SOHN: „Man darf sich niemals ausruhen“

SOHN hat mit seiner EP „The Wheel“ eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe. Blogs überhäuften sich mit Lob genauso wie Magazine, und Auftritte auf wichtigen Festivals waren die Folge. In Linz gehörte sein Auftritt zu einem der umjubeltsten des Jahres, und lässt auf das Album hoffen. Dieses erscheint im Frühjahr 2014.

Doch was ist SOHN überhaupt? Was steckt dahinter? Wir haben den Engländer zu einem Interview getroffen. Davor zeigte er sich begeistert, weil er ob gut sitzender Kontaktlinsen zum „ersten Mal seit Mai“ wieder gut sehen konnte. Genauso locker gab er sich beim Interview über die Geschichte von SOHN, das kommende Album und Vergleiche mit James Blake.

subtext.at: Was hast du eigentlich die letzten eineinhalb Jahre gemacht, seitdem wir beide uns das letzte Mal getroffen haben?
SOHN: Ich habe das Projekt SOHN auf die Beine gestellt (lacht). Nein, im Ernst: Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, was ich machen möchte. Ich hatte dann ein, zwei Tracks – und dann ist es genauso passiert, wie man es öffentlich mitverfolgen konnte. Ich hatte diese zwei Tracks, die online gestellt wurden. Danach ist es chronologisch gelaufen. Einer ist online gegangen, die Resonanz in Blogs und Magazinen war da, und innerhalb von zwei Wochen ist dann der nächste Track online gegangen. Während dieser zwei Wochen ist dann der nächste Track entstanden. Also chronologisch nacheinander, und nicht mit einem Konzept vor dem Start.

subtext.at: Die EP „The Wheel“ ist also chronologisch entstanden. Wie würdest du sie aus deiner Sicht beschreiben – in nicht mehr als zwei Sätzen?
SOHN: „Spacious“, und (überlegt) „Carefree“.

subtext.at: Dieses Wort, „spacious“, liest man sehr gerne im Zusammenhang mit elektronischer Musik. Was ist das für dich?
SOHN: Für mich kommt das aus der Musik, die ich mache als SOHN. Diese Musik hat den Vocals den Raum gegeben, den sie brauchen, und die Vocals andererseits haben die Musik an sich nicht eingeschnürt. SOHN ist ein sehr balanciertes Konzept, wo ich sicherstellen möchte, wie viel Platz ich habe und wie viel Platz ich dem anderen weg nehme – beim Schreiben und auch beim Musikmachen.

subtext.at: Diese Balance ist also das entscheidende für dich?
SOHN: Ja, schon. Diese Balance und der Prozess dahinter ist wahrscheinlich auch das grundlegende Konzept hinter SOHN.

subtext.at: Also gibt dir diese Balance in der elektronischen Musik die Freiheit, die du zu deiner Verwirklichung brauchst?
SOHN: Absolut, ja. Was lustig ist, ist, dass es reiner, unverdorbener geworden ist. Ich war es gewohnt, dass, wenn du in einem Raum voller Leute ein Gespräch führtest, und dann Stille war, ich immer der war, der in diese Stille reinplatzte. So ungefähr kann man das umlegen – das möchte ich eben nicht.

subtext.at: Ist diese „Reinheit“ etwas, was du als Musiker anstrebst?
SOHN: Ja. Sicher. Ich glaube, dass diese Unverdorbenheit nicht nur darauf zurückzuführen ist, was andere denken, sondern das fundamentalste Ding ist, was aus Musik herauskommt. Man kann sich nicht stoppen, selbst Emotionen und Aufregung hinzuzufügen. Also zu dieser Unverdorbenheit.

subtext.at: Als Newcomer hattest du einen nicht erwarteten Impact – du tourst immer größere Locations in immer mehr Ländern. Ist dieses Touren etwas, was du erstrebt hast – oder hat dich das unerwartet getroffen?
SOHN: Ich glaube, dass das wirklich einfach nur passiert ist – am Anfang haben wir uns damit eigentlich gar nicht beschäftigt. Wir haben im Januar bei Eurosonic gespielt, das war die erste Show. Davor habe ich eigentlich nicht mal daran gedach, eine Show zu spielen, um ehrlich zu sein.

subtext.at: Also nicht dieser berühmt-berüchtigte Masterplan dahinter?
SOHN: Nein, nein, überhaupt nicht.

subtext.at: Warst du eigentlich überwältigt, als du den Impact bemerkt hast?
SOHN: Nein (schmunzelt). Aber auch nur, weil, bis zu einem gewissen Grad, das Ziel war, bei Moves zu spielen. Keiner hätte geglaubt, dass es möglich ist, dass wir dann bei Pukkelpop nach sechs Monaten spielen können. Sobald du dort anfängst, denkst du natürlich nach an die Dinge, die damit unweigerlich einhergehen.

subtext.at: Also in größeren Dimensionen zu denken?
SOHN: Ja, genau. Das muss aber auch so sein. In dem Moment, wo du etwas erreichst, darfst du dich nicht ausruhen – und so viel hatte ich ja auch nicht erreicht. Also waren die Augen natürlich nach Vorne gerichtet.

subtext.at: Stichwort „Nach Vorne“ – SOHN gibt es seit einem Jahr. Unweigerliche Frage: wann kommt das Album, und was kann man aus deiner Sicht erleben, wenn man ein komplettes SOHN-Album hört?
SOHN: Viele neue Songs natürlich (lacht). Ich glaube sogar, dass es gestern fertig geworden ist. Ich gehe aber jetzt auf Tour – also musste es auch schon fertig sein, da wir Anfang nächstes Jahr damit rausgehen wollen. Was man erwarten kann? Ich weiß es ehrlich nicht, es ist frisch, aber nicht aus der Sicht, dass es komplett neu sei und man so etwas überhaupt noch nie gehört hat. Frisch eher im Sinne darin, dass „The Wheel“ fortgesetzt wird.

subtext.at: Ein – zumindest für mich – lustiges Zitat zu „The Wheel“: „Es trifft genau sein Ziel im Post-Dubstep-Universum“. Was bitte ist das Post-Dubstep-Universum?
SOHN: (lacht) Ich habe keine Ahnung, was das ist (lacht). „The Wheel“ hat ja gar nichts damit zu tun. Aber eigentlich ist ja heute alles „Post-Dubstep“ (lacht). Ich glaube aber, dass es daher kommt, dass viele einfach den Bass herausnehmen und dann sagen, es hat Dubstep-Einflüsse. Mit Dubstep hat es aber nicht im Geringsten zu tun. James Blake hat vielleicht Post-Dubstep gemacht, weil er aus dieser Schiene kommt, und das dann quasi in seine neue Sphäre „übersetzt“ hat.

subtext.at:  Warum dann dieses Keyword?
SOHN: Naja, es schadet nicht – es wird ja nur angewendet, um etwas zu identifizieren, das Spaß macht.

subtext.at: Warum sollte man SOHN nicht hören?
SOHN: (überlegt lange) Interessant. Weil keine Gitarre drauf ist? Wobei, ein bisschen Gitarre ist ja auch dabei. Also nein, es gibt keinen Grund!

subtext.at: Du spielst hier auf dem Ahoi-Pop-Festival. Pop ist also immer mehr – und immer weitergreifend?
SOHN: Ja, schon. Pop ist immer Pop – das ist ja kein Sound, sondern ein Konstrukt. Das ändert sich, aber geht nie weg. Das kann von den Red Hot Chilli Peppers bis zu den Stones führen. Das ist ein anderer Weg, um Musik zusammenzufassen, die in einen gewissen, nicht nur musikalischen, Rahmen passt. Für mich zumindest. Es geht eher mehr um die Songs als um den Umstand, wie die Songs entstehen und wie sie beeinflusst werden. Die Beastie Boys sind auch Pop.

subtext.at: Zum Abschluss eine Anekdote: das Komischste, was dir als SOHN passiert ist?
SOHN: Hmm. Nicht viel. Wahrscheinlich war das komischste, dass, weil ich immer schwarz – also Hoodie und Jeans – trage, ich schon mal gefragt wurde, ob ich denn der Roadie sei. Weil ich als Person für SOHN ja nicht das Aushängeschild bin und deshalb ja auch keinen speziellen Kleidungsstil haben muss. Seither trage ich aber was anderes. Ich mag es aber, im Dunklen und im Hintergrund zu bleiben. Ich möchte eher, dass SOHN als Musik in den Köpfen der Leute bleibt.

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 Fotos: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.