Vom Welt retten ins Krankenhaus
Welt retten kann überfordern, vor allem wenn der Plan nicht detailliert ist. Die DAF (Deutsche Alte Frauen), bestehend aus Klara und Fränzi, ihr Assistent Friedhelm und 66 Königspudel mit Sprengstoff sollen Terrorist_innen in Pakistan ausschalten. „Die Reise nach Islamabad“ ist ein tragisch-komisches Stück des Theater Kosmos (Bregenz).
Blümchentapete, Plüschsofa mit Beistelltisch, ein altes Festnetztelefon, der Fernseher im Wohnzimmer – das Haus macht einen bürgerlichen Eindruck, die Bewohnerin Klara Krieger (Juliane Gruner) will hier wenig dazu passen. Nur weil sie Geburtstag hat, braucht sie nicht ausgiebig mit der Tochter zu telefonieren. Das Abendprogramm wird selbst festgelegt: Zum Fußballspiel Saudi-Arabien gegen Deutschland kommt Freundin Fränzi Huxoldt (Elke Maria Riedmann)zu Besuch, im Gepäck hat sie Brathähnchen und ein Geschenk.
Beide Frauen sind alt, aber überzeugt davon, dass eigene Taten etwas bewirken können. Vielleicht reichen Tatendrang und Eigenwilligkeit aus, um Dinge zum Guten zu verändern. Als Klara die Lottozahlen in der Halbzeit hört, kann sie ihr Glück nicht sofort begreifen. Der Gewinn wird zum Anlass, den gerade erst beschriebenen und spontanen Plan umzusetzen: Klara und Fränzi fliegen mit dem Geld nach Islamabad, sprengen Osama Bin Ladens Nachfolger in die Luft und erhalten dafür 20 Millionen Kopfgeld von Barack Obama.
Eine orientalisch gemusterte Tapete (Bühnenbild: Stefan Pfeistlinger) und ein Lied, in welchem die Sängerin von Klaras Husten unterbrochen wird – So beginnt der Aufenthalt der DAF und Friedhelms (Wolfgang Pevestorf) in Islamabad. Friedhelm, Klaras alte Liebe, soll die beiden Freundinnen in ihrem Einsatz unterstützen. Während er 66 Königspudel mit Sprengstoff versieht, skypt Klara per Webcam mit Botschaften und Journalist_innen. Begleitet von einem schwächer werdenden Licht (Stefan Pfeistlinger), das ihre Gesichter in den Vordergrund rückt, werden die Hintergründe der DAF erläutert.
„Hose runter, ab die Sau“ – So pflegt die gesprächige Klara Krieger zu sagen. Fränzi Huxoldt stimmt ihr zu, verhält sich schweigsam. Sollte ihr Handeln bedacht wirken, so schafft Klara mit ihrer Schrulligkeit und Spontanität stets einen Kontrast. Beide sprechen Westfälisch, das einen Teil zu ihrer Authentizität beiträgt. Sie halten der Gesellschaft in manchen Situationen einen Spiegel vor: Klara verwendet z.B. abwertende Begriffe wie „Neger“, die Herkunft eines Menschen wird jedoch egal, sobald diese Person für Deutschland Fußball spielt. Die Sprache in „Die Reise nach Islamabad“ ist im gesamten Stück unverblümt und direkt, wobei der Regisseur Augustin Jagg Reime und Zitate gekonnt hinzufügt.
Es ist aber nicht nur die Sprache, die auf Direktheit setzt. Der Humor steckt selten in Andeutungen auf Ereignisse oder in Wortspielen, er passiert vielmehr im Moment selbst. Slapstick-Szenen, als Fränzi etwa nicht gleich auf den Grund kommt, wieso sich auf der Flöte nicht musizieren lässt, bringen mehrere Gäste zum Lachen. Der Geschmack eines und einer jeden wird aber weder damit noch mit der Sprache getroffen.
Klaus Chattens (*1963) Komödie schafft es mit Leichtigkeit, ernste Themen wie undurchschaubare Machtverhältnisse, Terrorismus und Vereinsamung darzustellen. Diese Aspekte, die erst auf den zweiten Blick sichtbar sind, sorgen für tragische Elemente- für Tragik, die ebenfalls nicht sofort erkennbar ist.
Vom Haus Klaras über das Zelt in Berlin zu einem Quartier und Krankenhaus in Islamabad- Raumwechsel sind stark an Tapeten auszumachen, die anfängliche bürgerliche Idylle wird durch die Deutschland-Hymne untermauert. Beide Frauen stehen ergeben neben dem Fernseher. Die Hymne ist eines von zwei Liedern, sie laufen nicht im Hintergrund, sondern bekommen ihren eigenen Platz im Stück.
„Die Reise nach Islamabad“, in diesem Jahr uraufgeführt, beginnt mit einem Einstieg, der den Zusehenden Klaras Lebenssituation und Charakter näherbringt. Als roter Faden folgen Ankündigungen bei einem Rückblick, der Bezug zu vorherigen Aussagen und Kontraste der Freundinnen. Die Gegensätze setzen sich in der Kleidung fort: Klara ist ausgefallen und bunt angezogen, Fränzi dezent. Einzig das Ende gestaltet sich als etwas abrupt: Was ist jetzt genau passiert? Hat Klara nur geträumt und wenn ja, welchen Teil? In Islamabad ist sie jedenfalls gelandet, wenn auch in einem Krankenhaus.
Das Licht ist weniger grell, Klara noch erstaunlich humorvoll. Das Publikum aus Jugendlichen bis Senior_innen , das den Saal bis auf wenige Plätze füllte, applaudierte und unterhielt sich beim Verlassen des Theater Phönix über das Stück. „Die Reise nach Islamabad“ sei schräg und originell. Es spreche aber möglicherweise verstärkt jüngere Menschen an, meinten zwei Besucher_innen.
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