Patrick Münnich | www.patrickmuennich.com

HipHop mit Haltung: Danger Dan im Radio­kultur­haus

Der deutsche Rapper und Songwriter Danger Dan wollte eigentlich Urlaub machen, als die Anfrage für eine FM4 Radio Session in sein Postfach flatterte. Zusammen mit dem Radiosymphonieorchester Wien tauchte er seine Songs in symphonische Gewänder. Ein Abend zwischen politischen Pointen, markanten Melodien und einer Portion Schmäh.

Es ist Dienstagabend und das schwarz-weiß gemusterte Klavier auf der Bühne im ORF-Radiokulturhaus wartet auf seinen Einsatz. Der Sekt steht schon kalt und eine Menschentraube vor dem Eingang. Danger Dan reiht sich an diesem Abend in eine hochkarätige Eventreihe neben Namen wie Tocotronic oder Patti Smith ein: die FM4 Radio Sessions mit dem RSO Wien. Für alle, die gerne dabei gewesen wären, wird die FM4 Radio Session am Freitag, 15. März ab 17 Uhr auf FM4 und online ausgestrahlt.

Orchester meets Rap

Danger Dan, eigentlich Daniel Pongratz, polarisiert über 15 Jahren als Teil der Düsseldorfer HipHop-Band Antilopen Gang mit seinen politischen Punchlines auf Bühnen. Seit er 2021 mit seinem Soloalbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ auch im Mainstream Wellen geschlagen hat, werden deren Bretter breiter, das Publikum zahlreicher.

Das Wiener Radiosymphonieorchester zählt zu dieser Session 55 Musiker:innen, die dirigiert von Gottfried Rabl den Liedern von Danger Dan neuen Glanz verleihen. Dieser zeigt sich sichtlich erfreut, sei er doch Autodidakt und beeindruckt von den Profis, mit denen er die Bühne teilt. „Das ist die größte Band, mit der ich je gespielt habe“, er wirkt aufgeregt, fast andächtig. Die golden beleuchteten Lampen bringen abendrotähnliche Stimmung in den Saal mit den schwarzen Ledersesseln. 

Punk-Rock-Rap und Orchester, ein auf den ersten Blick ungleiches Paar, passt wie die Faust aufs Auge. Wortwörtlich wird das im Song „Eine aufs Maul“ deutlich: ein erstes Highlight, sowohl gesanglich als auch von den Orchesterarrangements. Nach den ersten Songs in eher ruhigerem Gewand macht Danger Dan nun seinem Namen alle Ehre, die Streicher spannen lange Spannungsbögen, die in einem bedrohlichen Chorus gipfeln.

Weltschmerz und Weltpremieren

Es folgt ein Hinweis an die anwesenden Kinder, im nächsten Song würden Aufrufe zur Straftat erfolgen. Der 40-Jährige appelliert daran, die Strafunmündigkeit auszunutzen und holt seine Antilopen-Kollegen auf die Bühne. Gemeinsam mit seinem Bruder Panik Panzer und Koljah performt die komplette Antilopen Gang ihren „Enkeltrick“: Wir nehmen deiner Oma die Rente ab, weil sie damals sicher Hitler gewählt hat. 

Es bleibt politisch, als Dan eine „Weltpremiere“ im Radiokulturhaus ankündigt. Zwei unveröffentlichte Antilopen-Tracks. Das Publikum ist begeistert, scheinbar sind viele Fans der ganzen Band vor Ort. Die Tickets für den Abend hatten diese schließlich nicht erworben, sondern in einem Kreativwettbewerb gewonnen.

Im ersten Skit erklärten die drei Rapper den Muttertag als von den Nazis eingeführten Feiertag für abgeschrieben. Punk is definitely not dead, Punk spielt in dunkelroter Bomberjacke mit dem Symphonieorchester. Auch das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt. Minutenlang Standing Ovations gab es auf „Oktober in Europa“, einer dreistrophigen Rap-Hymne an den Anti-Antisemitismus als Antwort auf das Hamas-Massaker vom 08. Oktober. Das RSO verleiht der von Danger Dan gesungenen Hook ein eindringliches Weltschmerz-Gefühl. Wann die Band die beiden Tracks veröffentlichen wird, ist noch unklar. 

„Kickl wirkt auch eher wie ein Nationalsozialist“

Für alle Danger Dan-Fans, die keinen Platz im Radiokulturhaus gewonnen haben, veröffentlicht FM4 die Aufnahmen des Abends. Am Freitag, 15. März 2024 leitet um 17 Uhr eine Reportage zu Danger Dans Werdegang die Radio Session ein, die um 18 Uhr auf FM4 sowie online mit Video folgt. Um 23:40 Uhr wird die Aufzeichnung außerdem auf ORF1 übertragen. 

Vergangenes Jahr hatte er die erste Ausgabe des LIDO Sounds am Linzer Donauufer eröffnet und schnitt seine „Kunstfreiheit“ schon damals textlich auf die Alpenrepublik zu. In der kürzlich neu veröffentlichten „Volkstheater Wien Version“ verhöhnt Danger Dan am Dach des Gebäudes den ehemaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger, den Identitären-Chef Martin Sellner sowie den Ex-FPÖ-Parteiobmann HC Strache. 

Die Österreich-Variante bleibt auch in der Orchesterversion bestehen, in der Lueger als Antisemit, Martin Sellner als Zielscheibe eines nicht-nur-rhetorisch gespannten Bogens und schließlich Herbert Kickl als Nationalsozialist besungen werden. Letztere Zeile wurde vom Publikum mit Zwischenbeifall bedacht. 

Was So nice, do it twice

Ein fulminantes Ende findet der Abend mit „Tesafilm“. Das Orchester unterstreicht das Sentiment des Textes über einen irrwitzigen Ansatz der Selbstreparatur mit einem dramatischen Arrangement – Gänsehaut garantiert. „Mein Bruder hat ’ne Wüstenspringmaus mit Tesafilm geklebt / Es klappte nicht, sie ging drauf / Aber versuchen ist okay“

Als Encore gab es einige Stücke der Setlist erneut. Die Vorbereitungszeit habe nicht für mehr Songs genügt, außerdem habe er sich so oft verspielt, erklärt Dan. Ans Davonlaufen dachte sowieso noch niemand, als „Lauf davon“ wie zuvor das Konzert nun die Zugabe einläutete, das Publikum applaudierte noch einmal ausgiebig. In der zweiten Runde waren besonders die textlastigen Stücke wie „Oktober in Europa“ noch klarer verständlich.

Fazit

Danger Dan ist nicht nur gerühmter Rapper und politischer Poet, er stellte auch seine beachtliche Gesangsstimme unter Beweis. Ein Abend mit Haltung, zwischen Zynismus, Zeitkritik und zwinkerndem Auge, der in die Historie der FM4 Sessions eingeht. Ein Format, das Qualität verspricht, die Erwartungen hoch. Danger Dan beweist sich einmal mehr als ein berechtigt zelebrierter und scharfkantiger Künstler. Wer den Abend nicht live miterlebt hat, würde bereuen, die Ausstrahlung nicht anzuhören.


Jetzt zum Nachsehen und -hören auf fm4.orf.at