turbostaat daswerk wien
Foto: Andreas Wörister

Turbostaat: Alter Zorn in komplettem Glanz

Alter Zorn – so heißt das neue Album der Punkrock-Veteranen Turbostaat. Am Donnerstagabend präsentierten sie das Album live und komplett im dasWerk Wien. Ein intimer Konzertabend, wo man mit Turbostaat auf Tuchfühlung gehen konnte.

Seit 1999 aktiv, und immer noch nicht müde: Turbostaat. Das mittlerweile neunte Album (ein Livealbum inklusive) ist es, mit dem sie aktuell auf Tour gehen. Auch von einem Herzinfarkt des Bassisten vor einigen Jahren ließen sie sich nicht aufhalten – und sind seit 1999 in unveränderter Besetzung aktiv. Alter Zorn schließt dort an, wo man Turbostaat-Alben vermuten lässt: ausgeklügelte Texte mit Punkrock-Attitüde, manchmal auch im Post-Punk daheim. Und mit einer treuen Fangemeinde, wie man an diesem Donnerstag in Wien auch erleben durfte. Die Bühne im dasWerk scheint dann auch fast ein bisschen wie gemacht für ein solches Konzert, auch wenn man normalerweise in dieser Location an der Spittelauer Lände eher der elektronischen Musik in ihren verschiedenen Facetten fröhnt.

Dim Prospects – als local support eingesprungen

Support an diesem Abend gab es auf der Bühne auch. Oder besser gesagt, vor der Bühne. Denn zusätzlich zum Turbostaat-Setup haben ein paar Marshall-Amps dann doch wirklich keinen Platz mehr auf der etwas beengten Stage im dasWerk. Dim Prospects stammen aus Wien, und eigentlich hätten wir die Band so an diesem Abend nicht erwartet. Denn eigentlich angesagt gewesen wären unsere Linzer Freundinnen von Zak!, die ihren AMS-Punk in Wien präsentieren hätten sollen. Und leider aus unbekannten Gründen abgesagt hatten. Schade macht ja nix, denn Dim Prospects kennt man in dieser Szene ja auch schon seit Längerem.

Aktuell arbeiten sie an ihrem neuen Album, nachdem sie zuletzt mit einer Split-LP mit den Veteranen von Flowers in Concrete in Erscheinung getreten waren. Stilistisch? Mittlerweile deutschsprachige Punk-Attitüde in Reinkultur, politisch, gesellschaftskritisch, dahinrumpelnd. Wobei dieses „Rumpeln“ hier absolut positiv gemeint ist, denn als Punk-Fan kann man sich hierzulande schon mal in Dim Prospects verlieren. Das macht Spaß, ein angenehmes Vorprogramm zu Turbostaat. Und jede Band, die vielleicht auch nicht ganz freiwillig eine Floorshow spielt, hat sowieso einen Platz in unseren Subkultur-Herzchen gefunden.

Turbostaat: in voller länge

Danach: der Headliner. Was macht man eigentlich als Band, wenn man über zweieinhalb Jahrzehnte auf dem Buckel hat und Mitsinghymnen wie Rattenlinie Nord, Tut Es Doch Weh, Abalonia, Ruperts Grün und viele mehr geschrieben hat? Wie schafft man es, dass hier die neuen Nummern nicht im Set untergehen? Richtig, man spielt ganz unzeitgeistgemäß einfach das ganze Album in einem runter. Chronologisch, ohne Schnörkel, in seiner Gesamtheit. Gar nicht so einfach, das Publikum zu fordern, wie es Frontmann Jan Windmeier nach der knappen Dreiviertelstunde im dasWerk bemerkte. Und so fügen sich dann Songs wie Scheissauge oder Nachtschimmel in die Setlist ein, als wären sie niemals weggewesen. Schön, dass Bands noch Wert auf das Format „Album“ legen und dieses Format auch live in ihr Schaffen einfließen lassen.

Natürlich wärs aber kein Turbostaat-Konzert, wenn es danach keine Klassiker zu hören gibt. Aja, was wir vergessen haben: die kleine Bühne im dasWerk ist dann doch wie gemacht für ein Turbostaat-Konzert. Eine Bühne, wo man wenn überhaupt nur einige Zentimeter Abstand zur Band hat, von denen eine Gitarre aus Platzgründen dann eh am Boden stehen muss. Eine Überwindung jeglicher nur denkbaren Barrieren unter den Besuchern, die spätestens bei den ersten Takten von Ruperts Grün dann jegliche Hemmungen überwunden haben. Hymnen wie Harm Rochel, Sohnemann Heinz, Vormann Leiss gibt es zu hören, bevor man nach den Zugaben Ufos im Moor und Monstermutter durchgeschwitzt und stimmlos in die laue Wiener Frühlingsnacht entlassen wird.

Fazit

Es fällt schwer, zu Turbostaat etwas zu sagen, was noch nicht gesagt worden wäre. Erstaunlich ist es, dass die Band auch im neunten Album (ein Livealbum inklusive) immer noch was zu sagen hat. Und dass die Fanbase immer noch aufkreuzt. Ein intimer Konzertabend vor gefühlten Freunden, der nach einer Wiederholung schreit. Und hey, was würden wir dafür geben, die Band mal in Linz, in der KAPU oder in einem feuchten Geheimkeller zu sehen?

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockey- und Fußballfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.