemüte führen durften, war es uns zur späten Stunde von halb Eins in der Früh bereits ein zweites Mal ein Vergnügen die Beiden live zu hören. Wenig überraschend war ihr zweiter Auftritt an diesem Tag (oder eher schon der Tag darauf) genau so gut wie erster und ein gelungener Abschluss für ein erneut großartiges Rock im Dorf, wir freuen uns auf nöchste Jahr. Und Heckspoiler? Unbedingt wieder, man kann sie nicht oft genug sehen!



Regionalität und Kultur abseits des Mainstreams

Wir sagen Danke für so ein schönes Festival, es waren so viele schöne Momente, es konnte neue Musik entdeckt werden, alte musikalische Freunde auf den großen Bühnen gefeiert werden oder auf den Bootskonzerten ganz nah genossen werden. Das Konzept der Regionalität angefangen bei den Getränken über das Essen bis hin zu dem musikalischen Schmankerl wurde mit so viel bedacht fortgeführt und wir freuen uns schon sehr auch nächstes Jahr wieder ein Teil dieses wunderbaren Festivals zu sein.

Text: Raphael Magauer, Larissa Schöfl, Helene Lindenbauer, Andreas Wörister & Lisa Leeb

Fotos: Larissa Schöfl, Andreas Wörister & Lisa Leeb

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