Filmstill aus "Wos tur i?"
Foto: filmfestivalfreistadt.at

Wos tur i? Und wos kau i tor?

Authentisch, sympathisch und offen erzählt die Zeitzeugin Maria Cäsar über die Zeit, als sie im Widerstand gegen die Nazis das Bestmögliche tat, Mut zeigte und sich mit voller Kraft ihr Leben lang für ihre Werte und Überzeugungen einsetzte.

In der Dokumentation wird mit einem Zusammenschnitt aus verschiedenen Interviewszenarien der letzten Jahrzehnte das Leben der Maria Cäsar nacherzählt. Seit den 80ern steht sie vor den Kameras, um ihre Geschichte weiterzugeben. Aufgewachsen als Arbeiter- und Bauerntochter, hatte sie als Kind nicht sehr viel mehr als das Nötigste, das man zum Überleben braucht. Das bedeutete unter anderem auch eingeschränkte Bildung für sie und ihre Geschwister. Schule war teuer. 

Sie hat das Leben im Kampf gewählt

Als Jugendliche Mitte der 1930er Jahre stellt sich die Steirerin erstmals Fragen zu den aktuellen politischen Themen und kleidet sich in Kapperl und Hosen, um in den Fabriken Flugblätter zu verteilen. Schon vor 1938 gab es Wiederstandgruppen. Diese waren, auch während der NS-Zeit, oftmals so klein und so gut im Untergrund versteckt, dass sie selbst untereinander nichts voneinander wussten. Mit 18 Jahren wurde Maria Cäsar gemeinsam mit einigen anderen im Alter von 17 bis 19 von der Gestapo verhaftet. Daraufhin verbrachte sie 15 Monate im Gefängnis. Erst dort erfuhr sie von den anderen und, dass sie und ihre Bekannten nicht die Einzigen waren, die gegen das Regime anzukämpfen versuchten.

Nach ihrer Freilassung war sie erst recht bestärkt in ihrem Glauben und politischen Überzeugungen. Sie heiratete einen Widerstandskämpfer, versteckte Flugblätter in den Kinderwagen und schloss Bekanntschaften mit Partisanen. Als sie im Laufe der darauffolgenden Jahre auf der Flucht war, waren diese das Ziel, um bei ihnen Unterschlupf zu finden. Als der Krieg zu Ende war, hörte sie deswegen nicht auf, für ihre Ideale einzustehen, und wurde zu einem wichtigen Teil der Kommunistischen Partei in Graz. Dieser Rolle sollte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2017 treu bleiben.

Zwischen den Postkarten

Aus unterschiedlichsten Perspektiven wird in Interviewsituationen die Geschichte rund um Maria Cäsar geformt. Ob nun sie selbst, ihre Kinder und Enkelkinder, Freund*innen, Parteikolleg*innen oder Lehrer*innen, in deren Klassen sie als Zeitzeugin Frage und Antwort gestanden ist: sie alle sind Mittel, um die Persönlichkeit der steirischen Widerstandskämpferin dem Publikum näher zu bringen. Mit eingeblendeten Bildern und Animationen zwischendurch werden die klassischen Interviewszenen durchbrochen. In manchen Teilen werden die Sequenzen, in denen Maria Cäsar selbst spricht, wild durcheinander geschnitten. Die Maria aus einem TV-Auftritt in den 80ern beendet den Satz der Maria von 2015. Die Regisseurin will damit einen Zusammenhang schaffen, wie wichtig es in den Zeiten des Widerstands war, die Geschichte in jedem Detail korrekt parat zu haben. Man durfte sich keine Fehler erlauben, hatte pünktlich zu sein. Alles andere könnte Gefangenschaft und den Tod zur Folge haben.

Ein weiteres Detail der filmischen Aufbereitung sind die Postkarten. Zu Beginn des Filmes erfährt das Publikum, wie sich Maria Cäsar mit ihrer Mutter während der Flucht über einfache Postkarten mitzuteilen wusste, ob sie von der Gestapo gesucht wird oder eben nicht. Um im späteren Verlauf der Geschichte zu zeigen, an welchem Schauplatz der Film gerade spielt, hat man sich entschieden, dafür verschiedene Ansichtskarten aus der passenden Zeit einzublenden.

Fazit

Dass Zeitzeug*innen(berichte) eine ganz eigene Dynamik und Ehrlichkeit haben, ist kein Geheimnis. Die einzelnen Erfahrungen und Erlebnisse zu erzählen und als historische Quelle zu präsentieren, braucht Mut, Geduld und Ausdauer. Maria Cäsar hat ihre Geschichte nie versteckt, war stolz auf die Person, die sie war, und hat viele nach ihr inspiriert. Spannend aufbereitet, voller Charme und Authentizität verlieren sich die Zuschauer*innen im Leben dieser faszinierenden Frau. Der Film bietet ein paar Eigenheiten im Schnitt und eine spannende Gegenüberstellung der Ideologien des verhangenen Jahrhunderts sowie ein Porträt eines Menschen, der sich nicht unterkriegen ließ, die Überzeugungen seiner selbst in den Vordergrund stellte und sich immer wieder die Frage stellte: Wos tur i?


Filmstill aus "Wos tur i?"

Wos Tur I?
Über die Notwendigkeit des Erzählens

Regie: Barbara Wilding, Miriam Raggam-Alji
Kamera: Britta Isabella Lang, Sigrid Nagele, Miriam Raggam-Alji, Miae Son, Barbara Wilding
Österreich, 2023
86 Minuten


Festival Der neue Heimatfilm

23. – 27. August 2023

www.filmfestivalfreistadt.at

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Kreativ offenes Köpfchen, kaum ohne Kamera und Notizbuch vorzufinden.