TEGAN AND SARA: „Spannung liegt in der Luft“

Wer denkt, dass aus Kanada nur breitbeinige Mainstream-Rocker wie Nickelback, Diven ala Celine Dion oder Popgören wie Avril Lavigne kommen, könnte falscher nicht liegen. Die Zwillinge Tegan Rain Quin und Sara Kiersten Quin beackern ein gänzlich anderes Musikspektrum – und das schon seit Jahren. Angst vor griffigen Melodien hatte das Duo noch nie. Das neue Album „Heartthrob“ setzt dem allerdings noch einen drauf.

„The air ist stick with excitement“, meinen die beiden im Gespräch. Die Leute freuen sich, Tegan und Sara endlich live in Österreich sehen zu können. Es hat lange genug gedauert. Im Interview mit subtext.at sprechen sie über die Herausforderungen im Musikgeschäft, den Kraftstoffverbrauch während einer Tour und über CO2-Emissionen.

subtext.at: Tegan, Sara, laut einer bundesweit durchgeführten Studie aus Deutschland können nur drei Prozent aller Künstler von ihrem Beruf leben. Weltweit wird die Situation nicht unähnlich sein. Habt ihr Ratschläge, wie man eine Karriere in der Musikbranche zum Laufen bringen kann?
Tegan: Weißt du, wir sprechen sehr viel und oft darüber. Wir sind mit vielen Künstlern befreundet, Grafikern, Schriftstellern und anderen, die aus ganz unterschiedlichen Ecken kommen. (überlegt kurz) Wir haben alle mit denselben Dingen zu kämpfen. Wir stehen unter Vertrag, doch wenn dieser endet, wissen wir nicht, ob wir noch einmal angeheuert werden oder nicht. Es gibt keine Garantie dafür. (überlegt kurz) Mit jedem neuen Album verlassen wir uns auf unseren Instinkt. Wir wissen dann, was zu tun ist. Die Platte wird veröffentlicht, wir brezeln uns auf und es wird aufregend für uns. Wir hoffen, dass die Leute zu uns zurückkommen (lacht)!
Sara: Es gibt natürlich gewisse Dinge, die es uns ermöglicht haben, unsere Karriere aufrechtzuerhalten. Es kommt auch auf deinen Hausverstand an, denn im Grunde müssen wir uns wie jeder andere auch um unsere Angelegenheiten kümmern. Auch wir müssen haushalten und unser Geld sparen. Oder wir investieren in Dinge, die außerhalb der Musikbranche liegen. Wir besitzen beide Häuser, denn wer weiß, wie lange unsere Karriere noch läuft. Dann haben wir den Salat (lacht). Ich weiß, die Antwort auf deine Frage ist jetzt nicht besonders spannend ausgefallen. Wir treffen einfach kluge Entscheidungen, die uns betreffen.

Tegan: Viele Künstler denken bestimmt nicht so wie wir. Sie sind erfolgreich und von da an leben sie in Saus und Braus – so funktioniert es nicht. Ich bekomme das mit, dass Künstler eine tolle Platte herausbringen und sich dann von diesem Buzz komplett beeinflussen lassen. Wenn sie auf einem Festival auftreten und viele Shows spielen müssen – sie denken „that’s it“. Wir wissen, dass es nicht so ist. Unser Tipp ist: Sei darauf vorbereitet (lacht).

Heartthrob

Auch die Frage, ob sie Zweifel hatten, ältere Fans mit dem poppigen Sound des neuen Albums zu verscheuchen, antworten sie: „Wir hatten keine Bedenken, unsere Fans mit solch einem Album wie „Heartthrob“ zu verlieren. Viel mehr hatten wir Angst, uns selbst zu verlieren. Wir spürten, dass es an der Zeit war, bekannte Pfade zu verlassen und neue Dinge auszuprobieren. Wir machen seit einer Dekade Musik. Es war an der Zeit, Frische reinzubringen. Wir waren nie wirklich im Mainstream beheimatet. Deswegen haben wir den Schritt einfach gewagt.“

subtext.at: Was die die größte Herausforderung, die für Tegan And Sara im Jahr 2013 besteht?
Tegan: Nun, uns gibt es schon seit vierzehn Jahren. Wie willst du also den Leuten erklären, dass du noch immer wichtig und relevant bist und interessante Dinge zu sagen hast? Natürlich machen auch wir uns Gedanken, wie du die Fans an dir dran behälst oder wie du dein Business führst. Wir überlegen uns, wie wir zum Beispiel gesünder reisen können, unsere Emissionen auf Tour verringern und unsere CO2-Bilanz senken können. Und wie sieht überhaupt unsere Zukunft aus? Werden Tegan und Sara bis in alle Ewigkeit touren? Möchten wir zweihundert Tage im Jahr unterwegs sein?

Sara: Wir fühlen uns als Künstler erfüllt und wir machen tolle Musik, aber du musst über gewisse Dinge nachdenken. Wenn du fünfundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahre alt bist, sind diese Überlegungen für dich nicht wichtig. Irgendwann kommt jedoch dieser Augenblick. (überlegt) Es sind harte Zeiten. Jeder ist auf Tour, niemand kauft mehr CDs, die Industrie und das Internet verändert sich kontinuierlich. Die Musik ändert sich. Manche Dinge hast du nicht in der Hand. Dann gibt es noch die heutigen Besitzansprüche. Ich möchte dich treffen, ein Foto mit dir machen und mich auf Facebook mit dir unterhalten. Dann musst du mir noch auf Twitter folgen. Es gibt so viele Erwartungen an einen Künstler wie noch nie zuvor (lacht)! Zudem kostet alles noch mehr Geld: Das Reisen, der Treibstoff, die Flüge, die Busse und die T-Shirts, die wir anfertigen.

subtext.at: Das mag zwar blöd klingen, aber was ist der größte Mythos über Zwillinge? Gibt es wirklich diese besondere Verbindung, von der immer geredet wird? Denkt ihr manchmal an Dinge, die dann die jeweils andere von euch ausspricht?
Tegan: Zwillinge sind schon kompliziert. Nicht für uns, aber für Außenstehende.

subtext.at: Für euch ist es normal.
Tegan: Genau. Wir haben eine spezielle Verbindung zueinander. Auch deswegen, weil wir seit dreiunddreißig Jahren zusammen sind. Wir kennen unsere Gesten und wissen, was sie bedeuten. Wir wissen, wie das Gehirn der anderen funktioniert. Wir fühlen aber nicht den Schmerz der anderen und wir können auch nicht unsere Gedanken gegenseitig lesen. Traurig, aber wahr (lacht).
Sara: Wenn ich die Gedanken von Tegan lesen könnte, würden wir bestimmt in Las Vegas auftreten. Bei uns verhält es sich wie bei einem verheirateten Pärchen, die schon sehr lange zusammen sind und sich in und auswendig kennen. Die kennen sich halt. Wir möchten hier aber auch keine Geheimnisse ausplaudern, die zwischen Zwillingen vorherrschen!

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