The Tidal Sleep Cassiopeia Berlin
Foto: Andreas Wörister

The Tidal Sleep: zu Hause angekommen

So laut wie gewohnt verabschiedete sich die Post-Hardcore-Gruppe The Tidal Sleep in die musikalische Pension. Nicht ohne das mehr als zehnjährige Schaffen nochmals ausgiebig zu zelebrieren, wie am vergangenen Donnerstag in Berlin deutlich wurde.

Donnerstagabend, Berlin, Cassiopeia. Der ehrwürdige Club unweit der Warschauer Straße war ausverkauft, um The Tidal Sleep in den musikalischen Ruhestand zu begleiten. „About Leaving and Coming Home“ heißt dementsprechend auch die letzte EP, die das mittlerweile aus ganz Deutschland kommende Quintett in den Musikkosmos geworfen hat. Wehmütig auf der einen Seite, allerdings mit einem guten Gefühl auf der anderen Seite, nahmen nicht nur wir einen relativ weiten Anreiseweg in Kauf, um das Ganze würdig zu beenden.

Zuerst fällt auf: pünktlich sind sie, die Berliner Konzertveranstalter. Dementsprechend startete der Opener auch um halb Acht am Abend. Gift heißt der, stammt aus Leipzig, hat mit The Tidal Sleep-Basser Marc ein bekanntes Gesicht im Lineup und startete noch vor im Vergleich schütterer Kulisse. Der Sound? Noch neu, roh, und das ist durchaus positiv gemeint. Für den Noise-Fan einen Abstecher wert, und sollten wir mal in Leipzig über sie stolpern: count us in!

Viva BElgrado: einfach nur Wow!

Den offiziellen zweiten Support spielten dann Viva Belgrado. Und wie sie das taten! Die Post-Hardcore-Combo aus Cordoba, die ab und an Post-Rock und auch Dream-Pop-Elemente in ihr Schaffen einbaut, hat uns an diesem Abend vollends überzeugt. Selten haben wir eine derart harmonisch-eingespielte Combo in diesem Genre erlebt. Das dürfte auch der Rest des zu dieser Zeit bereits bummvollen Cassiopeia so gesehen haben. Auch wurde deutlich, warum es gerade Viva Belgrado waren, die The Tidal Sleep auf ihrer Abschiedstour begleiteten. Wegbereiter, Brüder im nicht nur musikalischen Geiste, und schön zu sehen, dass Musik nicht nur die Leute, sondern vor allem auch die Bands zusammenbringen kann. Oder, wie Marc später während des The Tidal Sleep-Gigs anmerkte: wenn es eine Band gibt, mit denen The Tidal Sleep ihre musikalischen Lichter ausblasen sollen, dann Viva Belgrado. Ein würdiges gemeinsames „Ending“, wenn man so möchte.

The tidal sleep: endgültiges Ende

Nun zum Headliner. Zugegeben, wir sind etwas sentimental, wenn es um The Tidal Sleep geht. Nicht erst seit einem großartigen Konzert damals in einem der geheimsten Geheimkeller der Stadt Linz sind wir zu Anhängern geworden. Nicht nur, weil ein Gutteil der Redakation das Genre in seinen musikalischen Adern fließen hat. Nein, es sind die Bands, die dann noch um das Quäntchen ehrlicher, geerdeter, aber deswegen musikalisch nicht weniger brachialer sind. The Tidal Sleep sind das, und Tracks wie das vorhin schon angesprochene „Endings“ und der Zum-Schluss-Abriss „Thrive and Wither“ sind nicht nur in unserer All-Time-Favourite-Playlist gelandet. Sichtlich Spaß hatte das Quintett auch, nochmals die Bühne, die zumindest für diesen Abend nochmals die Welt bedeutete, niederzureißen. Die 300 Anwesenden taten es ihnen gleich, und es wurde gefeiert, als ob es eh „nur“ der Release einer neuen Platte gewesen wäre. War es nicht – aber wenn man so mit einem „Bang“ die Bühne verlassen kann wie es The Tidal Sleep taten, dann kann man nur gratulieren. Danke für mehr als ein Jahrzehnt musikalische Begleitung, danke für das eine oder andere denkwürdige Konzert, und danke dafür, dass zumindest im Plattenregal ab und an ein Pflichtgriff weiterhin vorhanden ist. Macht es gut, Jungs!

Fotos: Andreas Wörister

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.