Ganymed Bridge im KHM Wien
Foto: Victoria Nazarova

Brückenschlag zwischen Kultur & Natur: Jacqueline Kornmüller über Ganymed Bridge

Mit ruhigem Gewissen lässt sich die GANYMED-Veranstaltungsreihe als eine kulturelle Institution bezeichnen, die nie still steht, sondern seit mehreren Jahren stets in Bewegung ist und das Wiener Publikum immer wieder aufs Neue überrascht. So auch jetzt mit GANYMED BRIDGE.

Zum ersten Mal wird neben dem Kunsthistorischen Museum auch das Naturhistorische Museum mit ins Boot geholt, um anregende Geschichten von Freiheit und Selbstverwirklichung, aber auch vom Tod und der Reinkarnation in einer Symbiose aus Schauspiel, Musik und Performance darzustellen.

Theoretikerin Donna Haraway fungiert bei der diesjährigen Inszenierung, GANYMED BRIDGE, als zentrale Inspirationsquelle. Sie plädiert in ihren Büchern dafür, den Begriff der Verwandtschaft viel weiter zu denken, um unseren Lebensraum, die Tiere und die Natur zu schützen. Wollen wir in Zukunft überleben, sei das die einzige Chance für uns als Spezies. Ein ausführliches Gespräch mit GANYMED-Regisseurin Jacqueline Kornmüller über Zukunftsvisionen, Besucherreaktionen und wie sich Aggression in Empathie gesellschaftlich umformen lässt.

Regisseurin Jacqueline Kornmüller
Regisseurin Jacqueline Kornmüller, Foto: Victoria Nazarova

subtext.at: Frau Kornmüller, während der Premiere von GANYMED BRIDGE kam mir Vergils lateinische Phrase „Tempus fugit“ in den Sinn.
Jaqueline Kornmüller: Die Zeit verrinnt. Das stimmt. In vielerlei Hinsicht.

subtext.at: Obwohl ich recht zügig durch die Museen gegangen bin, habe ich zwei Szenen komplett verpasst und zwei nur zum Teil gesehen. Ich hatte den Eindruck, dass es mehreren Besuchern so wie mir erging.
Jaqueline Kornmüller: Im Grunde genommen ist es so, dass wir bei einer Premiere einen unglaublichen Run auf das Projekt haben. Für uns war es eine besondere Premiere mit zwei Museen und obwohl ich darauf geachtet habe, dass nicht zu viele Leute kommen, haben sich dann noch ein paar VIPs angesagt oder Politiker. Das hat dann noch andere Gäste nach sich gezogen (lächelt). Es ist ja jetzt hier nicht ein Theater, wo es einen festen Sitzplatz gibt, sondern es ist ein Museum, in dem man herumläuft. Für mein Empfinden war es auch sehr voll. Diese Fülle hat uns natürlich auch ein bisschen verlangsamt. Normalerweise ist es richtig konzipiert. Wir spielen etwas
über zwei Stunden, wenn man alle Szenen zusammennimmt. Wir haben aber drei Stunden Zeit, um von einer Szene zur anderen zu kommen. Es ist auch Wartezeit dabei und eigentlich auch Zeit für ein Glas Wein (lächelt). Oder ein Glas Wasser, je nachdem. Im Grunde genommen sollte es sich ausgehen. Bei dieser Premiere gab es nur einen solchen Run darauf, dass sogar ich nicht alle Szenen gesehen (lacht).

subtext.at: Sie haben also selbst versucht, bei der Premiere den Überblick zu bewahren.
Jacqueline Kornmüller: Genau. Das Kunsthistorische Museum, das sind ja alte Hasen, die kennen sich schon irrsinnig gut aus und sind mit uns gewachsen in den zehn Jahren. Für das Naturhistorische Museum war es natürlich das erste Mal und eine große Herausforderung, die sie aber super gemeistert haben.

Ganymed Bridge im KHM Wien
© Victoria Nazarova

subtext.at: Gab noch andere Abgründe, die es zu überbrücken galt?
Jacqueline Kornmüller: Ich würde jetzt viele Menschen nicht als Abgrund bezeichnen, sondern als Chance (lacht). Nein, denn im Grunde, sie haben die Szenen ja selbst gesehen, waren die Künstler hochmotiviert. Es gibt ja bei uns eine sehr, sehr schöne Sitte. Die Künstler arbeiten ja normalerweise immer mit mir an diesen Szenen, aber sehen sich gegenseitig nie. Dann gibt es die Generalproben, in diesem Fall gab es drei, eine Hauptprobe hier, eine drüben und eine gemeinsame Generalprobe und da können sich die Künstler gegenseitig sehen. (überlegt kurz) Ich muss sagen, sie haben fast begeistert aufeinander reagiert (lächelt). Wir sind eigentlich auch mit einem super Gefühl in die Premiere gegangen und haben auch das Gefühl, dass etwas wahnsinnig Schönes passiert ist. So ging es uns.

subtext.at: Sind Sie bei jeder Vorführung dabei?
Jacqueline Kornmüller: Ja, bei jeder. Ich halt’s gar nicht aus (lacht)!

subtext.at: Ich dachte, dass Sie nach der Premiere nicht mehr bei jeder Vorstellung anwesend sind, weil die Dinge einfach wie von selbst laufen.
Jacqueline Kornmüller: Nein, nein, nein. Das nicht. Es rennt nicht wie von selbst, es ist ja auch ein riesiges Projekt. Es ist immer irgendwas. Das ist aber gar nicht der Grund. Natürlich ist es immer die gleiche Szene, die gespielt wird, aber die verändern sich auch stark. Diesmal spielen wir einen langen Zeitraum, von Mai bis Oktober. In einem halben Jahr verändert sich der Mensch und fängt an, denkt über andere Dinge nach. Das beeinflusst auch die Szenen. Es ist einfach schön zu sehen, wie dieses Projekt auch immer mehr reift. Im Oktober ist es dann auch schön, es wieder loszulassen.

Ganymed Bridge im KHM Wien
Foto: Victoria Nazarova

subtext.at: Nachdem der Premiere von GANYMED IN POWER ging der erste Lockdown in Österreich über die Bühne. Was haben sie aus dieser Zeit alles für sich mitnehmen können?
Jacqueline Kornmüller: Wir haben ja immer ungefähr ein Jahr, um uns darauf vorzubereiten. Diesmal haben wir uns ein bisschen mehr Zeit genommen, weil wir ziemlich bald auf diese Idee mit der Bridge gekommen sind. Wir wollten ja tatsächlich eine echte Brücke bauen. Eine leibhaftige, reale Brücke. 155m lang, 14,5m hoch und 3,6m breit, die von Café zu Café gegangen wäre. Wir sind da auch schon sehr, sehr weit gekommen in diesem Prozess. Alle Beteiligten, von Burghauptmannschaft bis Denkmalschutz, waren komplett begeistert von diesem Projekt, was mich sehr überrascht und gleichzeitig glücklich gemacht hat. Es ist aber dann sehr teuer geworden und letztlich durch die Kalkulationen ist dieses Projekt dann auch gescheitert. Wir hatten uns in den Brückengedanken verliebt, was das für Chancen birgt, was man damit machen könnte. Das hat Spaß gemacht, über die Schnittstelle zwischen Kunst und Kultur nachzudenken.

Wir haben diese eineinhalb Jahre genutzt, um da möglichst viel an Gedanken, an Ideen hineinzuschleudern, um daraus dann spannende Szenen herauszufiltern. Dazu kam diese Auseinandersetzung mit der Donna Haraway, Biologin, Wissenschaftstheoretikerin und Philosophin, eine ganz wunderbare und wache Philosophin, die dieses „Unruhig bleiben“ in ihrem Buch beschreibt. Die Auseinandersetzung mit Donna Haraway hat so viel Material geliefert. Auf der einen Seite schreibt sie über dieses tentakuläre System, was eigentlich das System von GANYMED ist. Man setzt an vielen Stellen gleichzeitig an, erzählt nicht nur einen inhaltlichen Strang, sondern viele. Dadurch versucht man, etwas wachzurütteln oder zu erklären. Ein wichtiges Zitat von ihr ist: „Der Mensch muss lernen weniger tödlich zu sein und sich anhand erfinderischer Verbindungslinien verwandt machen.“ Das passt optimal in unsere Zeit, weil’s einfach den Nagel auf den Kopf trifft. Das genau ist das, was wir probiert haben, was wir erzählen wollen.

subtext.at: Die GANYMED-Reihe hat also Themen bereits vorweggenommen, bevor sie gesellschaftlich so richtig relevant wurden?
Jacqueline Kornmüller: Diese Themen schlummern ja schon eine ganze Weile, in der Vergangenheit, in der Gegenwart sowieso und werden uns auch in der Zukunft leider nicht verlassen.

Ganymed Bridge im KHM Wien
Foto: Helmut Wimmer

subtext.at: Bei unserem letzten Gespräch haben Sie erzählt, dass Sie wahrscheinlich GANYMED SILENCE als nächstes über die Bühne bringen werden.
Jacqueline Kornmüller: Ah ja, habe ich mal darüber nachgedacht, stimmt. Darüber denke ich immer wieder nach.

subtext.at: Ich habe mich gefragt, warum Sie sich letztlich anders entschieden haben?
Jacqueline Kornmüller: (überlegt) Manchmal kommen solche Ideen und dann kommen wieder andere Ideen. Eine Idee löst dann die andere ab. Auch jetzt habe ich Ideen, die ich vielleicht in einem Jahr schon wieder überarbeitet habe und dann kommt was Neues dabei raus. Die Freiheit muss ich mir ja nehmen. Wenn ich beim Staatstheater arbeiten würde, müsste ich mich sehr weit im
Voraus festlegen. Dadurch, dass ich als freie Künstlerin arbeite oder als freie Regisseurin, hab ich immer die Möglichkeit, auch Schnellboot zu sein (lacht). Ich muss nicht langsam sein. Ich kann meine eigenen Ideen überarbeiten und überholen. Wenn ich dann auf etwas Spannendes gekommen bin, muss ich mit meiner Idee andere entzünden. Das entscheide ja nicht ich allein. Jetzt war es
super, weil die NHM-Direktorin, Katrin Vohland, sofort aufgesprungen ist. Man braucht auch den anderen, der dann mit Offenheit auf so etwas reagiert. Ich muss schon sozusagen immer versuchen, Partner zu finden, mit denen man dann am gleichen Strang zieht.

Ganymed Bridge im KHM Wien
Foto: Victoria Nazarova

subtext.at: Im ORF kam die Hiobsbotschaft, dass GANYMED BRIDGE die letzte Vorstellung dieser Reihe sein wird. Wollen sie diese Brücke in Zukunft hinter sich lassen?
Jacqueline Kornmüller: Es kommt drauf an, sagen wir mal so.

subtext.at: Manaho Shimokava, die bei GANYMED BRIDGE in der Szene „Das Nest“ zu sehen ist, hat mir verraten, dass Sie das jedes Jahr aufs Neue sagen würden und dennoch weitermachen.
Jacqueline Kornmüller: (lacht).

subtext.at: Ist das ein interner Running Gag?
Jacqueline Kornmüller: Nein, nein, das ist kein Gag. (überlegt) Das Projekt ist sehr groß geworden. Die Arbeit, die Vorbereitungszeit… Ich kann das jetzt ehrlich gesagt nicht hundertprozentig bestätigen, ich kann’s aber auch nicht dementieren. Immer mal wieder sind diese Gedanken im Raum, dass es vielleicht unsere letzte Fahrt gewesen sein könnte. Es hängt aber von ganz vielen verschiedenen Dingen ab.

Szene auf dem Platz zwischen den Museen
Foto: Victoria Nazarova

subtext.at: Jeder Besucher kann frei entscheiden, mit welcher Szene er anfängt, wie lange er verweilt oder wo er den Schlusspunkt setzt. Haben Sie mal darüber nachgedacht, dieses Konzept irgendwie abzuändern?
Jacqueline Kornmüller: Das Konzept verändert sich permanent. Am Anfang haben wir sechzehn Texte in Auftrag gegeben und es waren sechzehn Monologe, die gespielt worden sind. Inzwischen schaut jede Station komplett anders aus. Wir haben hier, hinter mir im Saal 7 einen Kung-Fu- Meister, der mit einem E-Gitarristen und einem Trompeter sozusagen den Pfeil auf sich selbst abschießt. Wir haben unten eine Animation mit dem Theseus. Für uns ist das eigentlich auch etwas Neues. So gibt es immer wieder neue Szenen oder neue Formate, die in dieses GANYMED reinkommen.

Es ist wie ein Fass ohne Boden. Es ist sozusagen selbstverständlich, dass man sich dem immer wieder neu öffnet. Das ist diesem Projekt irgendwie eingeschrieben. Wir versuchen nicht, uns zu wiederholen. Deswegen haben wir jetzt auch das zweite Museum dazugenommen. Und auch diese Brücke als Behauptung in den Raum zu stellen, die es eigentlich nicht gibt, war spannend und gut, um sich daran abzuarbeiten.

subtext.at: Das verbindende Element der Brücke ist jedenfalls ein wunderbares Thema, besonders in der jetzigen Zeit und in Bezug auf Donna Haraway, um mit GANYMED zurückzukehren.
Jacqueline Kornmüller: Das verbindende Element ist etwas, was einfach fehlt. In welche Richtung man es auch immer denken möchte, ob man das in der Gesellschaft, innerhalb der Gesellschaft oder praktisch politisch, ganz egal. Bei der Haraway schwingt dieser Gedanke mit, dass man das Aggressive ins Emphatische verwandelt. Das hat mir bei diesem Gedanken einfach wahnsinnig gut gefallen. Ganz in unserer Nähe tobt ein grauenvoller Krieg und von hier aus können wir nur zusehen. Trotzdem fühlt man sich mit diesen Menschen, die all diese Attacken und Bomben ertragen müssen, zutiefst verbunden. Ich finde es in so einer Zeit fast wichtiger, wie soll ich sagen, mit einem positiven Bild zu antworten. Das war uns irgendwie ganz wichtig.

Donna Haraway sagt: „Wir werden miteinander oder wir werden gar nicht.“ Das ist der Brückengedanke für mich. Wir schaffen es nur zusammen. Alle Aufgaben, die auf uns warten. Ob Naturkatastrophe, der Klimaschutz, alles, was momentan viel zu schnell passiert und zu bewerkstelligen ist, schaffen wir aus einer gemeinsamen gesellschaftlichen Kraft heraus. Das finde ich als Projekt gut, um darüber nachzudenken, wie man das erreichen kann. An einem Theaterabend gelingt das. Man sitzt gemeinsam vor einer Szene, man leidet, empfindet, lacht oder weint. Es berührt, es amüsiert oder eben nicht oder was auch immer, aber da findet etwas statt. Das sind so Netze, die sich weben und
daran glaube ich total.

Ganymed Bridge im KHM Wien
Foto: Victoria Nazarova

subtext.at: Ein tolles Element stellen auch die beiden Musiker draußen in der Mitte beim Maria-Theresien-Platz zwischen den Museen dar. Eine Szene, die frei für jeden zugänglich ist.
Jacqueline Kornmüller: Diese Brückenszene… Bei den Proben, als wir diese Szene probiert haben, mussten wir das zu Nachtzeiten machen, damit uns da niemand hört und damit wir auch niemanden stören und es nicht zu öffentlich ist. Das waren so schöne Proben! Wir haben uns langsam an die Szene herangetastet, wie wir das installieren können und plötzlich sind aus dem Nichts heraus Menschen stehen geblieben. Sie haben sich immer näher an diese Szene herangetraut. Manchmal viele Menschen. Wie viele Menschen da auf dieser Achse nachts entlangwandern! Es war wie eine kleine Gruppe Verschworener, die sich da um diese Alpenhörner gesammelt haben (lacht). Das war eine ganz bemerkenswerte Erfahrung.

subtext.at: Sie wollten es aber auch nicht vor der Öffentlichkeit abschotten?
Jacqueline Kornmüller: Nein, überhaupt nicht. Wenn man mal etwas im öffentlichen Raum macht, muss man sozusagen den Raum diesbezüglich bespielen. Ein Sprung ins kalte Wasser. Den beiden Alpenhornspielern, Martin Ptak und Georg Schrattenholzer, hat es irrsinnig getaugt.

subtext.at: Ich nehme an, dass die Reaktionen der Besucher auch generell stets unterschiedlich
ausfallen.

Jacqueline Kornmüller: Ja, die Menschen sind unterschiedlich. Es sind 800 Menschen, die in dieses Projekt reingehen und es gibt 800 verschiedene Meinungen über dieses Projekt (lacht). Es gibt Menschen, die beobachte ich manchmal während der Vorstellung, die sitzen vor der schönsten Szene, aber sie hören dann mehr auf den Ton und schließen die Augen. Das erlebe ich oft. Oder ganz umgekehrt. Menschen schauen nur zu und man spürt, dass es für sie gar nicht mehr so wichtig ist, zu hören. Menschen haben ganz unterschiedliche Wahrnehmungen und das ist eben auch so toll, dass wir hier ein ganz, ganz breit gefächertes Publikum haben. Irrsinnig viele junge Leute, viele ältere Menschen. Durch Corona und durch die Verschiebungen beim letzten Mal, habe ich meine
Zuschauer auch immer besser kennengelernt. Wir haben festgestellt, dass zu uns auch ganz viele Gruppen kommen. Wusste ich nicht. Oder Familien. Sechs Leute, acht Leute, zehn Leute, die sozusagen als Gruppe gemeinsam zu GANYMED gehen. Fand ich ganz erstaunlich. Diese Vielfältigkeit des Zuschauers, das ist sehr schön. Eine Art Schicksalsgemeinschaft (lacht).

Szene aus dem Kunsthistorischen Museum Wien
Foto: Victoria Nazarova

subtext.at: Ich habe gemerkt, dass man auch durch Social Media, durch etwaige Verlinkungen, mit den Künstlern selbst in Kontakt kommt, was man davor auf nicht für möglich gehalten hätte.
Jacqueline Kornmüller: Genau. Absolut. So ist es, stimmt.

subtext.at: Gibt es noch etwas nachzuschärfen bei einer Szene?
Jacqueline Kornmüller: Immer. Es gibt nach jeder Vorstellung eine lange Liste von Dingen, die ich beim nächsten Mal besser machen will. Die Verteilung, die am Anfang anders ist oder bei der Theseus-Szene, da haben wir jetzt einen anderen Einstieg entwickelt. Oder wir verändern was am Kostüm oder was an der Szene. Wir spielen sie leichter, oder wir lassen uns mehr Zeit. Oder wir wechseln uns mehr ab. Solche Sachen muss man immer weiter entwickeln. Immer arbeite ich an der optimaleren Vorstellung, wie sie vielleicht noch schöner sein könnte als die davor (lacht).

subtext.at: Das bedeutet, dass ich mit vollkommenen anderen Gefühlen aus einer Szene
hinausgehen könnte, wenn ich beispielsweise zur allerletzten Vorstellung von GANYMED
BRIDGE erscheine?

Jacqueline Kornmüller: Das hoffe ich. Das wär schon gut. Es gibt ja sehr viele Zuschauer, die kommen zweimal zu uns, einmal am Anfang und einmal am Ende.

subtext.at: Kennen Sie eigentlich das Brücken-Experiment von Art Aaron und Donald Dutton aus dem Jahr 1974?
Jacqueline Kornmüller: Was war das für ein Experiment?

subtext.at: Die amerikanischen Psychologen ließen Männer über zwei verschiedene Arten von Brücken gehen. Die eine, wackelig und schmal, die andere breit und stabil und in geringerer Höhe. In der Mitte stand jeweils eine hübsche Frau, die Teil des Forschungsteams war. Sie füllte mit den Männern einen Fragebogen aus und gab ihnen ihre Telefonnummer, falls sie noch Fragen hätten. Die Männer, welche die lange, instabile Hängebrücke überquert hatten, fühlten sich von der Interviewerin so angezogen, dass sie telefonisch Kontakt herstellten. Von den Männern, welche die solide Brücke überquert hatten, rief kaum jemand an. Dieses Experiment hat mich irgendwie zu GANYMED gebracht.
Jacqueline Kornmüller: Absolut.

Ganymed Bridge im KHM Wien

subtext.at: Gemeinsame Erlebnisse, bei denen man auch nicht genau weiß, was einen erwartet, die Adrenalin auslösen, können Fremde wie bei GANYMED zusammenführen.
Jacqueline Kornmüller: Ich kenne es nicht, aber ich finde, es ist ein schönes Experiment. (überlegt kurz) Natürlich erlebt man im Theater mit festem Sitzplatz auch tolle Dinge, gar keine Frage, aber hier ist die ganze Geschichte schon etwas ausgesetzter. Das Adrenalin hat die Chance, wie Sie sagen, etwas schneller hochzuschießen. Ich begebe mich in eine Situation, in der ich normalerweise
nicht bin. (überlegt kurz) Wenn wir eine Vorstellung am Samstag haben, dann bekomme ich am Dienstag die ersten Anrufe von meinen Künstlern mit dem Satz: „Ich hab schon wieder so Lust!“ Ich freue mich auch wahnsinnig drauf. Es geht mir auch so. Das ist der Grund, warum uns dieses Projekt weiterhin so Spaß macht. Wahrscheinlich wird es doch nicht das letzte sein (lacht)!

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