Harmonische Zerbrechlichkeit: Heimspiel für revelle
Die Sängerin und Songschreiberin revelle kehrt auf ihrer „was wenn alles gut geht“ Tour am 04. März erstmals in ihre Heimatstadt Wien zurück. Ihre Songs bringen Poesie, Melancholie und Wärme ins B72.
Während die U6 über dem B72 im Minutentakt vorbeirauscht, bereitet sich das Lokal auf eine Heimkehr vor. Revelle, die in ihrer Jugend hier feiern war, möchte mit poetischem Deutschpop und einem Safe Space für jegliche Emotionen zurückkommen. Sie besingt eine ganze Palette an zwischenmenschlichen Harmonien und Dissonanzen und alles, was man eben so fühlen kann.
Dreamy Indie-Pop mit Saguru
Das Warten auf revelle überbrückt der Münchner Indie-Pop Künstler Saguru. Etwas schüchtern nimmt er allein mit seiner Gitarre und Stimme die Bühne ein. Er besingt in „Akuyeri“ eine Stadt in Island und in verträumten Songs wie „Personal Lullaby“ die Liebe. Im Laufe seines Sets generiert er trotz des gesprächigen Publikums einige interessierte Blicke auf die Bühne. Saguru gibt sich nahbar und lässt tief in die Entstehungsprozesse seiner Musik blicken. So erzählt er zum Beispiel davon, seine aktuelle EP „Infinity“ in einer Sauna aufgenommen zu haben.
Erste Liebe(n)
Das B72 füllt sich langsam, aber sicher. Um kurz vor einundzwanzig Uhr ertönt eine Botschaft in Form einer Sprachnotiz, die revelles Vorliebe für Poesie bereits erahnen lässt. Das Bühnenbild erinnert mit seinen Lichterketten und floralen Mustern an Frühlingsabende mit Freund:innen am Balkon. Die Künstlerin wird dieses sogleich mit ihrer sanften, aber in Teilen auch überraschend kraftvollen Stimme komplettieren. Im ersten Teil ihres Sets nimmt revelle ihre Zuhörer:innen passend zu den milder werdenden Temperaturen mit auf emotionalen Frühjahrsputz durch alle Zeiten und Gefühle. Mit „hallo älteres ich:)<3“ eröffnet sie den Abend und blickt hoffnungsvoll in ihre Zukunft der Selbstliebe. Im folgenden bittersüßen Track „erste liebe“ besingt sie wiederum eine aktuelle Liebe, deren fragiles Glück von vergangenen Beziehungen überschattet wird. Dass revelle die Liebe liebt, wird spätestens bei „feuer im kamin“ klar, einer Ballade an das emotionale Sicherheitsnetz, das eine stabile Liebesbeziehung bieten kann – ganz ohne „die Spielchen und das Gewollt-cool-Sein“ ihrer Generation.
Rückblick und Vorschau
Doch auch revelle ist nicht gefeit von all den Unsicherheiten, die Liebe, Freundschaft und all das dazwischen mit sich bringen. Genau darüber singt sie in „das ungeklärte“ – der Song, der ihr zum Erfolg verhalf, weil sich Tausende in der komplexen Zwischenmenschlichkeit wiederfanden. Die Freundschaft erhält dann noch einen exklusiven Gastauftritt durch Sandra Hesch, Sängerin und gleichzeitig gute Freundin von revelle. Die beiden performen gemeinsam Sandras Song „immer da“ – das Special des Abends. Wiener Konzertbesucher:innen durften sich außerdem über unveröffentlichte Lieder aus revelles zweitem Album „was wenn alles gut geht“ freuen. Dieses wird am 02. Mai erscheinen.
„Mein Wien enttäuscht mich nicht!“
Je später es wird, desto optimistischer und befreiter wirkt die Setlist und auch revelle selbst. Zum ersten Mal seit sie „professionell Musik macht“ tritt sie mit ihrer Band in ihrer Heimatstadt auf, verrät die Künstlerin: „Mein Wien enttäuscht mich nicht!“ Vorsichtige Freudensprünge ihrerseits begleiten ein euphorisches Heimspiel, das sich anscheinend nicht einmal revelles Oma entgehen lassen kann. Doch die treue Unterstützung von Familie und Freunden benötigt die Show nicht unbedingt, denn Fans in den ersten Reihen singen bei Songs wie „wir bleiben“ oder „dass liebe schön sein kann“ begeistert mit. Wenn die Sängerin ab und an ein paar Schritte in Richtung Bühnenrand wagt, ist sie keine Armlänge mehr vom Publikumschor entfernt, der sie nach der Zugabe „Hollywood“ aus dem Abend entlässt.
Fazit
„was wenn alles gut geht“ – Tourmotto, Albumtitel und eine zaghafte Hoffnung, die man sich fast nicht auszusprechen traut. Dass Harmonie zerbrechlich ist, zeigt revelles Kunst, aber auch, dass man auf das Gute vertrauen darf. So gab die Songwriterin ihrem Publikum gegen Ende noch einen wichtigen Rat mit auf den Weg: „Umso wichtiger ist es, dass man nach jedem Rückschlag trotzdem immer zwei mehr Gründe findet, das Leben zu lieben, wie es ist.“
Fotos: Kerstin Kern