Orlando im Akademietheater
Foto: Lalo Jodlbauer

Orlando mal sieben

Es gibt Geschichten, die einfach nicht altern. So auch Virginia Wolfs Roman Orlando. Therese Willstedts Interpretation der Erzählung im Akademietheater führt uns aufs Eis – oder besser gesagt: auf den frostigen Boden des elisabethanischen Londons, wo seine Geschichte beginnt. Ganze zwei Stunden dürfen wir uns mit Orlando in Identitätskrise wiegen.

Was diese Inszenierung besonders macht, ist das Spiel der Schauspieler*innen, das fast wie ein lebendiger Ameisenhaufen wirkt. Es wuselt, es bewegt sich, es gibt scheinbar keine feste Ordnung, und doch funktioniert das Konzept wunderbar. Die sieben verschiedenen Darsteller*innen, die Orlando verkörpern, erschaffen ein fließendes Zusammenspiel, in dem die Weltordnung in jeder Szene neu geordnet wird. Alle tragen die gleiche androgyne Frisur, wechseln im Minutentakt die Rollen und verschwinden in der nächsten Szene, nur um dann wieder pompöser zu glänzen.

Zweifel am Geschlecht, kein Zweifel am Verliebtsein

Man spürt förmlich Orlandos Verwirrung und Verliebtheit, wenn seine erste Liebe – Sasha in ihren silbrig glänzenden Stiefeln über die Bühne schwebt. Doch ist Sasha Mann oder Frau, oder vielleicht irgendwie dazwischen? In dem Moment wird klar, dass Liebe keine Schubladen oder Pronomen braucht. Doch das ist nur der Anfang. Selbst der wichtige dramaturgische Wechsel von Orlandos Geschlecht und die Reise durch die Jahrhunderte werden mit humorvoller Leichtigkeit inszeniert.

Er schloss die Augen. Er schlief. Sie erwachte.

Besonders begeisternd ist die Tatsache, dass trotz all der überzogenen Darstellungen nicht der Ernst des Themas verloren geht. Orlando, der nach einem langen Schlaf als Frau erwacht, kämpft mit den gesellschaftlichen Zwängen des 18. und 19. Jahrhunderts. Man spürt die Last des Frauseins, sei es durch Tüll, Schmuck oder Federn. Jeder der Männer versucht, Orlando etwas zu nehmen, sei es Geld, sei es Tugend. Und doch ist Orlando gern eine Frau und verliebt, verlobt, verheiratet sich. Orlando zeigt uns, dass wir uns nicht von festgefahrenen Rollenbildern definieren lassen müssen, nicht in Bezug auf Identität und schon gar nicht in Bezug auf die Liebe. Beschwingt verlässt man nach diesem Stück den Saal.

Mehr zum Stück: burgtheater.at