Menschenfeind
Szenenfotos: Anna Stöcher

Menschenfeind und Influencer

Fabian Alder hat sich daran gemacht, Molières Komödien-Klassiker „Der Menschenfeind“ in die wahnsinnig woke Welt von heute zu katapultieren. Sein Hauptdarsteller, Alceste, ein grantiger weißer Mann, ist unglücklich verliebt – und zwar ausgerechnet in das schlimmste Exemplar von selbstoptimierten Influencer-Lifestyle-Linken.

Alceste, in Alders Interpretation, ist der Inbegriff des modernen Wutbürgers, ein selbst deklarierter, intellektueller Rebell inmitten einer Welt (Wien), die er für oberflächlich und banal hält. Und wenn wir von Wut reden, dann nicht von irgendeiner Wut, sondern von Wut, die sich reimt. Alceste spuckt seine Kommentare aus wie ein Dichter und stellt sich über die Menschen um ihn wie ein Richter.

Bussi links, Bussi rechts

Als Großstadtneurotiker ist Alceste von der Welt der Menschen gleichermaßen angezogen wie abgestoßen. Sein Zynismus kennt keine Grenzen, und er verschwendet keine Zeit, um seine Verzweiflung an der Oberflächlichkeit der Gesellschaft kundzutun. Als Außenseiter versucht er, diesem Treiben zu entkommen, aber die Welt, die er so sehr verachtet, hat etwas, das ihn trotzdem fasziniert und intellektuell herausfordert. Die Haltung gegenüber der Welt ist klar – alles abgeschmackt, kopiert, von den Medien in die Hirne eingeblasen. Hergezogen wird über literally alles: Psychologie-Ratgeber, Netflix-Serien, das Bildungssystem, …. Alder trifft den Nerv der Zeit und gibt dem klassischen Misanthropen eine Stimme im 21. Jahrhundert.

Blaue Wunder

Doch zu seinem Pech ist der verbitterte Alceste verliebt in eine Frau, die all das verkörpert, was er so vehement ablehnt:  eine Marketingagentur-Inhaberin. Eine erfolgreiche Teilhaberin an der Gesellschaft, schwimmend wie ein Fisch im Wasser – und zwar im Ozean der Oberflächlichkeit. Die Überschreibung von Alder bewahrt den Grundplot von Molières Klassiker, fügt jedoch eine salzige Portion Satire und Ironie hinzu. Reime und Versmaße werden dabei nicht vernachlässigt, hätten jedoch noch weiter ausgeschöpft werden können. Alder zeigt uns, die Zeitlosigkeit des Menschenfeinds auf, Hater gibt es schließlich immer. Ein besonderes Lob gilt übrigens den blauen Kostümen von Katia Bottegal, die dem Stück eine gewisse Farbexplosion verleihen. Ein Stück, das nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern auch eine Menge Lacher garantiert. Wie weit uns Hate wirklich bringt, seht ihr im Theater an der Gumpendorfer Straße in Wien.

dastag.at/menschenfeind