1000 Robota: “Sie sollen glühen in dem, was sie tun.”

Die Jungs aus Hamburg nahmen sich für subtext.at vor ihrem an den Film “Utopia Ltd.” anschließenden Konzert im Alten Schlachthof Wels Zeit um die Dokumentation über sich selbst Revue zu passieren, über die Zukunft zu sprechen und Österreich auf sich wirken zu lassen.

Die Fragen stellte Kevin Mitrega, die Fotos machte Michael Rylko.

subtext.at: Ihr sagt offen auf eurer Webseite, dass das heutige Konzert das letzte für längere Zeit sein soll und ihr eine neue Platte machen wollt. Was habt ihr denn vor, wie sehen eure Erwartungen und Vorstellungen aus?

Anton Spielmann: Wir arbeiten schon sehr stark an der Platte. Wir hatten schon sehr viel Text da, der sich im Laufe der Zeit recht kontinuierlich angeschrieben hat. Das waren ziemlich viele Phrasen, könnte man fast sagen und wir haben angefangen, die Sachen zu bündeln. Für uns war das in diesem Zusammenhang eine neue Art des Arbeitens und des Musik Machens. Wir haben zuerst den Text genommen und uns ihn angesehen: Was passiert hier? Was geht hier eigentlich? Dann haben wir gemerkt, dass das, was sich da äußert, eine bestimmte Musik braucht. Und diese Musik braucht ihre Kraft und diese Kraft heißt in manchen Augenblicken Zeit. Es hat damit etwas zu tun, dass man es im Grunde gesagt jetzt wissen will. Konzerte bringen uns in diesem Zusammenhang immer sehr extrem raus, weil wir dann natürlich nicht die geschärfte Präsenz haben können wie wenn wir eine Platte mental ständig ein- und ausatmen. Das ist ein anderes Gefühl, wenn du jetzt auf einmal schon in einem neuen Schreiben bist. Und dann musst du alte Dinge transportieren können.

Es ist ja nach wie vor bei uns so, dass durch das junge Alter und eine gewisse Grundeuphorie, die in uns steckt, wir sehr schnell sind. Nicht in Form des Schreibens sondern viel mehr vom Weg des Denkens. Wir sind sehr schnell gelangweilt von Situationen. Nicht unbedingt von Publikum und Konzertfeeling sondern von uns selber und unserer Leistung. Das geht viel schneller als man denkt. Das ist zum Beispiel auch ein Grund, warum wir beschlossen haben, vorerst keine Konzerte mehr zu spielen oder die letzten noch fertig zu machen weil wir irgendwann gemerkt haben, dass es doch schade wäre, wenn diese Konzerte nicht die gleiche Intensität hätten wie andere.

subtext.at: Ihr stellt scheinbar sehr große Erwartungen an euch.

Anton Spielmann: Ja, natürlich! Das ist ja auch ein Muss. Jeder, der das nicht macht, kann gleich aufhören. Natürlich ist die Erwartung, wie wir mit unserer Sache umgehen, richtig groß. Das größte, was es wahrscheinlich gibt uns unserem Leben. Aber wir machen das einfach, weißt du? Am Ende versuchst du, das zu sammeln, was du mitgenommen hast aus den letzten Jahren und immer noch die Intensität zu haben, die dir so ein Gefühl gibt und solange sich das nicht verliert oder vielleicht immer stärker wird, dann ist alles im grünen Bereich.
Aber trotzdem arbeitet man natürlich daran, wir arbeiten ja auch stark an uns. Wir sind ja keine Musiker, das muss man einmal begreifen. Wir sind ja einfach nur Kids von der Straße, dumm gesagt. Wir lernen das jetzt. Das ist ja eigentlich nichts für ein Standing oder zumindest nichts für ein zeitgenössisches Standing, die Leute wollen ja Perfektion. Auf der anderen Seite wollen sie eben auch Amateurgut … Es ist schwierig.

subtext.at: Ihr wart vor wenigen Tagen in London auf der Suche nach einem Studio.

Anton Spielmann: Nein, wir suchen nicht direkt in England oder in London, sondern wir schauen einfach, wo uns ein Gefühl hintreibt. Jetzt zu sehen, ob es am Ende Polen ist, oder London, Spanien, Portugal oder die Malediven ist vollkommen gleichgültig. Es geht erstmal darum irgendwo hinzufahren und zu sehen, wie sich das, was man jetzt schon hat, dort anfühlt.
Man atmet das ja ein. Wir sind ja die Platte und repräsentieren sie. Wenn wir an der Platte schreiben, dann haben wir ein bestimmtes Gefühl. Und dann ist es ein ganz einfacher Weg: Du selber gehst irgendwohin und siehst, ob dieses Gefühl, was du in der Situation des Schreibens hast, mit der Situation, die du dort vorfindest, übereinstimmt. Wenn das nicht so ist, dann fährst du wieder weg. Und das machen wir gerade.

subtext.at: Also eine Art Suche mit ungewisser Richtung?

Anton Spielmann: Ungewiss ist es nicht. Wir wissen das ja schon sehr doll. Wir suchen nur den Augenblick, den wir dann nutzen können. Vielleicht nehmen wir ja in Hamburg auf.

subtext.at: Lasst uns über den Film sprechen, das heutige Event dreht sich schließlich um “Utopia Ltd.”. Wie seht ihr euch selbst in diesem Film? Entspricht die persönliche Wahrnehmung, die man von sich hat oder einmal hatte dem Bild, das man im Film auch abgibt?

Anton Spielmann: Wir sind ja Jungs, die sehr viel über sich selber nachdenken. In diesem Zusammenhang ist der Film ein interessantes Modell, sich mal so zu betrachten oder zu sehen, was man da tut. Oder wie Sandra uns interpretiert. Das ist ein interessanter Weg. Was ich toll finde an dem Film ist, dass der Film uns aus der Sicht eines Fremden zeigt. Und dieser Fremde hatte des Glück uns begleiten zu können. In dieser Zeit ist sehr viel passiert und wahrscheinlich war das auch für Sandra sehr intensiv. Das hat sie festgehalten und das daraus gemacht, was sie in uns sieht oder was sie denkt, was lobenswert ist, an uns zu sehen. Und das zu sehen erfreut mich sehr. Dass jemand unsere Personen nimmt und uns in einer realen Form, wie sie in Situationen stattgefunden haben, wiedergibt auf seine Art und Weise, das finde ich bemerkenswert.

subtext.at: Würde das eurer Ansicht nach auch mit jeder anderen Band gehen?

Anton Spielmann: Nein. Ich glaube nicht, dass das mit jeder Band gehen würde. Ich glaube, dass das mit den wenigsten Bands geht. Ich glaube, es gibt wenig gute Bands. Es gibt sehr viele Bands, aber es gibt sehr wenig richtig gute Bands und wenig Bands, die so impulsiv entscheiden. Das ist in bestimmten Zusammenhängen irgendwo ein Ausnahmezustand, der sich auszeichnet. Kann ich nicht sagen, vielleicht in ein paar Jahren.

subtext.at: Kam der mediale Hype um euch als Band dem Film gerade recht? Das bietet ja auch viel Stoff, der im Film gezeigt wird: Konflikte mit dem Label, …

Anton Spielmann: Ja, sehr klassisch. Es zeigt im Grunde auf sehr charmante Art und Weise ein ganz klassisches Abbild von Rockdokumentation. Es zeigt einfach die üblichen Modelle: Bands gehen ins Studio, Bands gehen auf Tour, Bands krachen mit Labels. Das kannst du dir bei Metallica ansehen in schlecht, bei Justice in richtig mies, bei den Stones in irgendwie anders gut, mit einer anderen Kraft, aber genauso bei einer Band wie Wilco, wo du ähnliche Probleme hast. Gute Bands sind grundsätzlich mit diesen Problemen konfrontiert. Total egal, die sind es alle. Die haben alle Krach mit ihrem Label und die sehen alle zu, dass sie ihre Scheiße durchziehen. Das ist einfach ein steiniger Pfad, ganz einfach. Das ist das Modell, darauf lässt du dich ein, sobald du anfängst, relevante Sachen zu machen. Du stellst dich nicht darauf ein, dass das ein rosa Pfad ins Paradies ist, sondern dass es heavy ist. Einige Leute können damit umgehen und andere nicht. Und für einige ist das auch eine Kraft, einige mögen das ja auch. Ich würde mein Leben ziemlich langweilig finden, wenn das nicht so wäre.

Aber bestimmt, die Dokumentation zeigt ziemlich viele Augenblicke der Destruktivität, wo wir scheinbar in Situationen sind, die uns in einer zwecklosen Lage betrachten oder in einer fragwürdigen. Was bedeutet das jetzt? Das ist auf der einen Seite sehr interessant aber es gibt auch noch eine andere Seite. Nämlich die, dass wir ein drittes Album jetzt veröffentlichen und dass es nicht so aussieht, dass es unser letztes ist. Und dass wir immer glücklicher damit werden, was wir tun und immer mehr ein Standing für uns selber haben. Das ist erstmal das wichtigste. Sobald du das einmal erlangst, hast du schon mal einiges geschafft. Ob du dann noch eine gute Leistung vollbringst oder nicht, das ist wahrscheinlich fragwürdig.

Jonas Hinnerkort: Ich glaube aus filmischer Hinsicht ist es total irrelevant. Du bist ein Regisseur. Das ist nicht unser Wert in dem Sinne. Du kannst auch über eine schlechte kack Band einen brillanten, interessanten Film wahrscheinlich drehen. Das ist dann die Geschichte, die du dir dabei rauspickst und eher die Interpretation der Regisseurin in diesem Pfad, diesem Teil unserer Geschichte, die da beleuchtet wird und dann teilweise ja doch sehr klassisch. Darum ist die Frage, ob das nur mit einer Band wie uns ginge, glaube ich überflüssig, weil das ist dann eine eigene Leistung für sich, die wir nicht wirklich beeinflussen können.

subtext.at: Also spielt Sandra Trostel in dem Film eine größere Rolle als man vielleicht annehmen mag?

Anton Spielmann: Naja, sie ist die Regisseurin und repräsentiert diesen Film ja auch. Das ist ihr Baby.

Jonas Hinnerkort: Es ist ja auch ein Dokumentarfilm. Es ist kein Kunstfilm, kein Musikfilm, kein Imagefilm, es ist ein ganz sachlicher Dokumentarfilm, wenn man so will. Wenn haben den nicht gedreht, wir waren zu dokumentieren.

subtext.at: Stichwort Image: Hat der Film einen Einfluss auf das Image oder die Wahrnehmung der Band 1000 Robota genommen? Oder ist es noch zu früh, um diese Frage zu stellen?

Anton Spielmann: Das hast du schon ganz gut beantwortet. Es ist im Grunde noch zu nüchtern und zu jung um das schon schlüsseln zu können. Das können wir noch gar nicht genau sagen. Wir haben so ein gewisses Grundgefühl in bestimmten Augenblicken, wo wir Leute treffen, die den Film sehen und die uns dann mit Fragen konfrontieren, die ich in einigen Augenblicken surreal finde. Wo ich dann denke: “Okay, das ist hängengeblieben? Schade!”. Zum Beispiel Fragen wie “und wie geht’s jetzt weiter?” oder so. Es ging noch die ganze Zeit weiter. Oder das mitbekommen wurde oder nicht, ist mir erstmal vollkommen egal. Aber man merkt wieder die Aufmerksamkeitsspanne der Leute. Und sie enttäuscht einen mal wieder. Die ist nämlich sehr knapp und beschränkt sich auf ein Medium und zwar das, was dann gerade gesehen wird. Das ist lieblos und charakterlos so zu agieren, weil da einfach mehr dazu gehört und das repräsentiert auch der Film.

Ich treffe so viele Leute, die plötzlich anfangen ihr Herz auszuschütten, was erstmal neu ist. Die Leute haben uns noch nie mit so einer Liebe empfangen wie im Zusammenhang dieses Films, was ich erstmal merkwürdig finde, weil der Film sehr schroff ist. Die wollen dann auf einmal einen trösten. Aber das ist so ekelhaft! Weil mit Trost hat die ganze Scheiße hier einfach nichts zu tun. Wir als Band sind die letzte Band, die Trost braucht. Zumindest nicht in diesem Zusammenhang. Es geht hier um Rockmusik. Rockmusik hat nur bedingt etwas mit Trost zu tun.

Das hat wieder so etwas Urdeutsches, da so herumzuwühlen. Man merkt, es geht einfach weiter. Der Weg ist immer der selbe, die Leute machen immer die selbe Scheiße. Was erstmal nicht schlecht ist aber ob das gut ist, kann ich nicht beantworten. Aber wie gesagt das mit der Neon, das fand ich erstmal richtig nett. Auf einmal haben Interviewer, Redakteure oder Veranstalter, die den Film gesehen haben, gemerkt: “Oh, die sind ja gar nicht so bad. Wenn wir denen mit Respekt begegnen, dann beruht das auf Gegenseitigkeit”. Das hat bestimmte Sachen erstmal beruhigt, sodass man sich nicht unbedingt so schlecht fühlt, wenn man unterwegs ist oder Angst hat, irgendwas könnte schon wieder kollabieren wegen irgendwelchem Kack, weil man voreingenommen ist.

Jonas Hinnerkort: Ja, ganz simple Dinge werden sozusagen erläutert oder so. Man muss sich dann nicht mehr für gewisse Dinge, für Oberflächlichkeiten, so blöd rechtfertigen.

Anton Spielmann: Zum Beispiel in Deutschland gehst du an dieses Modell des Trostes: “Und jetzt? Ist ja alles scheiße gelaufen, oder? Und, ist dein Leben jetzt im Arsch?”. Wo ich mir denke: “Was?!”. Also ich fühl mich immer besser und die Leute entgegnen Einem mit: “Und das war’s jetzt oder wie?”. Wir kriegen auf einmal Post oder Mails von Fans, die bedauern, dass wir uns auflösen, wo wir uns denken: “Seid ihr alle wahnsinnig oder was?”. Mensch, dann check doch mal, kuck doch mal! Da ist doch dieses World Wide Web, da kannst du doch sehen, was passiert. Da weißt du doch, wo wir hinfahren, das ist doch nicht vorbei!

Und gestern zum Beispiel in Wien: Österreich ist da eben anders, Österreich konfrontiert sich anders mit dem Leben. Das ist interessant zu beobachten, weil in Österreich kam gleich so ein junger Kerl an und meinte – ich meine, das sind große Worte, ich schätze das sehr, es klingt wahnsinnig überheblich aber ich kann das nur annehmen, weil wenn der das wirklich ernst meint, dann ist das einfach nur krass – aber der Junge entgegnet Einem mit: “Man hätte wirklich etwas erschaffen und wir seien die Märtyrer!”. Die Märtyrer unserer eigenen Sache. Wo ich mir denke: “Ah, ein interessanter Gedanke.”. Und so etwas entgegnet dir und dafür respektiert er das unter anderem und weil ihm das irgendwas bringt. Alleine dieser Ausgangspunkt – “Ihr seid die Märtyrer!” – das gibt es in Deutschland nicht, das gibt es einfach nicht. Die Leute sind so stinke feige, die würden nie auf so eine Formulierung kommen, niemals. Weil die Leute alle Schiss und die Hosen voll haben und Märtyrerei für die etwas ist, was auch irgendwo negativ ist. Es ist jetzt auch nicht wirklich ein interessantes Thema, ich bin auch kein Märtyrer (lacht).

Jonas Hinnerkort: Aber es bringt eine Intensität mit sich, die erstmal untypisch ist. Gerade bei Leuten, die Einem entgegnen.

Anton Spielmann: Gerade bei denen, der war noch recht jung. Der war in unserem Alter, glaube ich.

subtext.at: Ein Konzertbesucher?

Anton Spielmann: Ja, genau.

subtext.at: Da wäre ja die Frage gewesen, was ihr für ein Verhältnis zu Österreich habt?

Anton Spielmann: Ein immer besseres. Grundsätzlich ist es so, dass ich Städte immer schwer finde. Auch gar nicht nur in Österreich sondern einfach Städte an sich. Mir fällt es sehr schwer, in Städte zu fahren und die Leute dort einzufangen. Das habe ich noch nicht für mich gefunden, wie das richtig gehen soll. Wir haben noch nicht so viel in Österreich gespielt und wenn, dann immer mit sehr großen Acts zusammen als Support oder im Rahmen eines großen Festivals. Wir haben allerdings noch nie alleine gespielt, wo man merkt, was die Summe ist. Was kommt am Ende dabei rum, was sind das für Menschen? Das ist bei einem Festival ein anderer Schnack. Und das hat einfach eine Kraft, die mir wahnsinnig gut gefällt.
Also gestern zum Beispiel das Konzert – meiner Meinung nach war dieses Konzert unglaublich anstrengend! Wir waren sehr rough mit den Leuten. Nicht in Form von Beleidigung oder so aber wir hatten einen sehr starken Austausch und die Musik war auch sehr rough und das hatte alles eine düstere Note. Und was entgegnet mir einer aus dem Publikum? – “Du Charmeur!”. Wo ich mir denke: “Ah, alles klar. Interessante Wahrnehmung!”, Da hat’s endlich mal jemand verstanden, dass man hier nicht hasst sondern vielleicht Angst hat oder so.

subtext.at: War das gestern die erste Show in Österreich, die ihr als Hauptact bestritten habt?

Anton Spielmann: Ja, die allererste Wien-Show, die wir jemals gespielt haben. Ich weiß auch nicht genau warum, aber es ist wirklich so. Aus irgendeinem Grund war das die allererste Show. Irre.

subtext.at: Wie ich höre, schien die Resonanz sehr gut gewesen zu sein.

Anton Spielmann: Jaja, es war ziemlich krass. Ich war ziemlich begeistert. Die haben uns richtig aufgefressen, das habe ich noch nicht erlebt! Also normalerweise plätten wir die Leute und es ist so eine Art der Verwirrung im Raum aber die haben es wirklich geschafft, dass ich teilweise überfordert war mit einigen Augenblicken. Das ist bemerkenswert, das hat noch kein Publikum geschafft, noch kein einziges. Das war nicht schlecht.

subtext.at: Also werdet ihr wiederkommen?

Anton Spielmann: Wenn wir eingeladen werden, ja.

subtext.at: Wie war im Gegensatz zu gestern die Resonanz bei den Support-Shows in Österreich?

Anton Spielmann: Support-Shows sind überall gleich auf der Welt. Wenn du als Support spielst, hast du erstmal immer die Arschkarte. Man macht das aus irgendeinem Grund, weil man denkt, dass es Einem etwas bringt. Für uns ist es Fun. Vor allen Dingen aus dem Grund, zu sehen, wie es sich anfühlt vor 5000 Leuten zu spielen. Diese 5000 Leute tanzen zum Beispiel zu Musik, die für uns ziemlich cheesy ist. Damit meine ich Musik, die erstmal reingeht und einen nicht wirklich stört. Wenn du mit einem Act wie Franz Ferdinand oder Fettes Brot spielst, kannst du ab einem gewissen Punkt auch mal das Publikum vergraulen.
Für mich oder für uns als Band ist in diesem Augenblick ein interessanter Faktor: Wie schaffen wir es, diese Leute zu kriegen? Ganz normal. Das ist als Support eh sehr schwer, weil man nicht diesen Grundrespekt hat. Die Leute bezahlen, um einen großen Act zu sehen und dieses Supportding ist eher so eine Moral wie “Häh, noch nicht mal ein Support?!” aber eigentlich will ihn dann doch niemand sehen. Das ist ein anderer Schnack. Die Resonanz da von sagen wir mal 5000 Leuten: Von denen begreifen es vielleicht 5 und 25 sehen sich das vielleicht noch einmal im Netz an und haben es dann auch wieder vergessen. Das ist die Resonanz.

subtext.at: Also macht es keinen Unterschied, wo man als Support auftritt?

Jonas Hinnerkort: Nein, das ist immer das selbe Modell.

Anton Spielmann: Ob du in Amsterdam oder in London spielst, es ist alles gleich.

subtext.at: Eine Frage, die ich mit einer These verbinde: Ich finde, der deutschsprachige Raum importiert sehr viel Musik (Beispiel Schweden). Der Markt wird dominiert von ausländischen Bands. Deutschsprachige Bands haben da eine andere Gewichtung. Seht ihr den deutschsprachigen Raum auch als Importeur von Musik?

Anton Spielmann: Das ist ganz einfach: In den meisten Fällen haben deutsche Rockbands nichts mit Rock ‘n’ Roll zu tun. Das können andere Länder einfach besser. So ein Land wie England, die Staaten oder teilweise auch die Schweden, nur auf eine andere Art und Weise, können das einfach, weil sie einen gewissen ertragbaren Stolz haben, den deutsche Bands nicht haben. Deutsche Rockmusik ist einfach das Gegenteil, was Rockmusik überhaupt repräsentiert. Ich kann mir vorstellen, dass das ziemlich viele Leute ziemlich uninteressant finden. Das funktioniert entweder immer nur auf dem Kulturweg oder als Mainstream-Scheiß. Das ist einfach die Quote.

Jonas Hinnerkort: Der auch schlechter ist.

Anton Spielmann: Genau. Du kriegst geilen Mainstream in den Staaten. Das ist rougher als alles Roughe, was in Deutschland veröffentlicht wird. Das ist wieder so ein Zeichen von … ich weiß nicht genau, wie man das beschreiben soll. Komischerweise haben die Menschen, die in Deutschland leben, es verlernt, das Leben zu genießen und auch zu abstrahieren. In Deutschland ist alles immer ganz schnell pathisch, inszeniert und irgendwie nicht authentisch oder so. Aber bei Franz Ferdinand ist das ja auszuhalten. Oder bei den Arctic Monkeys ist das ja egal. Die dürfen das ja aus irgendeinem Grund.
Das ist ja auch klar, das kann man übertragen, es gibt ja diese eine Zeile von Dirk von Lowtzow: “Über Sex kann man nur auf Englisch singen”. Da hat ja nicht nur er darüber gesprochen, da haben auch schon andere Acts darüber gesprochen, ich glaube Jochen Distelmeyer hat auch mal darüber gesprochen. Ich kenne seine Musik nicht so gut aber ich mag mich zu erinnern, dass irgendwann mal so etwas auftauchte, wo ich dachte: “Ah, das ist doch ein ähnliches Thema wie bei den Tocos”.
Das ist ein Kreislauf, der sich immer wiederholt. Dieser Kreislauf hört in diesen Zusammenhängen so nicht auf, wie er funktioniert. Auch nicht in uns. Wir versuchen ihn aber zu bekämpfen. Weil wir auch interessiert sind an irgendeiner Art von Glam. Das war auch immer der Konflikt, der zwischen uns und den Leuten stand, dass die nicht ganz verstanden haben, was da genau die Idee ist. Irgendwie kam das so real aber irgendwie auch zu inszeniert rüber oder so. Ich mag halt den Mix. Ich finde Pathos nicht schlecht. Es ist eine Frage, wie er rüberkommt. Und was er vor allen Dingen sagt.

subtext.at: Ihr sagt: “Wir wollen entstehen und Entstehung verursachen” – Wie kommt ihr denn damit voran? Ist diese Ambition ungebrochen oder hat sie sich mittlerweile ein wenig verschoben?

Jonas Hinnerkort: Das ist ja auch keine ungewöhnliche Ambition. Das ist eine ganz bodenständige, künstlerische, gängige Ambition etwas zu erzeugen. Also nicht Dinge zu tun, die egal sind. Weil dann kannst du es auch sein lassen. Dann macht es keinen Unterschied, ob du es machst oder nicht.

Anton Spielmann: Der Satz ist witzig, weil Einem da auch wieder so etwas komisches Urdeutsches entgegnet. Man findet es fast unangenehm. Ich weiß nicht genau, woran das liegt. So ein Satz hat eine Kraft, die teilweise so einnehmend ist, das ist ähnlich wie wenn du sagst: “Ich wusste schon immer, dass wir eine gute Band sind.”. Das kannst du in Deutschland nicht bringen. In Deutschland darfst du so etwas einfach nicht sagen. Sonst bist du ja gleich der Arsch. Aber dieser Satz sagt ja etwas Ähnliches auf eine andere Art und Weise.
Was die Leute bei meinen Texten und Aussagen nie richtig verstehen, ist halt die Sentimentalität und das Drama hinter diesen Aussagen. Dass es immer etwas mit Angst zu tun hat. Dass ich oft so etwas sage wie “man” oder so und Menschen sich sofort bezogen fühlen. Das sind Aufforderungen. Weil man vielleicht auch sagt: “Wir wollen entstehen und Entstehung verursachen.” – wer sind denn “wir”? Vielleicht gar nicht unbedingt die Band. Natürlich, die Leute sollen alle Gas geben und abgehen und entstehen. Sie sollen glühen in dem, was sie tun und in dem, was sie machen wollen. Und wenn die Revolution ausbricht, sind wir wahrscheinlich die Ersten, die kapitulieren.

subtext.at: Das hat ja alles ein bisschen was von Underground, oder?

Anton Spielmann: Kann schon sein, vielleicht hast du Recht. Aber es soll eigentlich genau das Gegenteil sein.

subtext.at: Deswegen die Frage: Gibt es eurer Meinung nach noch so etwas wie Underground? Denn Dinge wie Punk oder Indie, die so etwas in der Art darstellen sollten, sind mittlerweile auch nur Marktkategorien.

Anton Spielmann: Punk ist für mich am Hauptbahnhof rumhängen und Kleber sniffen oder so ‘ne Scheiße. Das ist für mich Punk, das repräsentiert Punk für mich. Und Indie – ich weiß gar nicht, was das bedeuten soll. Indie ist …

Jonas Hinnerkort: Unabhängig.

Anton Spielmann: Also kenne niemanden, der sich selbst gehört. Das hat auch Peter Licht jetzt ganz stolz auf der neuen Platte gesungen. Unabhängig sein würde ich auch gar nicht wollen, das ist ziemlich uninteressant.

Jonas Hinnerkort: Also ich glaube auch der Begriff “Underground” oder “Untergrund” oder wie auch immer hat keine Relevanz mehr. Der Begriff macht überhaupt keinen Sinn mehr, weil das Internet nicht irgendwie definierbar ist sondern abstrakt und da findet das nunmal größtenteils statt. Grundsätzlich ist es immer das Prinzip, dass Ideen vorausgedacht werden und dann angenommen oder abgelehnt werden. Das ist immer dieses Spiel von Vorreiter und Mitzieher, also im Grunde genommen das Modell der Avantgarde, welches sich durch die gesamte Geschichte der Menschheit zieht. Es werden Erfindungen gemacht, die so genial sind, dass es für die Allgemeinheit gut ist oder nicht. Darum hat auch der Underground in dem Sinne immer seine Funktion aber ob man das jetzt behaften will mit einem gewissen Coolness-Faktor oder so, das ist vollkommen irrelevant. Darum geht es auch bei dem Gedanken, glaube ich, nicht. Und das gibt es dann in diesem Sinne vielleicht nicht mehr so, weil die Formen anders geworden sind.

Anton Spielmann: Ich meine, es gibt eigentlich keine musikalische Zeit in Deutschland außer die Krautrock-Zeit. Wenn du in fucking Köln rumhängst und irgendsoeinen Deppen auf der Straße in einer normalen Indie-Diskothek fragst, was denn so Besonderes aus Köln kommt oder aus Deutschland, dann sagt der nicht Krautrock. Und das Interessante ist aber, dass wenn du in New York rumhängst und da jemanden triffst und der dich fragt: “Where are you from?” – und du sagst “Cologne” – dann sagt der: “Ah, Neu!, yeah, I like this stuff!” Dann fragt man sich: “Was für eine Größe hat das bitte?”. Also Underground kommt für mich nicht nach New York City, wenn es eine Nischenkultur im fucking Rheinland ist. Das hat nichts mehr mit Underground zu tun. Das ist die größte Macht, die sich repräsentieren lässt durch gutes Zeug. Wenn du jetzt wiederum in Köln sitzt und irgendeinen Deppen fragst: “Kennst du Ina Müller?” – dann sagt der: “Yo, Ina Müller! Die hat doch diese witzige Show im Fernsehen!”. Und wenn du in Amerika fragst: “Kennst du Ina Müller?” – dann sagt der “Häh? … yeah, Neu!, I like this stuff!”. Die sind halt Märtyrer irgendwo. Das ist schwer zu sagen, wo da die Trennung liegt.
Ich versuche meist Mikrokosmen zu meiden. Ich habe da keinen Bock drauf, das ist so eine Bauchnabelpopelei. Man dreht sich doch immer im selben Schema. Wem soll denn das was bringen? Da setze ich mich doch lieber ins Büro und schreibe scheiß E-Mails. Also wofür macht man denn die Scheiße? Um sich selber doch ein Gefühl zu geben. Das bleibt nicht bei “Hamburg brennt” stehen sondern geht einfach weiter.

Jonas Hinnerkort: Dieser Gedanke von Underground oder was auch immer hat auch überhaupt keine Substanz, wenn es darum geht, Musik zu schreiben. Das ist letztendlich auch wieder dieses mediale Ding. Das hat für einen Musiker keinen Zweck. Du sagst nicht, ich will so eine Musik machen, die nur vielleicht 20 Leute anstatt 1000 Leute hören. Da steckt keine Logik dahinter.

Anton Spielmann: Das ist dann Stolz.

Jonas Hinnerkort: Was wäre das für ein Menschenbild? Das wäre ja schon fast faschistisch so einen Elitegedanken haben zu wollen.

Anton Spielmann: Man kann das auch ganz anders betrachten: Es gibt einfach keine Klassengesellschaft mehr. Wie soll es denn dann Underground geben? Ist doch ganz einfach. Ich meine, die Mods, worauf bauen die auf? Das hatte ja auch immer gesellschaftliche Züge. Prog-Rock oder Punk, das waren ja klar ersichtliche Klassen. Ich sehe keine Klassen mehr, ich sehe eine riesige Mischgrube. Das sehe ich. Ich sehe Ärzte, die meine Nachbarn sind, wo die Leute Einem vor die Tür kotzen. Das sehe ich. Und ich die Miete nicht mehr zahlen kann. Das sehe ich. Und was soll das mit Underground zu tun haben? Gar nichts.

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