Roland Koch und Caroline Peters lesen Bachmann und Frisch
Roland Koch © Tommy Hetzel und Caroline Peters © Katarina Šoškić

Wir haben es nicht gut gemacht

Die Lesung des Briefwechsels von Ingeborg Bachmann und Max Frisch im Wiener Akademietheater war ein intimes Erlebnis. Es fühlte sich an, als hätte man einen sehr langen WhatsApp-Chat einer On-off-Beziehung gelauscht. Gelesen von Caroline Peters und Roland Koch, öffnete die Lesung einen tiefen Einblick in die durchwachsene Beziehung der beiden Literaten.

Ingeborg Bachmann wurde 1926 in Klagenfurt geboren und gilt bis heute als eine der bedeutendsten Autorinnen der deutschsprachigen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Bachmann setzte sich in ihrer Geschichte immer wieder mit der Verletzlichkeit auseinander, die in ihrer eigenen Biografie tragischerweise ein starkes Spiegelbild fand. Sie starb 1973 in Rom an den Folgen eines Brandes in ihrer Wohnung, wobei viele annehmen, dass ihre Abhängigkeit von Schmerzmitteln zur Katastrophe beitrug.
Max Frisch, 1911 in Zürich geboren, war ein vielseitiger Schweizer Schriftsteller und Dramatiker. Er begann als Architekt, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Frischs Texte kreisen oft um Identitätsfragen, gesellschaftliche Rollen und die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen. Sein präziser, oft distanzierter Blick auf menschliche Schwächen und seine Beobachtungsgabe machten ihn zu einer herausragenden literarischen Stimme seiner Zeit.

Nichts ist schwieriger als das Zusammenleben mit einem Menschen, den man liebt.

Ihre Beziehung begann 1958 – ein Jahr, das für beide literarisch prägend war. Bachmann veröffentlichte das Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“, während Frisch mit seinem Theaterstück „Biedermann und die Brandstifter“ großen Erfolg feierte. Ihre erste Verbindung schien auf dem Boden dieser gegenseitigen Bewunderung zu wachsen: Frisch schrieb ihr voller Anerkennung über das Hörspiel, und Bachmann antwortete ihm in einem Ton, der bereits etwas mehr als kollegiales Interesse andeutete. Es dauerte nicht lange, bis sich die beiden in Paris trafen, wo ihre Beziehung begann.

Was zunächst wie eine leidenschaftliche Affäre startete, wurde jedoch schnell zu einer emotionalen Probe. Vier Jahre lebten Bachmann und Frisch als Paar, meist in Rom, wo sie versuchten, zwei Leben und zwei Egos unter einen Hut zu bringen. Doch ihre Beziehung war von Spannungen geprägt. Bachmann, die mit psychischen Problemen und Abhängigkeit zu kämpfen hatte, fühlte sich oft von Frischs eigenem schriftstellerischen Erfolg und seiner scheinbar unerschöpflichen Schaffenskraft überwältigt. Die Geräusche seiner Schreibmaschine, die ihr Schreiben blockierten, wurden zu einem Symbol für die zunehmende Distanz zwischen ihnen.

Lieben heißt, einander die Maske vom Gesicht reißen, die Augen verbinden und den Mund verschließen.

Der Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch zeigt eine leidenschaftliche, aber auch tief widersprüchliche Beziehung. Sie versuchten, einander zu verstehen und zu unterstützen, aber immer wieder tauchten die Differenzen auf: Bachmann als die Sensible, die mit jeder Kritik haderte und sich auf die Suche nach ihrer eigenen, unverwechselbaren literarischen Stimme begab, während Frisch oft der analytische Part zu sein schien. Ihre Briefe legen ein feines Netz aus Liebe und Schmerz offen, in dem sich beide oft verfingen. Für Bachmann war die Beziehung zu Frisch eine, in der sie sich emotional aufzehrte – sie fühlte sich unverstanden und verletzt. Diese emotionalen Brüche verarbeitete sie später in ihrem Roman „Malina“, wo die Hauptfigur in vielerlei Hinsicht Züge Frischs trägt. Umgekehrt finden sich in Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ ebenfalls Elemente ihrer Beziehung.

Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.

Das Ende ihrer Beziehung war dramatisch und zehrend. Bachmanns zunehmende emotionale Krisen und ihre Flucht in Narkotika belasteten Frisch, der sich mehr und mehr zurückzog. Ihre Liebesgeschichte, die sie beide geprägt hatte, endete schließlich mit Bitterkeit und tiefer Enttäuschung. In einem der letzten Briefe schrieb Frisch, dass er Bachmann „sehr geliebt“ habe, ein Bekenntnis, das nach all den Verletzungen wie ein Eingeständnis des Scheiterns klang. Die Lesung im Akademietheater ließ diese Schattierungen ihrer Liebe und ihrer Verletzungen spürbar werden. In den Stimmen von Caroline Peters und Roland Koch schwang eine achterbahnartige, emotionale Bandbreite mit: von Zärtlichkeit über Wut bis hin zu jener schmerzlichen Leere, die Bachmann in der späteren Phase der Beziehung empfunden haben muss. Bachmann und Frisch waren zwei außergewöhnliche Menschen, die in der Kunst aufgingen, aber in ihrer Liebe scheiterten. Manche Situationships hätten Collaborations sein sollen.

Mehr dazu: burgtheater.at