Kriminalität hat keine Nationalität

 

Schwarze sind in Österreich noch immer unverhältnismäßig oft von Rassismus und Vorurteilen betroffen. subtext.at hat bei der Black Community nachgefragt und dort Einiges über die alltäglichen Probleme der Schwarzen und die Rolle der Medien in dieser Thematik erfahren.
subtext.at: Wenn man von der „Black Community“ spricht – von wie vielen Menschen spricht man hier in Oberösterreich dann überhaupt?
Uche Njoku: Die Black Community ist der Dachverband aller afrikanischen Vereine in Oberösterreich. Momentan gibt es elf afrikanische Vereine in Oberösterreich, die Mitglied der Black Community sind. Wir unterscheiden aber nicht zwischen Vereinen, die von Afrikanern gegründet wurden, und Vereinen, die von Angehörigen von einem anderen Volk gegründet wurden. Die Black Community wurde nur ursprünglich von Afrikanern gegründet.subtext.at: Wie viele Schwarze leben hier in Oberösterreich, die sich auch in der Black Community engagieren?
Uche Njoku:
Hier leben ca. 2800 Personen mit schwarzer Hautfarbe. Wir fragen aber unsere Vereine nicht, wie viele Mitglieder sie haben. Wichtig ist, dass jede schwarze Person auch ein Teil der Black Community ist.

subtext.at: Gerade in Österreich ist es ja so, dass es gegenüber Schwarzen starke Vorurteile gibt – ich erinnere beispielsweise an die Fälle Marcus Omofuma oder Bakary J. Haben Sie hier in Oberösterreich schon ähnliche Vorfälle mitbekommen?
Uche Njoku:
Das ist genau der Hintergrund, weshalb die Black Community gegründet wurde – um die Vorurteile in dieser Gesellschaft abzubauen. Es gab 2004 den Fall Yakubu, wo ein Schwarzer in der Bundespolizeidirektion gestorben ist. Bis jetzt kann man zu seinem Tod nichts konkretes sagen – bis jetzt haben wir immer nur von einem Hungerstreik gehört. Da kann man sich aber auch fragen, wenn ein Häftling in den Hungerstreik tritt, dann muss man etwas tun. Dieser Person kann man helfen, aber wenn jemand sieht, dass ein Häftling in den Hungerstreik tritt und nichts tut, dann ist diese Person in gewisser Weise auch ein Teil der Ursache.

subtext.at: Man hört immer wieder die Forderung, dass sich Schwarze und Ausländer generell besser integrieren sollen. Spüren Sie auch Ablehnung gegenüber den Aktivitäten der Black Community und Kulturprojekten, die von Schwarzen ausgehen?
Uche Njoku: Die Gesellschaft versteht das Wort „Integration“ meiner Meinung nach noch nicht. Integration ist nicht nur Sprache lernen. Wir wollen eine Gesellschaft, wo es egal ist, ob jemand schwarz, weiß, gelb oder grün ist und wo es egal ist, welche Religion ein Mensch hat. Das ist auch genau die Richtung, in die unsere Arbeit geht. Wir haben jedes Jahr das Afrika-Symposium. Letztes Jahr ist es unter dem Motto „Brücken bauen statt Mauern“ gelaufen. Die Gesellschaft muss akzeptieren, dass es mehrere Kulturen gibt. Es gibt nicht nur ein „Volk“. Genau deswegen haben wir angefangen, so etwas zu machen – Brücken bauen statt Mauern errichten. Es müssen aber auch Signale von der anderen Seite kommen.

subtext.at: Verschließen sich Einheimische ihrer Erfahrung nach immer noch so sehr?
Uche Njoku:
Ja, sehr stark. Da liegt auch das große Problem.

subtext.at: Gerade in den letzten Wahlkämpfen wurde das „Ausländerthema“ wieder stark strapaziert. Warum glauben Sie dann, dass Menschen solche Angst vor anderen Kulturen haben?
Uche Njoku:
Ich sehe das nicht als Angst der Einheimischen. Es ist das Problem der Politiker. Auch jungen Leuten wird in den Medien immer wieder gesagt, Mitgranten machen das, Ausländer stellen das an, Migrantinnen haben das gemacht und so weiter. Es ist wie eine Spritze, die diese Personen von den Politikern bekommen. Viele dieser jungen Menschen haben wahrscheinlich nie persönliche Kontakte mit Migrantinnen gehabt und haben diese nie kennen gelernt.

subtext.at: Sind MigrantInnen Ihrer Meinung nach dann nur ein Platzhalter für die verschiedenen Probleme, oder gibt es schon auch Probleme, die durch MigrantInnen verursacht werden?
Uche Njoku:
Ein Krimineller ist ein Krimineller. Kriminalität hat keine Nationalität. So will ich, dass wir das sehen. Politiker sollen Kriminalität nicht auf eine Nationalität reduzieren.

subtext.at: Wenn ich die größte Tageszeitung in Österreich aufschlage, habe ich vor ein paar Wochen einen zweiseitigen Bericht über die Drogenszene und Schwarze gelesen. Warum werden Ihrer Meinung nach Schwarze verhältnismäßig oft mit Drogendelikten in Verbindung gebracht?
Uche Njoku:
Ich sage das immer – Probleme und Vorurteile, die die Schwarzen hier haben, sind stark verursacht durch die Medien. Meistens wird etwas Negatives über die Schwarzafrikaner geschrieben. Es gab am dritten April wieder einen Vorfall am Bahnhof, wo die schwarzen Taxifahrer wieder mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit konfrontiert wurden. Ich will das Medium jetzt nicht nennen – aber ich habe dort angerufen und gefragt, ob sie nicht darüber berichten könnten, was Schwarze hier tagtäglich erleiden müssen. Der Redakteur am Telefon hat nur gesagt, er könne über Rassismus nicht berichten, den gebe es auch in vielen anderen Ländern. Gleichzeitig wird aber häufig über Schwarze und Drogen berichtet – da frage ich mich schon, ist das einseitige oder zweiseitige Berichterstattung? Sie sollen sagen: Ja, wir machen einseitige Berichterstattung. Aber das tut niemand. Das wird indirekt betrieben.
Zu den Drogendealern: Manche dieser Dealer haben kein Visum und halten als Sündenbok her – aber niemand fragt danach, wie diese Drogen überhaupt ins Land kommen und wer da dahinter steckt. Das ist egal.

subtext.at: Sie haben schon kurz die schwarzen Taxifahrer angesprochen. Das bringt mich schon zum nächsten Thema: Welche Probleme haben gerade junge Schwarze, hier eine Arbeit zu finden? Ist es nur der angesprochene gesellschaftliche Rassismus, oder gibt es noch andere Hürden?
Uche Njoku:
Das ist eigentlich die Frage danach, wie ich angefangen habe, hier in der Black Community zu arbeiten. Ich habe 91 Bewerbungen geschrieben – nicht eine einzige positive Antwort war dabei. Schwarze mit Doktoratsstudium werden bei der Post zum Container Aus- und Aufladen angestellt. Biochemiker werden in eine Maschinenwäscherei gesteckt. Mein Bruder hat hier studiert und ist Diplomingenieur, hat keinen Job gefunden und ist ausgewandert. Wenn Menschen mit solchen Qualifikationen solche Jobs bekommen, wie sollen junge Schwarze dann je welche finden? Die Schwarzen, die Arbeit finden, landen dann meist im Sozialbereich, auch wenn sie das nicht als erstes wollen.

subtext.at: Werden Sie als Black Community von der Politik auch gehört, oder verspüren Sie auch hier die gewisse Distanz?
Uche Njoku:
Wir werden schon gehört. Marie-Edwige Hartig (Gemeinderätin der Grünen in Linz, Anm.) war ursprünglich die erste Schriftführerin der Black Community. Ike Okafor, er war damals Obmann der Black Community, hat auch für den Landtag kandidiert. Wir versuchen schon, die Schwarzen auch in die Politik zu bringen.

subtext.at: Sie haben mitunter ein sehr negatives Bild von Österreich gezeichnet. Weshalb haben sie da noch nicht den Mut verloren und sind nicht auch ausgewandert?
Uche Njoku:
Wir brauchen Änderung, und diese Änderung muss irgendwo anfangen. Wenn alle auswandern – wer kann da etwas ändern? Darum will ich nicht aufgeben. Wenn jeder den Mut verliert, kann man nichts ändern. Hier ist meine Heimat und ich bleibe hier. Wenn ich meinen Beitrag dazu leisten kann, eine Gesellschaft ohne Rassismus und Vorurteile zu erleben, werde ich froh sein.

Zur Person:
Anselm Uche Njoku ist Geschäftsführer der Black Community Oberösterreich. Der gebürtige Nigerianer lebt seit zwölf Jahren in Österreich. Nachdem er verschiedene Jobs angenommen hatte, steht er nun kurz davor, sein Studium der Sozialwirtschaft und Wirtschaftswissenschaften abzuschließen. Die Arbeit bei der Black Community bezeichnet er selbst als „Mein Kampf für eine Gesellschaft ohne Vorurteile und Rassismus“.

Link: www.black-community-ooe.net

Foto: Jürgen Koller

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.