Edwin Rosen in der Arena Wien
© Kerstin Kern

Edwin Rosen in der Arena

Er ist der hellste Stern am deutschen Newcomerhimmel: Edwin Rosen lässt deutschen New Wave Synthie-Pop wiederaufleben, er verleiht ihm Mainstream-Potential. Am 20. November spielt der junge Schwabe seine „Sterne-Tour“ in der Arena Wien. Fazit: Wenn die 80er Jahre ein Kind mit den early 2000s hätten, würde es Edwin Rosen hören.

Als Vorband heizt Farce, eigentlich Veronika König, den knapp 1000 Besucher:innen ein. Die Wahlwienerin bringt Farbe in die Arena, mit ihrem giftgrünen Buzzcut wie mit ihrer Musik, und ist sichtlich überrascht, dass die Halle bereits fast ganz voll ist. Neben ihren eigenen, elektronisch-basslastigen Werken covert sie Sixpence None The Richer‘s „Kiss me“.In „Thee Silence“, in Studioversion featuring Soap&Skin, verwandelt sie Depeche Mode’s „Enjoy The Silence“ in einen düsterein Alternative-Track.

Leere Hände, leere Worte?

Wenig später kommt Edwin, das hauptsächlich weibliche Publikum in den ersten Reihen applaudiert, manche kreischen. Das Bühnenbild, bestehend aus LED-Kerzenständern und weißen Marmorstatuen, hüllt sich in Rauch. Sein Intro klingt wie Kirchenmusik, bevor der Bass einsetzt. Der anfangzwanzigjährige Tübinger trifft mit seinen mysteriösen Texten und den eingängigen Retro-Popsongs den Nerv der Zeit: düster, repetitiv, ein bisschen verloren. „Deine Lippen sind lila / wie die Blumen, die ich dir nie kauf´“ offenbart er in „leichter/kälter“.

Mit Songs wie diesem und seiner ersten EP „mitleerenhänden“ hat er sich direkt in die Herzen seines Publikums gespielt, dabei hat er erst vor 3 Jahren mit Musik angefangen. Letztes Jahr war er als Support mit Indie-Rapper Casper unterwegs, heute spielt er selbst ausverkaufte Shows. 

How to Edwin Rosen

Das Rezept von Edwin ist relativ simpel: Man nehme einen schnellen, angsty Beat, der sich durch den ganzen Song zieht, eine eingängige Melodie, die am Bass gespielt wird, und viel Hall auf der Stimme. Zack, fertig ist die „neueneuedeutschewelle“, wie sich der Musiker auf Spotify selbst bezeichnet. The Cure und Joy Division zählt Edwin zu seinen musikalischen Vorbildern, Wir sind Helden und Grauzone ergänzen seine Setlist, denn es gibt erst zehn eigene Edwin-Rosen-Songs. Performt werden sie mit hundert Prozent Edwin Rosen, wer sich auf eine Liveband freut, sucht sie vergeblich.

Analoge Entschleunigung

Was überrascht, ist der Kontrast zwischen den Songs, die auf den Punkt geschliffen, fast schon konzipiert wirken, und Edwins Ansagen. Der Künstler gibt sich cool und edgy, ein kleines bisschen vermessen, als Mensch wirkt er nahbarer, improvisierter, fast schüchtern. Vor dem letzten Song verkündet er entschuldigend, dass er bei der Größe der jetzigen Shows nicht mehr persönlich zum Merchstand kommen kann. Als Trost gibt es ein Büchlein mit selbst gezeichneten Bildern zur freien Entnahme. Sein Zeichenstil natürlich auch passend zur Retro-Ästhetik, wie die analogen Bilder in seinen Musikvideos und auf seinen Socials. Man kann es ihm nicht übelnehmen, er ist quasi über Nacht zum Indiessternchen aufgestiegen, kündigt in einem Nebensatz eine zweijährige Tourpause an und unterstreicht in seinem eigenen Lieblingssong „Vertigo“, dass sich die Welt für ihn eigentlich viel zu schnell dreht.

Als Reprise wiederholt er „Vertigo“, vielleicht auch aus Songmangel, diesmal mit einer Bedingung: jeder singt so laut er kann. Und tatsächlich bringt er die Gen Z dazu, ihre Handys weg- und den Moment nicht auf Video zu packen. 

Fazit

Die düstere Retro-Ästhetik hält musikalisch, was sie verspricht. Dynamik gibt es wenig, die Songs ähneln einander und lassen das Konzert vor sich hinplätschern. Andererseits, wer einen Edwin Rosen-Track liebt, wird wohl alle mögen. Verträumte Indieliebhaber können entspannt in der Tristesse der Lyrics hängenbleiben.  

edwinrosen.de

instagram.com/bettausrosen

Fotos: Kerstin Kern